Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. -- es ist nicht gut, wenn man sich jetzt wach fin-den läßt. Claus. Nun so geht. (Eine Thür wird mit Gewalt zugeschlagen.) Rathgeber. Hörst du wohl? (läuft schnell ab.) Agnes.tritt bleich und zitternd herein. Claus. Was ist Euch, gnädige Frau? -- Agnes. Nichts, nichts, -- schaff mir doch ein Glas frisches Wasser. -- (Claus geht, sie sinkt in einen Sessel.) Leb ich noch? -- Wo bin ich? -- Gott im Himmel! wie schlägt mir das Herz, -- bis zum Halse hinauf. Claus kommt mit Wasser. Agnes. Stell es nur dorthin, -- ich kann jetzt noch nicht trinken, -- geh, geh, -- mir fehlt nichts, gar nichts. -- Geh! (Claus geht.) Ich weiß nicht, wie ich wieder hieher gekommen bin, -- (sie trinkt.) jetzt wird mir besser. -- Es ist tiefe Nacht, die übrigen schlafen schon. -- (sie betrachtet den Schlüssel.) Hier ist ein blutiger dunkelrother Fleck, -- war der schon vorher da? -- Ach nein, ich ließ ihn fallen, -- alles um mich her riecht noch nach Blut. -- (Sie reibt mit ihrem Schnupftuche den Schlüssel.) Er will nicht fort, das ist doch wunder- bar. -- O Neugier, verdammte, schändliche Neu- gier! ich glaube, es giebt keine größere Sünde als die Neugier! -- O und mein Mann, wie kommt der mir jetzt vor? -- Mein Mann konnt' ich sa- gen? Mein Mann? Das schändlichste, mir frem- Zweite Abtheilung. — es iſt nicht gut, wenn man ſich jetzt wach fin-den laͤßt. Claus. Nun ſo geht. (Eine Thuͤr wird mit Gewalt zugeſchlagen.) Rathgeber. Hoͤrſt du wohl? (laͤuft ſchnell ab.) Agnes.tritt bleich und zitternd herein. Claus. Was iſt Euch, gnaͤdige Frau? — Agnes. Nichts, nichts, — ſchaff mir doch ein Glas friſches Waſſer. — (Claus geht, ſie ſinkt in einen Seſſel.) Leb ich noch? — Wo bin ich? — Gott im Himmel! wie ſchlaͤgt mir das Herz, — bis zum Halſe hinauf. Claus kommt mit Waſſer. Agnes. Stell es nur dorthin, — ich kann jetzt noch nicht trinken, — geh, geh, — mir fehlt nichts, gar nichts. — Geh! (Claus geht.) Ich weiß nicht, wie ich wieder hieher gekommen bin, — (ſie trinkt.) jetzt wird mir beſſer. — Es iſt tiefe Nacht, die uͤbrigen ſchlafen ſchon. — (ſie betrachtet den Schluͤſſel.) Hier iſt ein blutiger dunkelrother Fleck, — war der ſchon vorher da? — Ach nein, ich ließ ihn fallen, — alles um mich her riecht noch nach Blut. — (Sie reibt mit ihrem Schnupftuche den Schluͤſſel.) Er will nicht fort, das iſt doch wunder- bar. — O Neugier, verdammte, ſchaͤndliche Neu- gier! ich glaube, es giebt keine groͤßere Suͤnde als die Neugier! — O und mein Mann, wie kommt der mir jetzt vor? — Mein Mann konnt' ich ſa- gen? Mein Mann? Das ſchaͤndlichſte, mir frem- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#RATHGEBER"> <p><pb facs="#f0113" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> — es iſt nicht gut, wenn man ſich jetzt wach fin-<lb/> den laͤßt.</p> </sp><lb/> <sp who="#CLAU"> <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker> <p>Nun ſo geht.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Eine Thuͤr wird mit Gewalt zugeſchlagen.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#RATHGEBER"> <speaker><hi rendition="#g">Rathgeber</hi>.</speaker> <p>Hoͤrſt du wohl?</p> <stage>(laͤuft ſchnell ab.)</stage><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Agnes</hi>.tritt bleich und zitternd herein.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#CLAU"> <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker> <p>Was iſt Euch, gnaͤdige Frau? —</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Nichts, nichts, — ſchaff mir doch<lb/> ein Glas friſches Waſſer. — <stage>(<hi rendition="#g">Claus</hi> geht, ſie ſinkt<lb/> in einen Seſſel.)</stage> Leb ich noch? — Wo bin ich? —<lb/> Gott im Himmel! wie ſchlaͤgt mir das Herz, —<lb/> bis zum Halſe hinauf.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Claus</hi> kommt mit Waſſer.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Stell es nur dorthin, — ich kann<lb/> jetzt noch nicht trinken, — geh, geh, — mir fehlt<lb/> nichts, gar nichts. — Geh! <stage>(Claus geht.)</stage> Ich weiß<lb/> nicht, wie ich wieder hieher gekommen bin, —<lb/><stage>(ſie trinkt.)</stage> jetzt wird mir beſſer. — Es iſt tiefe<lb/> Nacht, die uͤbrigen ſchlafen ſchon. — <stage>(ſie betrachtet<lb/> den Schluͤſſel.)</stage> Hier iſt ein blutiger dunkelrother Fleck,<lb/> — war der ſchon vorher da? — Ach nein, ich<lb/> ließ ihn fallen, — alles um mich her riecht noch<lb/> nach Blut. — <stage>(Sie reibt mit ihrem Schnupftuche den<lb/> Schluͤſſel.)</stage> Er will nicht fort, das iſt doch wunder-<lb/> bar. — O Neugier, verdammte, ſchaͤndliche Neu-<lb/> gier! ich glaube, es giebt keine groͤßere Suͤnde als<lb/> die Neugier! — O und mein Mann, wie kommt<lb/> der mir jetzt vor? — Mein Mann konnt' ich ſa-<lb/> gen? Mein Mann? Das ſchaͤndlichſte, mir frem-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0113]
Zweite Abtheilung.
— es iſt nicht gut, wenn man ſich jetzt wach fin-
den laͤßt.
Claus. Nun ſo geht.
(Eine Thuͤr wird mit Gewalt zugeſchlagen.)
Rathgeber. Hoͤrſt du wohl? (laͤuft ſchnell ab.)
Agnes.tritt bleich und zitternd herein.
Claus. Was iſt Euch, gnaͤdige Frau? —
Agnes. Nichts, nichts, — ſchaff mir doch
ein Glas friſches Waſſer. — (Claus geht, ſie ſinkt
in einen Seſſel.) Leb ich noch? — Wo bin ich? —
Gott im Himmel! wie ſchlaͤgt mir das Herz, —
bis zum Halſe hinauf.
Claus kommt mit Waſſer.
Agnes. Stell es nur dorthin, — ich kann
jetzt noch nicht trinken, — geh, geh, — mir fehlt
nichts, gar nichts. — Geh! (Claus geht.) Ich weiß
nicht, wie ich wieder hieher gekommen bin, —
(ſie trinkt.) jetzt wird mir beſſer. — Es iſt tiefe
Nacht, die uͤbrigen ſchlafen ſchon. — (ſie betrachtet
den Schluͤſſel.) Hier iſt ein blutiger dunkelrother Fleck,
— war der ſchon vorher da? — Ach nein, ich
ließ ihn fallen, — alles um mich her riecht noch
nach Blut. — (Sie reibt mit ihrem Schnupftuche den
Schluͤſſel.) Er will nicht fort, das iſt doch wunder-
bar. — O Neugier, verdammte, ſchaͤndliche Neu-
gier! ich glaube, es giebt keine groͤßere Suͤnde als
die Neugier! — O und mein Mann, wie kommt
der mir jetzt vor? — Mein Mann konnt' ich ſa-
gen? Mein Mann? Das ſchaͤndlichſte, mir frem-
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/113>, abgerufen am 27.07.2024. |