würde es auch mit den Einrichtungen der Wirth- schaft übel aussehn.
Dich nehm' ich aus, sagte Manfred, und einer Hausfrau steht auch nichts so liebenswür- dig, als eine stille, unerschütterliche Ordnung: aber auch nur die stille Ordnung, denn noch schlimmer als die Unordentlichen sind die für die Ordnung Wüthenden, in deren Häusern nichts als Einrichtung, Abrichten der Domestiken, Auf- räumen und Staubabwischen zu finden ist; eine solche Frau haben, wäre eben so wie unter der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen, wo man nichts als den Perpendikel und das fürchterliche Schlagen der Stunden hört: auch eine männlich ordentliche und unternehmende Therese ist widerwärtig. Aber in aller liebens- würdigen weiblichen Unordnung schweift meine theure Schwester Auguste etwas zu sehr aus.
Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas über- eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge- redet ist, so muß man wohl anderthalb Stun- den mit dem Stock in der Hand unten stehn und warten, und dann hat die liebenswürdige Dame entweder den Spatziergang ganz vergessen, und besinnt sich erst darauf, wenn man einige- mal hat erinnern lassen, oder sie kommt auch wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand- schuh und Sonnenschirm und Tuch gedacht; man geht zurück, man kramt, und fällt dabei nicht selten wieder in eine Beschäftigung, die
Einleitung.
wuͤrde es auch mit den Einrichtungen der Wirth- ſchaft uͤbel ausſehn.
Dich nehm' ich aus, ſagte Manfred, und einer Hausfrau ſteht auch nichts ſo liebenswuͤr- dig, als eine ſtille, unerſchuͤtterliche Ordnung: aber auch nur die ſtille Ordnung, denn noch ſchlimmer als die Unordentlichen ſind die fuͤr die Ordnung Wuͤthenden, in deren Haͤuſern nichts als Einrichtung, Abrichten der Domeſtiken, Auf- raͤumen und Staubabwiſchen zu finden iſt; eine ſolche Frau haben, waͤre eben ſo wie unter der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen, wo man nichts als den Perpendikel und das fuͤrchterliche Schlagen der Stunden hoͤrt: auch eine maͤnnlich ordentliche und unternehmende Thereſe iſt widerwaͤrtig. Aber in aller liebens- wuͤrdigen weiblichen Unordnung ſchweift meine theure Schweſter Auguſte etwas zu ſehr aus.
Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas uͤber- eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge- redet iſt, ſo muß man wohl anderthalb Stun- den mit dem Stock in der Hand unten ſtehn und warten, und dann hat die liebenswuͤrdige Dame entweder den Spatziergang ganz vergeſſen, und beſinnt ſich erſt darauf, wenn man einige- mal hat erinnern laſſen, oder ſie kommt auch wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand- ſchuh und Sonnenſchirm und Tuch gedacht; man geht zuruͤck, man kramt, und faͤllt dabei nicht ſelten wieder in eine Beſchaͤftigung, die
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Einleitung.
wuͤrde es auch mit den Einrichtungen der Wirth-
ſchaft uͤbel ausſehn.
Dich nehm' ich aus, ſagte Manfred, und
einer Hausfrau ſteht auch nichts ſo liebenswuͤr-
dig, als eine ſtille, unerſchuͤtterliche Ordnung:
aber auch nur die ſtille Ordnung, denn noch
ſchlimmer als die Unordentlichen ſind die fuͤr
die Ordnung Wuͤthenden, in deren Haͤuſern nichts
als Einrichtung, Abrichten der Domeſtiken, Auf-
raͤumen und Staubabwiſchen zu finden iſt;
eine ſolche Frau haben, waͤre eben ſo wie unter
der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen,
wo man nichts als den Perpendikel und das
fuͤrchterliche Schlagen der Stunden hoͤrt: auch
eine maͤnnlich ordentliche und unternehmende
Thereſe iſt widerwaͤrtig. Aber in aller liebens-
wuͤrdigen weiblichen Unordnung ſchweift meine
theure Schweſter Auguſte etwas zu ſehr aus.
Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas uͤber-
eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge-
redet iſt, ſo muß man wohl anderthalb Stun-
den mit dem Stock in der Hand unten ſtehn
und warten, und dann hat die liebenswuͤrdige
Dame entweder den Spatziergang ganz vergeſſen,
und beſinnt ſich erſt darauf, wenn man einige-
mal hat erinnern laſſen, oder ſie kommt auch
wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand-
ſchuh und Sonnenſchirm und Tuch gedacht;
man geht zuruͤck, man kramt, und faͤllt dabei
nicht ſelten wieder in eine Beſchaͤftigung, die
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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