Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. endlich der Fete los zu werden, die man schonlängst von ihr erwartet, weil sie wohl zwölf und mehr ähnliche Gastmahle überstanden hat, zu der sie nun zum Ueberfluß noch jeden einladet, dem sie irgend eine Artigkeit schuldig zu sein glaubt, und gern noch ein Dutzend Durchreisende in ih- rem Garne auffängt, um ihrer Besuche nachher entübrigt zu bleiben; nein ich rede nicht von je- nen Tafeln, an welchen Niemand spricht, oder alle zugleich reden, an welchen das Chaos herrscht, und kaum noch in seltnen Minuten sich ein ein- zelner Privatspaß heraus wickeln kann, wo jedes Gespräch schon als todte Frucht zur Welt kommt, oder im Augenblicke nachher sterben muß, wie der Fisch auf dem trocknen Lande; ich meine nicht jene Gastgebote, bei denen der Wirth sich auf die Folter begeben muß, um den guten Wirth zu machen, zu Zeiten um den Tisch wandeln, selbst einschenken und frostige Scherze in das Ohr albern lächelnder Damen nieder legen; kurz, schweigen wir von dieser Barbarey unserer Zeit, von diesem Tode aller Geselligkeit und Gastfrei- heit, die neben so vielen andern barbarischen Gewohnheiten auch ihre Stelle bei uns gefun- den hat. Die krankhafte Karikatur von diesen Anstal- rung
Einleitung. endlich der Fete los zu werden, die man ſchonlaͤngſt von ihr erwartet, weil ſie wohl zwoͤlf und mehr aͤhnliche Gaſtmahle uͤberſtanden hat, zu der ſie nun zum Ueberfluß noch jeden einladet, dem ſie irgend eine Artigkeit ſchuldig zu ſein glaubt, und gern noch ein Dutzend Durchreiſende in ih- rem Garne auffaͤngt, um ihrer Beſuche nachher entuͤbrigt zu bleiben; nein ich rede nicht von je- nen Tafeln, an welchen Niemand ſpricht, oder alle zugleich reden, an welchen das Chaos herrſcht, und kaum noch in ſeltnen Minuten ſich ein ein- zelner Privatſpaß heraus wickeln kann, wo jedes Geſpraͤch ſchon als todte Frucht zur Welt kommt, oder im Augenblicke nachher ſterben muß, wie der Fiſch auf dem trocknen Lande; ich meine nicht jene Gaſtgebote, bei denen der Wirth ſich auf die Folter begeben muß, um den guten Wirth zu machen, zu Zeiten um den Tiſch wandeln, ſelbſt einſchenken und froſtige Scherze in das Ohr albern laͤchelnder Damen nieder legen; kurz, ſchweigen wir von dieſer Barbarey unſerer Zeit, von dieſem Tode aller Geſelligkeit und Gaſtfrei- heit, die neben ſo vielen andern barbariſchen Gewohnheiten auch ihre Stelle bei uns gefun- den hat. Die krankhafte Karikatur von dieſen Anſtal- rung
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Einleitung.
endlich der Fete los zu werden, die man ſchon
laͤngſt von ihr erwartet, weil ſie wohl zwoͤlf und
mehr aͤhnliche Gaſtmahle uͤberſtanden hat, zu der
ſie nun zum Ueberfluß noch jeden einladet, dem
ſie irgend eine Artigkeit ſchuldig zu ſein glaubt,
und gern noch ein Dutzend Durchreiſende in ih-
rem Garne auffaͤngt, um ihrer Beſuche nachher
entuͤbrigt zu bleiben; nein ich rede nicht von je-
nen Tafeln, an welchen Niemand ſpricht, oder
alle zugleich reden, an welchen das Chaos herrſcht,
und kaum noch in ſeltnen Minuten ſich ein ein-
zelner Privatſpaß heraus wickeln kann, wo
jedes Geſpraͤch ſchon als todte Frucht zur Welt
kommt, oder im Augenblicke nachher ſterben muß,
wie der Fiſch auf dem trocknen Lande; ich meine
nicht jene Gaſtgebote, bei denen der Wirth ſich
auf die Folter begeben muß, um den guten Wirth
zu machen, zu Zeiten um den Tiſch wandeln,
ſelbſt einſchenken und froſtige Scherze in das
Ohr albern laͤchelnder Damen nieder legen; kurz,
ſchweigen wir von dieſer Barbarey unſerer Zeit,
von dieſem Tode aller Geſelligkeit und Gaſtfrei-
heit, die neben ſo vielen andern barbariſchen
Gewohnheiten auch ihre Stelle bei uns gefun-
den hat.
Die krankhafte Karikatur von dieſen Anſtal-
ten, fuͤgte Wilibald hinzu, ſind die noch groͤßern
Theegeſellſchaften und kalten Abendmahlzeiten, wo
das Vergnuͤgen erhoͤht wird, indem alles durch
einander laͤuft, und wie in der Sprachverwir-
rung
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