Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Wirth. Ja, ja, wer kann gegen seine Be-
stimmung? Es ist nun einmal so angenommen; es
hat mich Mühe genug gekostet, mich gehörig ein-
zurichten, und es wurde doch wohl Klage geführt,
daß der Dichter manchmal aus mir heraus kuckte.
Es ging mir einigemal wie dem Midas, der seine
langen Ohren durchaus nicht verbergen konnte. --
Sieh, jetzt bin ich nun zum Beispiel recht ekla-
tant aus meinem Charakter herausgefallen! -- Wie
kann ein Wirth eine gelehrte und witzige Anspie-
lung auf den Midas machen! -- außer, es
müßte denn vorher sehr weitläuftig motivirt und
präparirt seyn, man müßte erfahren, der Wirth
habe einer vorzüglich guten Erziehung genossen, er
habe sogar die Alten gelesen, und sey nur durch
wunderliche Zufälle dahin gekommen, ein Wirths-
haus zu halten. -- Das mit dem Midas war
nun wieder der Dichter, der aus mir hervor kuckte.
Es ist doch ein verfluchter Fehler, den ich an
mir habe!
Anne. Sollte der Dichter aber wohl darauf
kommen, seine Weisheit oder seinen Witz mit Esels-
ohren zu vergleichen? Ich denke doch immer, daß
Ihr das selber erfunden habt.
Wirth. Es ist doch wenigstens unwahrschein-
lich, und das darf nicht seyn.

Direktor Wagemann kömmt.
Wagemann. Ihr Diener, kennen Sie mich?
Wirth. Je, was soll ich denn meinen vereh-
rungswürdigen Herrn Direktor nicht kennen? Ganz
Zweite Abtheilung.
Wirth. Ja, ja, wer kann gegen ſeine Be-
ſtimmung? Es iſt nun einmal ſo angenommen; es
hat mich Muͤhe genug gekoſtet, mich gehoͤrig ein-
zurichten, und es wurde doch wohl Klage gefuͤhrt,
daß der Dichter manchmal aus mir heraus kuckte.
Es ging mir einigemal wie dem Midas, der ſeine
langen Ohren durchaus nicht verbergen konnte. —
Sieh, jetzt bin ich nun zum Beiſpiel recht ekla-
tant aus meinem Charakter herausgefallen! — Wie
kann ein Wirth eine gelehrte und witzige Anſpie-
lung auf den Midas machen! — außer, es
muͤßte denn vorher ſehr weitlaͤuftig motivirt und
praͤparirt ſeyn, man muͤßte erfahren, der Wirth
habe einer vorzuͤglich guten Erziehung genoſſen, er
habe ſogar die Alten geleſen, und ſey nur durch
wunderliche Zufaͤlle dahin gekommen, ein Wirths-
haus zu halten. — Das mit dem Midas war
nun wieder der Dichter, der aus mir hervor kuckte.
Es iſt doch ein verfluchter Fehler, den ich an
mir habe!
Anne. Sollte der Dichter aber wohl darauf
kommen, ſeine Weisheit oder ſeinen Witz mit Eſels-
ohren zu vergleichen? Ich denke doch immer, daß
Ihr das ſelber erfunden habt.
Wirth. Es iſt doch wenigſtens unwahrſchein-
lich, und das darf nicht ſeyn.

Direktor Wagemann koͤmmt.
Wagemann. Ihr Diener, kennen Sie mich?
Wirth. Je, was ſoll ich denn meinen vereh-
rungswuͤrdigen Herrn Direktor nicht kennen? Ganz
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0369" n="360"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
              <sp who="#WIRTH">
                <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker>
                <p>Ja, ja, wer kann gegen &#x017F;eine Be-<lb/>
&#x017F;timmung? Es i&#x017F;t nun einmal &#x017F;o angenommen; es<lb/>
hat mich Mu&#x0364;he genug geko&#x017F;tet, mich geho&#x0364;rig ein-<lb/>
zurichten, und es wurde doch wohl Klage gefu&#x0364;hrt,<lb/>
daß der Dichter manchmal aus mir heraus kuckte.<lb/>
Es ging mir einigemal wie dem Midas, der &#x017F;eine<lb/>
langen Ohren durchaus nicht verbergen konnte. &#x2014;<lb/>
Sieh, jetzt bin ich nun zum Bei&#x017F;piel recht ekla-<lb/>
tant aus meinem Charakter herausgefallen! &#x2014; Wie<lb/>
kann ein Wirth eine gelehrte und witzige An&#x017F;pie-<lb/>
lung auf den <hi rendition="#g">Midas</hi> machen! &#x2014; außer, es<lb/>
mu&#x0364;ßte denn vorher &#x017F;ehr weitla&#x0364;uftig motivirt und<lb/>
pra&#x0364;parirt &#x017F;eyn, man mu&#x0364;ßte erfahren, der Wirth<lb/>
habe einer vorzu&#x0364;glich guten Erziehung geno&#x017F;&#x017F;en, er<lb/>
habe &#x017F;ogar die Alten gele&#x017F;en, und &#x017F;ey nur durch<lb/>
wunderliche Zufa&#x0364;lle dahin gekommen, ein Wirths-<lb/>
haus zu halten. &#x2014; Das mit dem Midas war<lb/>
nun wieder der Dichter, der aus mir hervor kuckte.<lb/>
Es i&#x017F;t doch ein verfluchter Fehler, den ich an<lb/>
mir habe!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ANN">
                <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker>
                <p>Sollte der Dichter aber wohl darauf<lb/>
kommen, &#x017F;eine Weisheit oder &#x017F;einen Witz mit E&#x017F;els-<lb/>
ohren zu vergleichen? Ich denke doch immer, daß<lb/>
Ihr das &#x017F;elber erfunden habt.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WIRTH">
                <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker>
                <p>Es i&#x017F;t doch wenig&#x017F;tens unwahr&#x017F;chein-<lb/>
lich, und das darf nicht &#x017F;eyn.</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Direktor Wagemann</hi> ko&#x0364;mmt.</hi> </stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WAG">
                <speaker><hi rendition="#g">Wagemann</hi>.</speaker>
                <p>Ihr Diener, kennen Sie mich?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WIRTH">
                <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker>
                <p>Je, was &#x017F;oll ich denn meinen vereh-<lb/>
rungswu&#x0364;rdigen Herrn Direktor nicht kennen? Ganz<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0369] Zweite Abtheilung. Wirth. Ja, ja, wer kann gegen ſeine Be- ſtimmung? Es iſt nun einmal ſo angenommen; es hat mich Muͤhe genug gekoſtet, mich gehoͤrig ein- zurichten, und es wurde doch wohl Klage gefuͤhrt, daß der Dichter manchmal aus mir heraus kuckte. Es ging mir einigemal wie dem Midas, der ſeine langen Ohren durchaus nicht verbergen konnte. — Sieh, jetzt bin ich nun zum Beiſpiel recht ekla- tant aus meinem Charakter herausgefallen! — Wie kann ein Wirth eine gelehrte und witzige Anſpie- lung auf den Midas machen! — außer, es muͤßte denn vorher ſehr weitlaͤuftig motivirt und praͤparirt ſeyn, man muͤßte erfahren, der Wirth habe einer vorzuͤglich guten Erziehung genoſſen, er habe ſogar die Alten geleſen, und ſey nur durch wunderliche Zufaͤlle dahin gekommen, ein Wirths- haus zu halten. — Das mit dem Midas war nun wieder der Dichter, der aus mir hervor kuckte. Es iſt doch ein verfluchter Fehler, den ich an mir habe! Anne. Sollte der Dichter aber wohl darauf kommen, ſeine Weisheit oder ſeinen Witz mit Eſels- ohren zu vergleichen? Ich denke doch immer, daß Ihr das ſelber erfunden habt. Wirth. Es iſt doch wenigſtens unwahrſchein- lich, und das darf nicht ſeyn. Direktor Wagemann koͤmmt. Wagemann. Ihr Diener, kennen Sie mich? Wirth. Je, was ſoll ich denn meinen vereh- rungswuͤrdigen Herrn Direktor nicht kennen? Ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/369
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/369>, abgerufen am 24.11.2024.