Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. den, da er sie doch in meine eigene Hände über-liefert hat. Anne. Nun gute Nacht, ich gehe zu Bett. Mechtilde. Ich wünsche Euch eine glück- selige Nacht. (beide ab.) Agnes. Welche herrliche Nacht! -- Man spricht so viel von der Neugier der Weiber, und jetzt stände es doch gerade zu nur in meiner Ge- walt, in das verbotene Zimmer hinein zu gehen. -- Ich habe mir zum Theil den Schlüssel wieder geben lassen, weil sonst mein Mann hätte denken können, ich traue mir nicht Stärke genug zu. -- Nun, wenn ich denn auch der Versuchung nach- gäbe, so erführe kein Mensch, daß ich in dem Zimmer gewesen wäre, und kein andres Unglück könnte doch daraus entstehn; meine Schwester, die Sittenpredigerin schläft jetzt, -- o ich wollte, ich hätte dem alten garstigen Weibe die Schlüssel ge- lassen! -- Am Ende ist das Ganze nur darauf angesehn, daß mein Mann mich auf die Probe stellen will, und ich will mich gewiß nicht so leicht fangen lassen. -- (geht auf und ab.) Die Alte ist selbst noch nicht einmal in dem Zimmer gewesen, der Ritter muß doch also etwas Besondres dabei haben. -- Ich will nicht weiter daran denken. -- (sie tritt ans Fenster) Wenn ich nur wüßte, warum er es mir verboten hat? -- Der Schlüssel ist gol- den, die übrigen sind es nicht; es ist gewiß das kostbarste Gemach von allen, und er will mich nächstens einmal damit überraschen. -- Narrheit, daß ich es nicht gleich jetzt sehn sollte! Mir ist Der Blaubart. den, da er ſie doch in meine eigene Haͤnde uͤber-liefert hat. Anne. Nun gute Nacht, ich gehe zu Bett. Mechtilde. Ich wuͤnſche Euch eine gluͤck- ſelige Nacht. (beide ab.) Agnes. Welche herrliche Nacht! — Man ſpricht ſo viel von der Neugier der Weiber, und jetzt ſtaͤnde es doch gerade zu nur in meiner Ge- walt, in das verbotene Zimmer hinein zu gehen. — Ich habe mir zum Theil den Schluͤſſel wieder geben laſſen, weil ſonſt mein Mann haͤtte denken koͤnnen, ich traue mir nicht Staͤrke genug zu. — Nun, wenn ich denn auch der Verſuchung nach- gaͤbe, ſo erfuͤhre kein Menſch, daß ich in dem Zimmer geweſen waͤre, und kein andres Ungluͤck koͤnnte doch daraus entſtehn; meine Schweſter, die Sittenpredigerin ſchlaͤft jetzt, — o ich wollte, ich haͤtte dem alten garſtigen Weibe die Schluͤſſel ge- laſſen! — Am Ende iſt das Ganze nur darauf angeſehn, daß mein Mann mich auf die Probe ſtellen will, und ich will mich gewiß nicht ſo leicht fangen laſſen. — (geht auf und ab.) Die Alte iſt ſelbſt noch nicht einmal in dem Zimmer geweſen, der Ritter muß doch alſo etwas Beſondres dabei haben. — Ich will nicht weiter daran denken. — (ſie tritt ans Fenſter) Wenn ich nur wuͤßte, warum er es mir verboten hat? — Der Schluͤſſel iſt gol- den, die uͤbrigen ſind es nicht; es iſt gewiß das koſtbarſte Gemach von allen, und er will mich naͤchſtens einmal damit uͤberraſchen. — Narrheit, daß ich es nicht gleich jetzt ſehn ſollte! Mir iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#AGN"> <p><pb facs="#f0110" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/> den, da er ſie doch in meine eigene Haͤnde uͤber-<lb/> liefert hat.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Nun gute Nacht, ich gehe zu Bett.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEC"> <speaker><hi rendition="#g">Mechtilde</hi>.</speaker> <p>Ich wuͤnſche Euch eine gluͤck-<lb/> ſelige Nacht.</p> <stage>(beide ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Welche herrliche Nacht! — Man<lb/> ſpricht ſo viel von der Neugier der Weiber, und<lb/> jetzt ſtaͤnde es doch gerade zu nur in meiner Ge-<lb/> walt, in das verbotene Zimmer hinein zu gehen.<lb/> — Ich habe mir zum Theil den Schluͤſſel wieder<lb/> geben laſſen, weil ſonſt mein Mann haͤtte denken<lb/> koͤnnen, ich traue mir nicht Staͤrke genug zu. —<lb/> Nun, wenn ich denn auch der Verſuchung nach-<lb/> gaͤbe, ſo erfuͤhre kein Menſch, daß ich in dem<lb/> Zimmer geweſen waͤre, und kein andres Ungluͤck<lb/> koͤnnte doch daraus entſtehn; meine Schweſter, die<lb/> Sittenpredigerin ſchlaͤft jetzt, — o ich wollte, ich<lb/> haͤtte dem alten garſtigen Weibe die Schluͤſſel ge-<lb/> laſſen! — Am Ende iſt das Ganze nur darauf<lb/> angeſehn, daß mein Mann mich auf die Probe<lb/> ſtellen will, und ich will mich gewiß nicht ſo leicht<lb/> fangen laſſen. — <stage>(geht auf und ab.)</stage> Die Alte iſt<lb/> ſelbſt noch nicht einmal in dem Zimmer geweſen,<lb/> der Ritter muß doch alſo etwas Beſondres dabei<lb/> haben. — Ich will nicht weiter daran denken. —<lb/><stage>(ſie tritt ans Fenſter)</stage> Wenn ich nur wuͤßte, warum<lb/> er es mir verboten hat? — Der Schluͤſſel iſt gol-<lb/> den, die uͤbrigen ſind es nicht; es iſt gewiß das<lb/> koſtbarſte Gemach von allen, und er will mich<lb/> naͤchſtens einmal damit uͤberraſchen. — Narrheit,<lb/> daß ich es nicht gleich jetzt ſehn ſollte! 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Der Blaubart.
den, da er ſie doch in meine eigene Haͤnde uͤber-
liefert hat.
Anne. Nun gute Nacht, ich gehe zu Bett.
Mechtilde. Ich wuͤnſche Euch eine gluͤck-
ſelige Nacht. (beide ab.)
Agnes. Welche herrliche Nacht! — Man
ſpricht ſo viel von der Neugier der Weiber, und
jetzt ſtaͤnde es doch gerade zu nur in meiner Ge-
walt, in das verbotene Zimmer hinein zu gehen.
— Ich habe mir zum Theil den Schluͤſſel wieder
geben laſſen, weil ſonſt mein Mann haͤtte denken
koͤnnen, ich traue mir nicht Staͤrke genug zu. —
Nun, wenn ich denn auch der Verſuchung nach-
gaͤbe, ſo erfuͤhre kein Menſch, daß ich in dem
Zimmer geweſen waͤre, und kein andres Ungluͤck
koͤnnte doch daraus entſtehn; meine Schweſter, die
Sittenpredigerin ſchlaͤft jetzt, — o ich wollte, ich
haͤtte dem alten garſtigen Weibe die Schluͤſſel ge-
laſſen! — Am Ende iſt das Ganze nur darauf
angeſehn, daß mein Mann mich auf die Probe
ſtellen will, und ich will mich gewiß nicht ſo leicht
fangen laſſen. — (geht auf und ab.) Die Alte iſt
ſelbſt noch nicht einmal in dem Zimmer geweſen,
der Ritter muß doch alſo etwas Beſondres dabei
haben. — Ich will nicht weiter daran denken. —
(ſie tritt ans Fenſter) Wenn ich nur wuͤßte, warum
er es mir verboten hat? — Der Schluͤſſel iſt gol-
den, die uͤbrigen ſind es nicht; es iſt gewiß das
koſtbarſte Gemach von allen, und er will mich
naͤchſtens einmal damit uͤberraſchen. — Narrheit,
daß ich es nicht gleich jetzt ſehn ſollte! Mir iſt
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/110>, abgerufen am 27.07.2024. |