Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Hanswurst. Adieu, Herr Jäger, viel Dank. (setzt den Hut auf und geht.) Hinze allein. Ich bin ganz melankolisch. -- Ich habe selbst dem Narren zu einem Siege ver- holfen, ein Stück herabzusetzen, in welchem ich die Hauptrolle spiele! -- Schicksal! Schicksal! In welche Verwirrungen führst Du so oft den Sterb- lichen? Doch mag es hingehn, wenn ich es nur dahin bringe, meinen geliebten Gottlieb auf den Thron zu setzen, so will ich herzlich gern alles Ungemach vergessen, will vergessen, daß ich mir und meiner Existenz zu nahe trete; indem ich die bessere Kritik entwaffnete und der Narrheit Waf- fen gegen mich selbst in die Hände gegeben, will vergessen, daß man mir den Bart ausgerauft und fast den Leib aufgeschnitten hätte, ja ich will nur im Freunde leben und der Nachwelt das höchste Muster uneigennütziger Freundschaft zur Bewun- derung zurück lassen. -- Der König will den Gra- fen besuchen? das ist noch ein schlimmer Umstand, den ich ins Reine bringen muß. -- In seinem Schlosse, das bis jetzt noch nirgend in der Welt liegt? -- Nun ist der große wichtige Tag erschie- nen, an dem ich Euch, ihr Stiefeln, ganz vorzüg- lich brauche! Verlaßt mich heut nicht, zerreißt nur heut nicht, zeigt nun, von welchem Leder ihr seid, von welchen Sohlen! Auf denn! Füß' und Stie- feln an das große Werk, denn noch heut muß sich alles entscheiden? (geht ab.) Schlosser. Was würgen Sie denn so? Bötticher. G -- Gr -- Großß!! Zweite Abtheilung. Hanswurſt. Adieu, Herr Jaͤger, viel Dank. (ſetzt den Hut auf und geht.) Hinze allein. Ich bin ganz melankoliſch. — Ich habe ſelbſt dem Narren zu einem Siege ver- holfen, ein Stuͤck herabzuſetzen, in welchem ich die Hauptrolle ſpiele! — Schickſal! Schickſal! In welche Verwirrungen fuͤhrſt Du ſo oft den Sterb- lichen? Doch mag es hingehn, wenn ich es nur dahin bringe, meinen geliebten Gottlieb auf den Thron zu ſetzen, ſo will ich herzlich gern alles Ungemach vergeſſen, will vergeſſen, daß ich mir und meiner Exiſtenz zu nahe trete; indem ich die beſſere Kritik entwaffnete und der Narrheit Waf- fen gegen mich ſelbſt in die Haͤnde gegeben, will vergeſſen, daß man mir den Bart ausgerauft und faſt den Leib aufgeſchnitten haͤtte, ja ich will nur im Freunde leben und der Nachwelt das hoͤchſte Muſter uneigennuͤtziger Freundſchaft zur Bewun- derung zuruͤck laſſen. — Der Koͤnig will den Gra- fen beſuchen? das iſt noch ein ſchlimmer Umſtand, den ich ins Reine bringen muß. — In ſeinem Schloſſe, das bis jetzt noch nirgend in der Welt liegt? — Nun iſt der große wichtige Tag erſchie- nen, an dem ich Euch, ihr Stiefeln, ganz vorzuͤg- lich brauche! Verlaßt mich heut nicht, zerreißt nur heut nicht, zeigt nun, von welchem Leder ihr ſeid, von welchen Sohlen! Auf denn! Fuͤß' und Stie- feln an das große Werk, denn noch heut muß ſich alles entſcheiden? (geht ab.) Schloſſer. Was wuͤrgen Sie denn ſo? Boͤtticher. G — Gr — Großß!! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0235" n="226"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#HANSWURST"> <speaker><hi rendition="#g">Hanswurſt</hi>.</speaker> <p>Adieu, Herr Jaͤger, viel Dank.</p><lb/> <stage>(ſetzt den Hut auf und geht.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#HINZE"> <speaker> <hi rendition="#g">Hinze</hi> </speaker> <stage>allein.</stage> <p>Ich bin ganz melankoliſch. —<lb/> Ich habe ſelbſt dem Narren zu einem Siege ver-<lb/> holfen, ein Stuͤck herabzuſetzen, in welchem ich<lb/> die Hauptrolle ſpiele! — Schickſal! Schickſal! In<lb/> welche Verwirrungen fuͤhrſt Du ſo oft den Sterb-<lb/> lichen? Doch mag es hingehn, wenn ich es nur<lb/> dahin bringe, meinen geliebten Gottlieb auf den<lb/> Thron zu ſetzen, ſo will ich herzlich gern alles<lb/> Ungemach vergeſſen, will vergeſſen, daß ich mir<lb/> und meiner Exiſtenz zu nahe trete; indem ich die<lb/> beſſere Kritik entwaffnete und der Narrheit Waf-<lb/> fen gegen mich ſelbſt in die Haͤnde gegeben, will<lb/> vergeſſen, daß man mir den Bart ausgerauft und<lb/> faſt den Leib aufgeſchnitten haͤtte, ja ich will nur<lb/> im Freunde leben und der Nachwelt das hoͤchſte<lb/> Muſter uneigennuͤtziger Freundſchaft zur Bewun-<lb/> derung zuruͤck laſſen. — Der Koͤnig will den Gra-<lb/> fen beſuchen? das iſt noch ein ſchlimmer Umſtand,<lb/> den ich ins Reine bringen muß. — In ſeinem<lb/> Schloſſe, das bis jetzt noch nirgend in der Welt<lb/> liegt? — Nun iſt der große wichtige Tag erſchie-<lb/> nen, an dem ich Euch, ihr Stiefeln, ganz vorzuͤg-<lb/> lich brauche! Verlaßt mich heut nicht, zerreißt nur<lb/> heut nicht, zeigt nun, von welchem Leder ihr ſeid,<lb/> von welchen Sohlen! Auf denn! Fuͤß' und Stie-<lb/> feln an das große Werk, denn noch heut muß ſich<lb/> alles entſcheiden?</p> <stage>(geht ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#SCHLOSS"> <speaker><hi rendition="#g">Schloſſer</hi>.</speaker> <p>Was wuͤrgen Sie denn ſo?</p> </sp><lb/> <sp who="#BOET"> <speaker><hi rendition="#g">Boͤtticher</hi>.</speaker> <p>G — Gr — Großß!!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0235]
Zweite Abtheilung.
Hanswurſt. Adieu, Herr Jaͤger, viel Dank.
(ſetzt den Hut auf und geht.)
Hinze allein. Ich bin ganz melankoliſch. —
Ich habe ſelbſt dem Narren zu einem Siege ver-
holfen, ein Stuͤck herabzuſetzen, in welchem ich
die Hauptrolle ſpiele! — Schickſal! Schickſal! In
welche Verwirrungen fuͤhrſt Du ſo oft den Sterb-
lichen? Doch mag es hingehn, wenn ich es nur
dahin bringe, meinen geliebten Gottlieb auf den
Thron zu ſetzen, ſo will ich herzlich gern alles
Ungemach vergeſſen, will vergeſſen, daß ich mir
und meiner Exiſtenz zu nahe trete; indem ich die
beſſere Kritik entwaffnete und der Narrheit Waf-
fen gegen mich ſelbſt in die Haͤnde gegeben, will
vergeſſen, daß man mir den Bart ausgerauft und
faſt den Leib aufgeſchnitten haͤtte, ja ich will nur
im Freunde leben und der Nachwelt das hoͤchſte
Muſter uneigennuͤtziger Freundſchaft zur Bewun-
derung zuruͤck laſſen. — Der Koͤnig will den Gra-
fen beſuchen? das iſt noch ein ſchlimmer Umſtand,
den ich ins Reine bringen muß. — In ſeinem
Schloſſe, das bis jetzt noch nirgend in der Welt
liegt? — Nun iſt der große wichtige Tag erſchie-
nen, an dem ich Euch, ihr Stiefeln, ganz vorzuͤg-
lich brauche! Verlaßt mich heut nicht, zerreißt nur
heut nicht, zeigt nun, von welchem Leder ihr ſeid,
von welchen Sohlen! Auf denn! Fuͤß' und Stie-
feln an das große Werk, denn noch heut muß ſich
alles entſcheiden? (geht ab.)
Schloſſer. Was wuͤrgen Sie denn ſo?
Boͤtticher. G — Gr — Großß!!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |