sind sie gar unerträglich, und ihr höchster Ge- nuß besteht darin, wenn sie in aller Freund- schaftlichkeit ihren Gast können fühlen machen, daß es ihm, gegen den Wirth gerechnet, eigent- lich wohl an Gelde gebreche.
Das führt darauf, fuhr Lothar fort, daß so wie in den Gefäßen und Speisen Harmonie sein muß, diese auch durch die herrschenden Ge- spräche nicht darf verlezt werden. Die einlei- tende Suppe werde, wie schon gesagt, mit Stille, Sammlung und Aufmerksamkeit begleitet, nachher ist wohl gelinde Politik erlaubt, und kleine Geschichten, oder leichte philosophische Be- merkungen: ist eine Gesellschaft ihres Scherzes und Witzes nicht sehr gewiß, so verschwende sie ihn ja nicht zu früh, denn mit dem Confekt und Obst und den feinen Weinen soll aller Ernst völlig verschwinden, nun muß erlaubt seyn, was noch vor einer Viertelstunde unschicklich gewesen wäre; durch ein lauteres Lachen werden selbst die Damen dreister, die Liebe erklärt sich unverhol- ner, die Eifersucht zeigt sich mit unverstecktern Ausfällen, jeder giebt mehr Blöße und scheut sich nicht, dem treffenden Spott des Freundes sich hinzugeben, selbst eine und die andre ärger- liche Geschichte witzig vorgetragen darf umlaufen. Große Herren ließen ehemals mit dem Zucker ihre Narren und Lustigmacher herein kommen, um am Schluß des Mahls sich ganz als Menschen, hei- ter, froh und ausgelassen zu fühlen.
Einleitung.
ſind ſie gar unertraͤglich, und ihr hoͤchſter Ge- nuß beſteht darin, wenn ſie in aller Freund- ſchaftlichkeit ihren Gaſt koͤnnen fuͤhlen machen, daß es ihm, gegen den Wirth gerechnet, eigent- lich wohl an Gelde gebreche.
Das fuͤhrt darauf, fuhr Lothar fort, daß ſo wie in den Gefaͤßen und Speiſen Harmonie ſein muß, dieſe auch durch die herrſchenden Ge- ſpraͤche nicht darf verlezt werden. Die einlei- tende Suppe werde, wie ſchon geſagt, mit Stille, Sammlung und Aufmerkſamkeit begleitet, nachher iſt wohl gelinde Politik erlaubt, und kleine Geſchichten, oder leichte philoſophiſche Be- merkungen: iſt eine Geſellſchaft ihres Scherzes und Witzes nicht ſehr gewiß, ſo verſchwende ſie ihn ja nicht zu fruͤh, denn mit dem Confekt und Obſt und den feinen Weinen ſoll aller Ernſt voͤllig verſchwinden, nun muß erlaubt ſeyn, was noch vor einer Viertelſtunde unſchicklich geweſen waͤre; durch ein lauteres Lachen werden ſelbſt die Damen dreiſter, die Liebe erklaͤrt ſich unverhol- ner, die Eiferſucht zeigt ſich mit unverſtecktern Ausfaͤllen, jeder giebt mehr Bloͤße und ſcheut ſich nicht, dem treffenden Spott des Freundes ſich hinzugeben, ſelbſt eine und die andre aͤrger- liche Geſchichte witzig vorgetragen darf umlaufen. Große Herren ließen ehemals mit dem Zucker ihre Narren und Luſtigmacher herein kommen, um am Schluß des Mahls ſich ganz als Menſchen, hei- ter, froh und ausgelaſſen zu fuͤhlen.
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Einleitung.
ſind ſie gar unertraͤglich, und ihr hoͤchſter Ge-
nuß beſteht darin, wenn ſie in aller Freund-
ſchaftlichkeit ihren Gaſt koͤnnen fuͤhlen machen,
daß es ihm, gegen den Wirth gerechnet, eigent-
lich wohl an Gelde gebreche.
Das fuͤhrt darauf, fuhr Lothar fort, daß
ſo wie in den Gefaͤßen und Speiſen Harmonie
ſein muß, dieſe auch durch die herrſchenden Ge-
ſpraͤche nicht darf verlezt werden. Die einlei-
tende Suppe werde, wie ſchon geſagt, mit
Stille, Sammlung und Aufmerkſamkeit begleitet,
nachher iſt wohl gelinde Politik erlaubt, und
kleine Geſchichten, oder leichte philoſophiſche Be-
merkungen: iſt eine Geſellſchaft ihres Scherzes und
Witzes nicht ſehr gewiß, ſo verſchwende ſie ihn
ja nicht zu fruͤh, denn mit dem Confekt und
Obſt und den feinen Weinen ſoll aller Ernſt
voͤllig verſchwinden, nun muß erlaubt ſeyn, was
noch vor einer Viertelſtunde unſchicklich geweſen
waͤre; durch ein lauteres Lachen werden ſelbſt die
Damen dreiſter, die Liebe erklaͤrt ſich unverhol-
ner, die Eiferſucht zeigt ſich mit unverſtecktern
Ausfaͤllen, jeder giebt mehr Bloͤße und ſcheut
ſich nicht, dem treffenden Spott des Freundes
ſich hinzugeben, ſelbſt eine und die andre aͤrger-
liche Geſchichte witzig vorgetragen darf umlaufen.
Große Herren ließen ehemals mit dem Zucker ihre
Narren und Luſtigmacher herein kommen, um am
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/89>, abgerufen am 22.11.2024.
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