Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Die verkehrte Welt.
Vierte Scene.
(Wirthsstube.)


Der Wirth. Wenige Gäste kehren jetzt bei mir
ein, und wenn das so fort währt, so werde ich am
Ende das Schild noch gar einziehen müssen. -- Ja
sonst waren noch gute Zeiten, da wurde kaum ein
Stück gegeben, in welchem nicht ein Wirthhaus
mit seinem Wirthe vorkam. Ich weiß es noch,
in wie vielen hundert Stücken bei mir in dieser
Stube hier die schönste Entwickelung vorbereitet
wurde. Bald war es ein verkleideter Fürst, der
hier sein Geld verzehrte, bald ein Minister, oder
wenigstens ein reicher Graf. Ja sogar in allen
Sachen, die aus dem englischen übersetzt wurden,
hatte ich meinen Thaler Geld zu verdienen. Manch-
mal mußte man freilich auch in einen sauern Ap-
fel beißen, und verstelltes Mitglied einer Spitzbu-
benbande seyn, wofür man dann von den morali-
schen Personen rechtschaffen ausgehunzt wurde; in-
dessen war man doch in Thätigkeit. -- Aber jetzt! --
Wenn auch jetzt ein fremder reicher Mann von
der Reise kommt, so quartirt er sich origineller-
weise bei einem Verwandten ein, und giebt sich erst
im fünften Akt zu erkennen, andere kriegt man
nur auf der Straße zu sehn, als wenn sie in gar
keinem honetten Hause wohnten; -- dergleichen
dient zwar, die Zuschuer in einer wunderbaren
Die verkehrte Welt.
Vierte Scene.
(Wirthsſtube.)


Der Wirth. Wenige Gaͤſte kehren jetzt bei mir
ein, und wenn das ſo fort waͤhrt, ſo werde ich am
Ende das Schild noch gar einziehen muͤſſen. — Ja
ſonſt waren noch gute Zeiten, da wurde kaum ein
Stuͤck gegeben, in welchem nicht ein Wirthhaus
mit ſeinem Wirthe vorkam. Ich weiß es noch,
in wie vielen hundert Stuͤcken bei mir in dieſer
Stube hier die ſchoͤnſte Entwickelung vorbereitet
wurde. Bald war es ein verkleideter Fuͤrſt, der
hier ſein Geld verzehrte, bald ein Miniſter, oder
wenigſtens ein reicher Graf. Ja ſogar in allen
Sachen, die aus dem engliſchen uͤberſetzt wurden,
hatte ich meinen Thaler Geld zu verdienen. Manch-
mal mußte man freilich auch in einen ſauern Ap-
fel beißen, und verſtelltes Mitglied einer Spitzbu-
benbande ſeyn, wofuͤr man dann von den morali-
ſchen Perſonen rechtſchaffen ausgehunzt wurde; in-
deſſen war man doch in Thaͤtigkeit. — Aber jetzt! —
Wenn auch jetzt ein fremder reicher Mann von
der Reiſe kommt, ſo quartirt er ſich origineller-
weiſe bei einem Verwandten ein, und giebt ſich erſt
im fuͤnften Akt zu erkennen, andere kriegt man
nur auf der Straße zu ſehn, als wenn ſie in gar
keinem honetten Hauſe wohnten; — dergleichen
dient zwar, die Zuſchuer in einer wunderbaren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0294" n="285"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die verkehrte Welt</hi>.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Vierte Scene</hi>.</hi> </head><lb/>
              <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Wirths&#x017F;tube</hi>.)</hi> </stage><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <sp who="#WIRTH">
                <speaker><hi rendition="#g">Der Wirth</hi>.</speaker>
                <p>Wenige Ga&#x0364;&#x017F;te kehren jetzt bei mir<lb/>
ein, und wenn das &#x017F;o fort wa&#x0364;hrt, &#x017F;o werde ich am<lb/>
Ende das Schild noch gar einziehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Ja<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t waren noch gute Zeiten, da wurde kaum ein<lb/>
Stu&#x0364;ck gegeben, in welchem nicht ein Wirthhaus<lb/>
mit &#x017F;einem Wirthe vorkam. Ich weiß es noch,<lb/>
in wie vielen hundert Stu&#x0364;cken bei mir in die&#x017F;er<lb/>
Stube hier die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Entwickelung vorbereitet<lb/>
wurde. Bald war es ein verkleideter Fu&#x0364;r&#x017F;t, der<lb/>
hier &#x017F;ein Geld verzehrte, bald ein Mini&#x017F;ter, oder<lb/>
wenig&#x017F;tens ein reicher Graf. Ja &#x017F;ogar in allen<lb/>
Sachen, die aus dem engli&#x017F;chen u&#x0364;ber&#x017F;etzt wurden,<lb/>
hatte ich meinen Thaler Geld zu verdienen. Manch-<lb/>
mal mußte man freilich auch in einen &#x017F;auern Ap-<lb/>
fel beißen, und ver&#x017F;telltes Mitglied einer Spitzbu-<lb/>
benbande &#x017F;eyn, wofu&#x0364;r man dann von den morali-<lb/>
&#x017F;chen Per&#x017F;onen recht&#x017F;chaffen ausgehunzt wurde; in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en war man doch in Tha&#x0364;tigkeit. &#x2014; Aber jetzt! &#x2014;<lb/>
Wenn auch jetzt ein fremder reicher Mann von<lb/>
der Rei&#x017F;e kommt, &#x017F;o quartirt er &#x017F;ich origineller-<lb/>
wei&#x017F;e bei einem Verwandten ein, und giebt &#x017F;ich er&#x017F;t<lb/>
im fu&#x0364;nften Akt zu erkennen, andere kriegt man<lb/>
nur auf der Straße zu &#x017F;ehn, als wenn &#x017F;ie in gar<lb/>
keinem honetten Hau&#x017F;e wohnten; &#x2014; dergleichen<lb/>
dient zwar, die Zu&#x017F;chuer in einer wunderbaren<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0294] Die verkehrte Welt. Vierte Scene. (Wirthsſtube.) Der Wirth. Wenige Gaͤſte kehren jetzt bei mir ein, und wenn das ſo fort waͤhrt, ſo werde ich am Ende das Schild noch gar einziehen muͤſſen. — Ja ſonſt waren noch gute Zeiten, da wurde kaum ein Stuͤck gegeben, in welchem nicht ein Wirthhaus mit ſeinem Wirthe vorkam. Ich weiß es noch, in wie vielen hundert Stuͤcken bei mir in dieſer Stube hier die ſchoͤnſte Entwickelung vorbereitet wurde. Bald war es ein verkleideter Fuͤrſt, der hier ſein Geld verzehrte, bald ein Miniſter, oder wenigſtens ein reicher Graf. Ja ſogar in allen Sachen, die aus dem engliſchen uͤberſetzt wurden, hatte ich meinen Thaler Geld zu verdienen. Manch- mal mußte man freilich auch in einen ſauern Ap- fel beißen, und verſtelltes Mitglied einer Spitzbu- benbande ſeyn, wofuͤr man dann von den morali- ſchen Perſonen rechtſchaffen ausgehunzt wurde; in- deſſen war man doch in Thaͤtigkeit. — Aber jetzt! — Wenn auch jetzt ein fremder reicher Mann von der Reiſe kommt, ſo quartirt er ſich origineller- weiſe bei einem Verwandten ein, und giebt ſich erſt im fuͤnften Akt zu erkennen, andere kriegt man nur auf der Straße zu ſehn, als wenn ſie in gar keinem honetten Hauſe wohnten; — dergleichen dient zwar, die Zuſchuer in einer wunderbaren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/294
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/294>, abgerufen am 21.11.2024.