Emile sagte, nachdem Manfred seine Vor- lesung beendigt hatte: ich bin der Meinung, daß manche Gattungen des Witzes nur recht von Män- nern genossen und verstanden werden können. Mir ist es wenigstens schwer geworden, Ihnen allenthalben zu folgen, und es kann wohl seyn, daß dieser wilde unruhige Geist des Humors, diese scheinbare Willkürlichkeit und Zerstörung des Scherzes selbst durch neuen Uebermuth von der weiblichen Natur der Poesie zu entfernt liegen.
So würden Sie also, sagte Manfred, un- serm Jean Paul Recht geben, der allenthalben die weibliche und männliche Natur trennt, und der letztern fast ausschließlich den Sinn für Witz und Laune zugesteht?
Wie kömmt es dann nur, sagte Clara, daß mir, seitdem ich mich an seine Schreibart ge- wöhnt und sie verstehen gelernt habe, seine ko- mischen Stellen fast durchgängig mehr gefallen, als seine ernsthaften? Denn in diesen letztern ist er mir oft entweder zu weitläufig, oder zu weich und unbestimmt, oder zu gespenstisch, oder ich glaube zuweilen sogar den Mangel des rech- ten ernsten Ernstes wahrzunehmen; dagegen en- digen mir seine komischen Kapitel immer zu früh, jene medizinischen freilich ausgenommen, die ich ihm gern erließe; hat doch selbst Manfred über seinen Feldprediger Schmelzle nicht so herzlich als ich lachen können.
Dein Sinn, sagte Rosalie, wendet sich ein-
II. [ 25 ]
Zweite Abtheilung.
Emile ſagte, nachdem Manfred ſeine Vor- leſung beendigt hatte: ich bin der Meinung, daß manche Gattungen des Witzes nur recht von Maͤn- nern genoſſen und verſtanden werden koͤnnen. Mir iſt es wenigſtens ſchwer geworden, Ihnen allenthalben zu folgen, und es kann wohl ſeyn, daß dieſer wilde unruhige Geiſt des Humors, dieſe ſcheinbare Willkuͤrlichkeit und Zerſtoͤrung des Scherzes ſelbſt durch neuen Uebermuth von der weiblichen Natur der Poeſie zu entfernt liegen.
So wuͤrden Sie alſo, ſagte Manfred, un- ſerm Jean Paul Recht geben, der allenthalben die weibliche und maͤnnliche Natur trennt, und der letztern faſt ausſchließlich den Sinn fuͤr Witz und Laune zugeſteht?
Wie koͤmmt es dann nur, ſagte Clara, daß mir, ſeitdem ich mich an ſeine Schreibart ge- woͤhnt und ſie verſtehen gelernt habe, ſeine ko- miſchen Stellen faſt durchgaͤngig mehr gefallen, als ſeine ernſthaften? Denn in dieſen letztern iſt er mir oft entweder zu weitlaͤufig, oder zu weich und unbeſtimmt, oder zu geſpenſtiſch, oder ich glaube zuweilen ſogar den Mangel des rech- ten ernſten Ernſtes wahrzunehmen; dagegen en- digen mir ſeine komiſchen Kapitel immer zu fruͤh, jene mediziniſchen freilich ausgenommen, die ich ihm gern erließe; hat doch ſelbſt Manfred uͤber ſeinen Feldprediger Schmelzle nicht ſo herzlich als ich lachen koͤnnen.
Dein Sinn, ſagte Roſalie, wendet ſich ein-
II. [ 25 ]
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Zweite Abtheilung.
Emile ſagte, nachdem Manfred ſeine Vor-
leſung beendigt hatte: ich bin der Meinung, daß
manche Gattungen des Witzes nur recht von Maͤn-
nern genoſſen und verſtanden werden koͤnnen.
Mir iſt es wenigſtens ſchwer geworden, Ihnen
allenthalben zu folgen, und es kann wohl ſeyn,
daß dieſer wilde unruhige Geiſt des Humors,
dieſe ſcheinbare Willkuͤrlichkeit und Zerſtoͤrung
des Scherzes ſelbſt durch neuen Uebermuth von
der weiblichen Natur der Poeſie zu entfernt liegen.
So wuͤrden Sie alſo, ſagte Manfred, un-
ſerm Jean Paul Recht geben, der allenthalben
die weibliche und maͤnnliche Natur trennt, und
der letztern faſt ausſchließlich den Sinn fuͤr Witz
und Laune zugeſteht?
Wie koͤmmt es dann nur, ſagte Clara, daß
mir, ſeitdem ich mich an ſeine Schreibart ge-
woͤhnt und ſie verſtehen gelernt habe, ſeine ko-
miſchen Stellen faſt durchgaͤngig mehr gefallen,
als ſeine ernſthaften? Denn in dieſen letztern
iſt er mir oft entweder zu weitlaͤufig, oder zu
weich und unbeſtimmt, oder zu geſpenſtiſch, oder
ich glaube zuweilen ſogar den Mangel des rech-
ten ernſten Ernſtes wahrzunehmen; dagegen en-
digen mir ſeine komiſchen Kapitel immer zu fruͤh,
jene mediziniſchen freilich ausgenommen, die ich
ihm gern erließe; hat doch ſelbſt Manfred uͤber
ſeinen Feldprediger Schmelzle nicht ſo herzlich
als ich lachen koͤnnen.
Dein Sinn, ſagte Roſalie, wendet ſich ein-
II. [ 25 ]
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/394>, abgerufen am 27.11.2024.
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