Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Könige, ein König ist doch vornehmer. Mansagt, der Popanz sei ein sehr ungnädiger Herr. Wirth. Gnädig ist er nicht besonders, das ist nun wohl wahr, dafür ist er aber auch die Ge- rechtigkeit selbst; von auswärts sogar werden ihm oft die Prozesse zugeschickt, und er muß sie schlichten. Lorenz. Man erzählt wunderliche Sachen von ihm, er soll sich in alle Thiere verwandeln können. Wirth. Das ist wahr, und so geht er oft inkognito umher, und erforscht die Gesinnungen seiner Unterthanen; wir trauen daher auch keiner fremden Katze, keinem unbekannten Hunde, weil wir immer denken, unser Herr könnte wohl da- hinter stecken. Lorenz. Da sind wir doch auch besser dran, unser König geht nie aus, ohne Krone, Mantel und Zepter anzuziehn, man kennt ihn daher auch auf tausend Schritt. -- Nun, gehabt Euch wohl. (geht ab). Wirth. Nun ist er schon in seinem Lande. Kunz. Ist die Gränze so nah? Wirth. Freilich, jener Baum gehört schon dem König, man kann von hier alles sehn, was im Lande dort vorfällt. Die Gränze hier macht noch mein Glück, ich wäre schon längst bankerott geworden, wenn mich nicht noch die Deserteurs von drüben erhalten hätten; fast täglich kommen etliche. Michel. Ist der Dienst so schwer? Wirth. Das nicht, aber das Weglaufen ist Zweite Abtheilung. Koͤnige, ein Koͤnig iſt doch vornehmer. Manſagt, der Popanz ſei ein ſehr ungnaͤdiger Herr. Wirth. Gnaͤdig iſt er nicht beſonders, das iſt nun wohl wahr, dafuͤr iſt er aber auch die Ge- rechtigkeit ſelbſt; von auswaͤrts ſogar werden ihm oft die Prozeſſe zugeſchickt, und er muß ſie ſchlichten. Lorenz. Man erzaͤhlt wunderliche Sachen von ihm, er ſoll ſich in alle Thiere verwandeln koͤnnen. Wirth. Das iſt wahr, und ſo geht er oft inkognito umher, und erforſcht die Geſinnungen ſeiner Unterthanen; wir trauen daher auch keiner fremden Katze, keinem unbekannten Hunde, weil wir immer denken, unſer Herr koͤnnte wohl da- hinter ſtecken. Lorenz. Da ſind wir doch auch beſſer dran, unſer Koͤnig geht nie aus, ohne Krone, Mantel und Zepter anzuziehn, man kennt ihn daher auch auf tauſend Schritt. — Nun, gehabt Euch wohl. (geht ab). Wirth. Nun iſt er ſchon in ſeinem Lande. Kunz. Iſt die Graͤnze ſo nah? Wirth. Freilich, jener Baum gehoͤrt ſchon dem Koͤnig, man kann von hier alles ſehn, was im Lande dort vorfaͤllt. Die Graͤnze hier macht noch mein Gluͤck, ich waͤre ſchon laͤngſt bankerott geworden, wenn mich nicht noch die Deſerteurs von druͤben erhalten haͤtten; faſt taͤglich kommen etliche. Michel. Iſt der Dienſt ſo ſchwer? Wirth. Das nicht, aber das Weglaufen iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#LOR"> <p><pb facs="#f0183" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Koͤnige, ein Koͤnig iſt doch vornehmer. Man<lb/> ſagt, der Popanz ſei ein ſehr ungnaͤdiger Herr.</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Gnaͤdig iſt er nicht beſonders, das<lb/> iſt nun wohl wahr, dafuͤr iſt er aber auch die Ge-<lb/> rechtigkeit ſelbſt; von auswaͤrts ſogar werden ihm<lb/> oft die Prozeſſe zugeſchickt, und er muß ſie ſchlichten.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOR"> <speaker><hi rendition="#g">Lorenz</hi>.</speaker> <p>Man erzaͤhlt wunderliche Sachen<lb/> von ihm, er ſoll ſich in alle Thiere verwandeln<lb/> koͤnnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Das iſt wahr, und ſo geht er oft<lb/> inkognito umher, und erforſcht die Geſinnungen<lb/> ſeiner Unterthanen; wir trauen daher auch keiner<lb/> fremden Katze, keinem unbekannten Hunde, weil<lb/> wir immer denken, unſer Herr koͤnnte wohl da-<lb/> hinter ſtecken.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOR"> <speaker><hi rendition="#g">Lorenz</hi>.</speaker> <p>Da ſind wir doch auch beſſer dran,<lb/> unſer Koͤnig geht nie aus, ohne Krone, Mantel<lb/> und Zepter anzuziehn, man kennt ihn daher auch<lb/> auf tauſend Schritt. — Nun, gehabt Euch wohl.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(geht ab).</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Nun iſt er ſchon in ſeinem Lande.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker><hi rendition="#g">Kunz</hi>.</speaker> <p>Iſt die Graͤnze ſo nah?</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Freilich, jener Baum gehoͤrt ſchon<lb/> dem Koͤnig, man kann von hier alles ſehn, was<lb/> im Lande dort vorfaͤllt. Die Graͤnze hier macht<lb/> noch mein Gluͤck, ich waͤre ſchon laͤngſt bankerott<lb/> geworden, wenn mich nicht noch die Deſerteurs<lb/> von druͤben erhalten haͤtten; faſt taͤglich kommen<lb/> etliche.</p> </sp><lb/> <sp who="#MIC"> <speaker><hi rendition="#g">Michel</hi>.</speaker> <p>Iſt der Dienſt ſo ſchwer?</p> </sp><lb/> <sp who="#WIRTH"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Das nicht, aber das Weglaufen iſt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0183]
Zweite Abtheilung.
Koͤnige, ein Koͤnig iſt doch vornehmer. Man
ſagt, der Popanz ſei ein ſehr ungnaͤdiger Herr.
Wirth. Gnaͤdig iſt er nicht beſonders, das
iſt nun wohl wahr, dafuͤr iſt er aber auch die Ge-
rechtigkeit ſelbſt; von auswaͤrts ſogar werden ihm
oft die Prozeſſe zugeſchickt, und er muß ſie ſchlichten.
Lorenz. Man erzaͤhlt wunderliche Sachen
von ihm, er ſoll ſich in alle Thiere verwandeln
koͤnnen.
Wirth. Das iſt wahr, und ſo geht er oft
inkognito umher, und erforſcht die Geſinnungen
ſeiner Unterthanen; wir trauen daher auch keiner
fremden Katze, keinem unbekannten Hunde, weil
wir immer denken, unſer Herr koͤnnte wohl da-
hinter ſtecken.
Lorenz. Da ſind wir doch auch beſſer dran,
unſer Koͤnig geht nie aus, ohne Krone, Mantel
und Zepter anzuziehn, man kennt ihn daher auch
auf tauſend Schritt. — Nun, gehabt Euch wohl.
(geht ab).
Wirth. Nun iſt er ſchon in ſeinem Lande.
Kunz. Iſt die Graͤnze ſo nah?
Wirth. Freilich, jener Baum gehoͤrt ſchon
dem Koͤnig, man kann von hier alles ſehn, was
im Lande dort vorfaͤllt. Die Graͤnze hier macht
noch mein Gluͤck, ich waͤre ſchon laͤngſt bankerott
geworden, wenn mich nicht noch die Deſerteurs
von druͤben erhalten haͤtten; faſt taͤglich kommen
etliche.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/183>, abgerufen am 16.02.2025. |