Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Die verkehrte Welt. Skaramuz. Geht und fahrt so fort, denn Ihr habt einen guten Glauben. (Leser ab.) -- Habt Ihr die Wissenschaften wohl schon in solchem Flore gesehn? Rath. Niemalen. Aulicus und Myrtill kommen. Skaramuz. Was giebts? Redet! Aulicus. Mein König, wir sind Schäfer, was man so schlechtweg Schäfer zu nennen pflegt, aber Schäfer im weitesten Sinn des Worts, denn wir halten uns auch etliche Kühe. Skaramuz. Ist das Eure Klage? Aulicus. Nimmermehr. Je da müßten wir ja wohl rechte Erzstümper seyn, wenn wir darüber klagen wollten. Nein, im Gegentheil, wollte der Himmel, wir hätten nur mehr. Skaramuz. Kommt zur Sache. Myrtill. Gevatter, laßt mich das Wort führen, sonst kann ja der König nimmermehr klug werden. Versteht mich, Herr König, und wenn Ihr den Mann da bis übermorgen reden ließet, so würde er doch nicht zur Sache kommen. Er ist mein Gevatter, und sonst ein guter Mann, aber das müssen ihm selbst seine Feinde im Grabe nach- sagen, daß er das Maul immer vorn weg hat. Es ist ein Erbschaden an ihm. Skaramuz. Was wollt Ihr denn, Leute? Ich verliere die Geduld. Myrtill. Nimmermehr, Herr König, denn wir haben sie auch schon verloren. Wißt Ihr was Scheeren ist? Die verkehrte Welt. Skaramuz. Geht und fahrt ſo fort, denn Ihr habt einen guten Glauben. (Leſer ab.) — Habt Ihr die Wiſſenſchaften wohl ſchon in ſolchem Flore geſehn? Rath. Niemalen. Aulicus und Myrtill kommen. Skaramuz. Was giebts? Redet! Aulicus. Mein Koͤnig, wir ſind Schaͤfer, was man ſo ſchlechtweg Schaͤfer zu nennen pflegt, aber Schaͤfer im weiteſten Sinn des Worts, denn wir halten uns auch etliche Kuͤhe. Skaramuz. Iſt das Eure Klage? Aulicus. Nimmermehr. Je da muͤßten wir ja wohl rechte Erzſtuͤmper ſeyn, wenn wir daruͤber klagen wollten. Nein, im Gegentheil, wollte der Himmel, wir haͤtten nur mehr. Skaramuz. Kommt zur Sache. Myrtill. Gevatter, laßt mich das Wort fuͤhren, ſonſt kann ja der Koͤnig nimmermehr klug werden. Verſteht mich, Herr Koͤnig, und wenn Ihr den Mann da bis uͤbermorgen reden ließet, ſo wuͤrde er doch nicht zur Sache kommen. Er iſt mein Gevatter, und ſonſt ein guter Mann, aber das muͤſſen ihm ſelbſt ſeine Feinde im Grabe nach- ſagen, daß er das Maul immer vorn weg hat. Es iſt ein Erbſchaden an ihm. Skaramuz. Was wollt Ihr denn, Leute? Ich verliere die Geduld. Myrtill. Nimmermehr, Herr Koͤnig, denn wir haben ſie auch ſchon verloren. Wißt Ihr was Scheeren iſt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0344" n="335"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die verkehrte Welt</hi>.</fw><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Geht und fahrt ſo fort, denn Ihr<lb/> habt einen guten Glauben. <stage>(Leſer ab.)</stage> — Habt Ihr<lb/> die Wiſſenſchaften wohl ſchon in ſolchem Flore geſehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#RATH"> <speaker><hi rendition="#g">Rath</hi>.</speaker> <p>Niemalen.</p><lb/> <stage><hi rendition="#g">Aulicus</hi> und <hi rendition="#g">Myrtill</hi> kommen.</stage> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Was giebts? Redet!</p> </sp><lb/> <sp who="#AUL"> <speaker><hi rendition="#g">Aulicus</hi>.</speaker> <p>Mein Koͤnig, wir ſind Schaͤfer,<lb/> was man ſo ſchlechtweg Schaͤfer zu nennen pflegt,<lb/> aber Schaͤfer im weiteſten Sinn des Worts, denn<lb/> wir halten uns auch etliche Kuͤhe.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Iſt das Eure Klage?</p> </sp><lb/> <sp who="#AUL"> <speaker><hi rendition="#g">Aulicus</hi>.</speaker> <p>Nimmermehr. Je da muͤßten wir<lb/> ja wohl rechte Erzſtuͤmper ſeyn, wenn wir daruͤber<lb/> klagen wollten. Nein, im Gegentheil, wollte der<lb/> Himmel, wir haͤtten nur mehr.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Kommt zur Sache.</p> </sp><lb/> <sp who="#MYR"> <speaker><hi rendition="#g">Myrtill</hi>.</speaker> <p>Gevatter, laßt mich das Wort<lb/> fuͤhren, ſonſt kann ja der Koͤnig nimmermehr klug<lb/> werden. Verſteht mich, Herr Koͤnig, und wenn<lb/> Ihr den Mann da bis uͤbermorgen reden ließet, ſo<lb/> wuͤrde er doch nicht zur Sache kommen. Er iſt<lb/> mein Gevatter, und ſonſt ein guter Mann, aber<lb/> das muͤſſen ihm ſelbſt ſeine Feinde im Grabe nach-<lb/> ſagen, daß er das Maul immer vorn weg hat.<lb/> Es iſt ein Erbſchaden an ihm.</p> </sp><lb/> <sp who="#SKA"> <speaker><hi rendition="#g">Skaramuz</hi>.</speaker> <p>Was wollt Ihr denn, Leute?<lb/> Ich verliere die Geduld.</p> </sp><lb/> <sp who="#MYR"> <speaker><hi rendition="#g">Myrtill</hi>.</speaker> <p>Nimmermehr, Herr Koͤnig, denn<lb/> wir haben ſie auch ſchon verloren. Wißt Ihr was<lb/> Scheeren iſt?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [335/0344]
Die verkehrte Welt.
Skaramuz. Geht und fahrt ſo fort, denn Ihr
habt einen guten Glauben. (Leſer ab.) — Habt Ihr
die Wiſſenſchaften wohl ſchon in ſolchem Flore geſehn?
Rath. Niemalen.
Aulicus und Myrtill kommen.
Skaramuz. Was giebts? Redet!
Aulicus. Mein Koͤnig, wir ſind Schaͤfer,
was man ſo ſchlechtweg Schaͤfer zu nennen pflegt,
aber Schaͤfer im weiteſten Sinn des Worts, denn
wir halten uns auch etliche Kuͤhe.
Skaramuz. Iſt das Eure Klage?
Aulicus. Nimmermehr. Je da muͤßten wir
ja wohl rechte Erzſtuͤmper ſeyn, wenn wir daruͤber
klagen wollten. Nein, im Gegentheil, wollte der
Himmel, wir haͤtten nur mehr.
Skaramuz. Kommt zur Sache.
Myrtill. Gevatter, laßt mich das Wort
fuͤhren, ſonſt kann ja der Koͤnig nimmermehr klug
werden. Verſteht mich, Herr Koͤnig, und wenn
Ihr den Mann da bis uͤbermorgen reden ließet, ſo
wuͤrde er doch nicht zur Sache kommen. Er iſt
mein Gevatter, und ſonſt ein guter Mann, aber
das muͤſſen ihm ſelbſt ſeine Feinde im Grabe nach-
ſagen, daß er das Maul immer vorn weg hat.
Es iſt ein Erbſchaden an ihm.
Skaramuz. Was wollt Ihr denn, Leute?
Ich verliere die Geduld.
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wir haben ſie auch ſchon verloren. Wißt Ihr was
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/344>, abgerufen am 16.02.2025. |