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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Winfred. Da wäre der Blaubart für sie,
der schon so viele Weiber gehabt hat. Der Mensch
ist mit Weibern gesegnet.
Leopold. Seine Frau lebt ja mit ihm und
glücklich.
Winfred. Nein, sie ist auch plötzlich wieder
gestorben. Er thut nichts als Krieg führen und
Hochzeit machen. Gewiß ein merkwürdiger Cha-
rakter, so widerwärtig er auch sonst seyn mag.
Er soll unermeßliche Schätze in seinen Schlössern
aufbewahren. Was macht denn euer zweiter Bru-
der, der wunderliche Simon?
Leopold. Wie immer, hängt seinen Grillen
nach und grübelt.
Winfred. Höchst kurios! Ha ha ha! Ich
muß lachen, so oft ich an ihn denke. Sagt, wie
in aller Welt wird man nur zum Narren? So
seinen Verstand verlieren und unklug werden, es
ist doch unbegreiflich, wie es die Leute anfangen.
Leopold. Freiwillig kommen wohl die we-
nigsten dazu?
Winfred. Hm, es ist wunderlich, darüber
nachzudenken: vielleicht, daß der Mensch, wenn er
sich auch recht was Besonderes vorsetzt, und Glück
und Sterne lassen es gelingen, und sein Vorsatz
paßt für ihn, daß er dann ein Held, ein Dichter,
ein Weiser, oder ein großer Luftspringer wird;
fügt sichs aber, daß die Sterne und die Schick-
sale nicht damit harmoniren, sondern sich zwischen
ihn und seine Absichten so recht mit breitem Rük-
Zweite Abtheilung.
Winfred. Da waͤre der Blaubart fuͤr ſie,
der ſchon ſo viele Weiber gehabt hat. Der Menſch
iſt mit Weibern geſegnet.
Leopold. Seine Frau lebt ja mit ihm und
gluͤcklich.
Winfred. Nein, ſie iſt auch ploͤtzlich wieder
geſtorben. Er thut nichts als Krieg fuͤhren und
Hochzeit machen. Gewiß ein merkwuͤrdiger Cha-
rakter, ſo widerwaͤrtig er auch ſonſt ſeyn mag.
Er ſoll unermeßliche Schaͤtze in ſeinen Schloͤſſern
aufbewahren. Was macht denn euer zweiter Bru-
der, der wunderliche Simon?
Leopold. Wie immer, haͤngt ſeinen Grillen
nach und gruͤbelt.
Winfred. Hoͤchſt kurios! Ha ha ha! Ich
muß lachen, ſo oft ich an ihn denke. Sagt, wie
in aller Welt wird man nur zum Narren? So
ſeinen Verſtand verlieren und unklug werden, es
iſt doch unbegreiflich, wie es die Leute anfangen.
Leopold. Freiwillig kommen wohl die we-
nigſten dazu?
Winfred. Hm, es iſt wunderlich, daruͤber
nachzudenken: vielleicht, daß der Menſch, wenn er
ſich auch recht was Beſonderes vorſetzt, und Gluͤck
und Sterne laſſen es gelingen, und ſein Vorſatz
paßt fuͤr ihn, daß er dann ein Held, ein Dichter,
ein Weiſer, oder ein großer Luftſpringer wird;
fuͤgt ſichs aber, daß die Sterne und die Schick-
ſale nicht damit harmoniren, ſondern ſich zwiſchen
ihn und ſeine Abſichten ſo recht mit breitem Ruͤk-
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[22/0031] Zweite Abtheilung. Winfred. Da waͤre der Blaubart fuͤr ſie, der ſchon ſo viele Weiber gehabt hat. Der Menſch iſt mit Weibern geſegnet. Leopold. Seine Frau lebt ja mit ihm und gluͤcklich. Winfred. Nein, ſie iſt auch ploͤtzlich wieder geſtorben. Er thut nichts als Krieg fuͤhren und Hochzeit machen. Gewiß ein merkwuͤrdiger Cha- rakter, ſo widerwaͤrtig er auch ſonſt ſeyn mag. Er ſoll unermeßliche Schaͤtze in ſeinen Schloͤſſern aufbewahren. Was macht denn euer zweiter Bru- der, der wunderliche Simon? Leopold. Wie immer, haͤngt ſeinen Grillen nach und gruͤbelt. Winfred. Hoͤchſt kurios! Ha ha ha! Ich muß lachen, ſo oft ich an ihn denke. Sagt, wie in aller Welt wird man nur zum Narren? So ſeinen Verſtand verlieren und unklug werden, es iſt doch unbegreiflich, wie es die Leute anfangen. Leopold. Freiwillig kommen wohl die we- nigſten dazu? Winfred. Hm, es iſt wunderlich, daruͤber nachzudenken: vielleicht, daß der Menſch, wenn er ſich auch recht was Beſonderes vorſetzt, und Gluͤck und Sterne laſſen es gelingen, und ſein Vorſatz paßt fuͤr ihn, daß er dann ein Held, ein Dichter, ein Weiſer, oder ein großer Luftſpringer wird; fuͤgt ſichs aber, daß die Sterne und die Schick- ſale nicht damit harmoniren, ſondern ſich zwiſchen ihn und ſeine Abſichten ſo recht mit breitem Ruͤk-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/31>, abgerufen am 22.11.2024.