ben seine Werke noch einzelne wunderbar schöne Stellen. Von einigen Gedichten, die ich ihm gewidmet habe, erlauben Sie mir noch, Ihnen folgendes herzusagen, bevor wir uns trennen. Alle waren begierig, und Ernst deklamirte fol- gende Verse:
Marcello.
Aus den uralten Tiefen, In denen Sehnsucht, Schmerz und Wollust brannte, Die Welt sich selbst erkannte Und nicht mehr ihre ewgen Keime schliefen, Entzünden sich von neuen Die Strahlen, wollen mich von mir befreien. --
O Mensch, was können Sinnen, Gefangen in den alten Frevel-Banden, In den erstorbnen Landen, Vor Zittern, Qual und herber Angst beginnen? So hellres Sehnsuchtscheinen Muß dich nur fester in dir selbst versteinen!
Da bricht der Zorn in Wogen Herüber, reißt das Herz mit Sturmgewalten; Wie kann da immer halten Der Panzer, der mit Dumpfheit es umzogen? Gieb, Seele, dich gefangen, Errette dich zerschmelzend von dem Bangen.
Vom Abgrund seh ich spiegeln Die grünen Blitze durch das nächtge Dunkel, Ein freudenreich Gefunkel Erröthet sich, da klingt mit Engelflügeln Entbunden und gefunden Der Wollhaut, zitternd, aus des Herzens Wunden.
Zweite Abtheilung.
ben ſeine Werke noch einzelne wunderbar ſchoͤne Stellen. Von einigen Gedichten, die ich ihm gewidmet habe, erlauben Sie mir noch, Ihnen folgendes herzuſagen, bevor wir uns trennen. Alle waren begierig, und Ernſt deklamirte fol- gende Verſe:
Marcello.
Aus den uralten Tiefen, In denen Sehnſucht, Schmerz und Wolluſt brannte, Die Welt ſich ſelbſt erkannte Und nicht mehr ihre ewgen Keime ſchliefen, Entzuͤnden ſich von neuen Die Strahlen, wollen mich von mir befreien. —
O Menſch, was koͤnnen Sinnen, Gefangen in den alten Frevel-Banden, In den erſtorbnen Landen, Vor Zittern, Qual und herber Angſt beginnen? So hellres Sehnſuchtſcheinen Muß dich nur feſter in dir ſelbſt verſteinen!
Da bricht der Zorn in Wogen Heruͤber, reißt das Herz mit Sturmgewalten; Wie kann da immer halten Der Panzer, der mit Dumpfheit es umzogen? Gieb, Seele, dich gefangen, Errette dich zerſchmelzend von dem Bangen.
Vom Abgrund ſeh ich ſpiegeln Die gruͤnen Blitze durch das naͤchtge Dunkel, Ein freudenreich Gefunkel Erroͤthet ſich, da klingt mit Engelfluͤgeln Entbunden und gefunden Der Wollhaut, zitternd, aus des Herzens Wunden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><spwho="#WINFRED"><p><pbfacs="#f0151"n="142"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
ben ſeine Werke noch einzelne wunderbar ſchoͤne<lb/>
Stellen. Von einigen Gedichten, die ich ihm<lb/>
gewidmet habe, erlauben Sie mir noch, Ihnen<lb/>
folgendes herzuſagen, bevor wir uns trennen.<lb/>
Alle waren begierig, und Ernſt deklamirte fol-<lb/>
gende Verſe:</p><lb/><lgtype="poem"><head><hirendition="#g">Marcello</hi>.</head><lb/><lgn="1"><l>Aus den uralten Tiefen,</l><lb/><l>In denen Sehnſucht, Schmerz und Wolluſt brannte,</l><lb/><l>Die Welt ſich ſelbſt erkannte</l><lb/><l>Und nicht mehr ihre ewgen Keime ſchliefen,</l><lb/><l>Entzuͤnden ſich von neuen</l><lb/><l>Die Strahlen, wollen mich von mir befreien. —</l></lg><lb/><lgn="2"><l>O Menſch, was koͤnnen Sinnen,</l><lb/><l>Gefangen in den alten Frevel-Banden,</l><lb/><l>In den erſtorbnen Landen,</l><lb/><l>Vor Zittern, Qual und herber Angſt beginnen?</l><lb/><l>So hellres Sehnſuchtſcheinen</l><lb/><l>Muß dich nur feſter in dir ſelbſt verſteinen!</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Da bricht der Zorn in Wogen</l><lb/><l>Heruͤber, reißt das Herz mit Sturmgewalten;</l><lb/><l>Wie kann da immer halten</l><lb/><l>Der Panzer, der mit Dumpfheit es umzogen?</l><lb/><l>Gieb, Seele, dich gefangen,</l><lb/><l>Errette dich zerſchmelzend von dem Bangen.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Vom Abgrund ſeh ich ſpiegeln</l><lb/><l>Die gruͤnen Blitze durch das naͤchtge Dunkel,</l><lb/><l>Ein freudenreich Gefunkel</l><lb/><l>Erroͤthet ſich, da klingt mit Engelfluͤgeln</l><lb/><l>Entbunden und gefunden</l><lb/><l>Der Wollhaut, zitternd, aus des Herzens Wunden.</l></lg><lb/></lg></sp></div></div></div></div></body></text></TEI>
[142/0151]
Zweite Abtheilung.
ben ſeine Werke noch einzelne wunderbar ſchoͤne
Stellen. Von einigen Gedichten, die ich ihm
gewidmet habe, erlauben Sie mir noch, Ihnen
folgendes herzuſagen, bevor wir uns trennen.
Alle waren begierig, und Ernſt deklamirte fol-
gende Verſe:
Marcello.
Aus den uralten Tiefen,
In denen Sehnſucht, Schmerz und Wolluſt brannte,
Die Welt ſich ſelbſt erkannte
Und nicht mehr ihre ewgen Keime ſchliefen,
Entzuͤnden ſich von neuen
Die Strahlen, wollen mich von mir befreien. —
O Menſch, was koͤnnen Sinnen,
Gefangen in den alten Frevel-Banden,
In den erſtorbnen Landen,
Vor Zittern, Qual und herber Angſt beginnen?
So hellres Sehnſuchtſcheinen
Muß dich nur feſter in dir ſelbſt verſteinen!
Da bricht der Zorn in Wogen
Heruͤber, reißt das Herz mit Sturmgewalten;
Wie kann da immer halten
Der Panzer, der mit Dumpfheit es umzogen?
Gieb, Seele, dich gefangen,
Errette dich zerſchmelzend von dem Bangen.
Vom Abgrund ſeh ich ſpiegeln
Die gruͤnen Blitze durch das naͤchtge Dunkel,
Ein freudenreich Gefunkel
Erroͤthet ſich, da klingt mit Engelfluͤgeln
Entbunden und gefunden
Der Wollhaut, zitternd, aus des Herzens Wunden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/151>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.