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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
nicht mit Musik ausgefüllt, doch wenigstens an-
gedeutet wurden.

Läßt sich denn aber gar kein Grund für oder
wieder gewisse Zahlen angeben? fragte Clara.

Es muß wohl, antwortete Lothar, ein Ge-
fühl für Schönheit, Proportion und Harmonie
seyn, welches uns hierin bestimmt. Hans Sachs
theilt die meisten seiner Schauspiele in sieben
Akte, und er hat dies, glaub ich, mit andern
alten Dichtern jener Zeit gemein. Diese Zahl
empfiehlt sich durch den größern Umfang, den
sie zuläßt, da in den vielfachen Pausen die Ge-
schichte außerordentlich fortrücken kann, sie hängt
wohl mit der Anzahl der Planeten und der Le-
bensstufen zusammen, und noch Shakspear sagt:
"das Schauspiel des Lebens besteht aus sieben
Akten;" diese Eintheilung wäre mit Vortheil in
Gedichten, die nicht für die Bühne geeignet sind,
anzuwenden, um ein großes, mannichfaltiges Ge-
webe zusammen zu halten, und die Uebersicht zu
erleichtern, denn die Eintheilung in sechs Akte,
wie im Zarbino, ist gerade hin zu verwerfen, da
sich bei dieser das Gedächtniß verwirrt, oder
das Ganze wieder in drei Abtheilungen auflöst.
Sechs ist in aller Kunst eine ungeschickte Zahl.
Eben so unerlaubt ist es, ein Nachspiel in zwei
Akten zu schreiben, (viele Opern sind zu meinem
Mißvergnügen so eingetheilt) denn wir wollen
Anfang, Mittel und Ende in allen Dingen, nicht
bloß zwei Hälften. Der Dichter, welcher ein
Zweite Abtheilung.
nicht mit Muſik ausgefuͤllt, doch wenigſtens an-
gedeutet wurden.

Laͤßt ſich denn aber gar kein Grund fuͤr oder
wieder gewiſſe Zahlen angeben? fragte Clara.

Es muß wohl, antwortete Lothar, ein Ge-
fuͤhl fuͤr Schoͤnheit, Proportion und Harmonie
ſeyn, welches uns hierin beſtimmt. Hans Sachs
theilt die meiſten ſeiner Schauſpiele in ſieben
Akte, und er hat dies, glaub ich, mit andern
alten Dichtern jener Zeit gemein. Dieſe Zahl
empfiehlt ſich durch den groͤßern Umfang, den
ſie zulaͤßt, da in den vielfachen Pauſen die Ge-
ſchichte außerordentlich fortruͤcken kann, ſie haͤngt
wohl mit der Anzahl der Planeten und der Le-
bensſtufen zuſammen, und noch Shakſpear ſagt:
„das Schauſpiel des Lebens beſteht aus ſieben
Akten;“ dieſe Eintheilung waͤre mit Vortheil in
Gedichten, die nicht fuͤr die Buͤhne geeignet ſind,
anzuwenden, um ein großes, mannichfaltiges Ge-
webe zuſammen zu halten, und die Ueberſicht zu
erleichtern, denn die Eintheilung in ſechs Akte,
wie im Zarbino, iſt gerade hin zu verwerfen, da
ſich bei dieſer das Gedaͤchtniß verwirrt, oder
das Ganze wieder in drei Abtheilungen aufloͤſt.
Sechs iſt in aller Kunſt eine ungeſchickte Zahl.
Eben ſo unerlaubt iſt es, ein Nachſpiel in zwei
Akten zu ſchreiben, (viele Opern ſind zu meinem
Mißvergnuͤgen ſo eingetheilt) denn wir wollen
Anfang, Mittel und Ende in allen Dingen, nicht
bloß zwei Haͤlften. Der Dichter, welcher ein
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[137/0146] Zweite Abtheilung. nicht mit Muſik ausgefuͤllt, doch wenigſtens an- gedeutet wurden. Laͤßt ſich denn aber gar kein Grund fuͤr oder wieder gewiſſe Zahlen angeben? fragte Clara. Es muß wohl, antwortete Lothar, ein Ge- fuͤhl fuͤr Schoͤnheit, Proportion und Harmonie ſeyn, welches uns hierin beſtimmt. Hans Sachs theilt die meiſten ſeiner Schauſpiele in ſieben Akte, und er hat dies, glaub ich, mit andern alten Dichtern jener Zeit gemein. Dieſe Zahl empfiehlt ſich durch den groͤßern Umfang, den ſie zulaͤßt, da in den vielfachen Pauſen die Ge- ſchichte außerordentlich fortruͤcken kann, ſie haͤngt wohl mit der Anzahl der Planeten und der Le- bensſtufen zuſammen, und noch Shakſpear ſagt: „das Schauſpiel des Lebens beſteht aus ſieben Akten;“ dieſe Eintheilung waͤre mit Vortheil in Gedichten, die nicht fuͤr die Buͤhne geeignet ſind, anzuwenden, um ein großes, mannichfaltiges Ge- webe zuſammen zu halten, und die Ueberſicht zu erleichtern, denn die Eintheilung in ſechs Akte, wie im Zarbino, iſt gerade hin zu verwerfen, da ſich bei dieſer das Gedaͤchtniß verwirrt, oder das Ganze wieder in drei Abtheilungen aufloͤſt. Sechs iſt in aller Kunſt eine ungeſchickte Zahl. Eben ſo unerlaubt iſt es, ein Nachſpiel in zwei Akten zu ſchreiben, (viele Opern ſind zu meinem Mißvergnuͤgen ſo eingetheilt) denn wir wollen Anfang, Mittel und Ende in allen Dingen, nicht bloß zwei Haͤlften. Der Dichter, welcher ein

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/146>, abgerufen am 23.11.2024.