zum Romantischen, sondern auch wahrhaft ro- mantische Wildnisse werden verfolgt, und zur Re- gel und Verfassung der neuen Gartenkunst erzo- gen. So war ehemals nur die große wunder- volle Heidelberger Ruine eine so grüne, frische, poetische und wilde Einsamkeit, die so schön mit den verfallenen Thürmen, den großen Höfen, und der herrlichen Natur umher in Harmonie stand, daß sie auf das Gemüth eben so wie ein vollen- detes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war so entzückt über diesen einzigen Fleck unsrer deutschen Erde, daß das grünende Bild seit Jah- ren meiner Phantasie vorschwebte, aber vor eini- ger Zeit fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen schö- nen Platz und manche schöne Aussicht gönnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen führt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der selbst erlaubt, Erfrischungen an anmuthigen Räu- men ruhig und sicher zu genießen, doch wiegen alle diese Vortheile nicht die großartige und ein- zige Schönheit auf, die hier aus der besten Ab- sicht ist zerstört worden.
Hier wurde das Gespräch unterbrochen, in- dem der Bediente meldete, daß angerichtet sei.
Man ging durch die großen offenen Thüren des Speisesaales, der unmittelbar an den Gar- ten stieß, und aus dem man den gegenüber lie-
I. [ 5 ]
Einleitung.
zum Romantiſchen, ſondern auch wahrhaft ro- mantiſche Wildniſſe werden verfolgt, und zur Re- gel und Verfaſſung der neuen Gartenkunſt erzo- gen. So war ehemals nur die große wunder- volle Heidelberger Ruine eine ſo gruͤne, friſche, poetiſche und wilde Einſamkeit, die ſo ſchoͤn mit den verfallenen Thuͤrmen, den großen Hoͤfen, und der herrlichen Natur umher in Harmonie ſtand, daß ſie auf das Gemuͤth eben ſo wie ein vollen- detes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich war ſo entzuͤckt uͤber dieſen einzigen Fleck unſrer deutſchen Erde, daß das gruͤnende Bild ſeit Jah- ren meiner Phantaſie vorſchwebte, aber vor eini- ger Zeit fand ich auch hier eine Art von Park wieder, der zwar dem Wandelnden manchen ſchoͤ- nen Platz und manche ſchoͤne Ausſicht goͤnnt, der auf bequemen Pfaden zu Stellen fuͤhrt, die man vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der ſelbſt erlaubt, Erfriſchungen an anmuthigen Raͤu- men ruhig und ſicher zu genießen, doch wiegen alle dieſe Vortheile nicht die großartige und ein- zige Schoͤnheit auf, die hier aus der beſten Ab- ſicht iſt zerſtoͤrt worden.
Hier wurde das Geſpraͤch unterbrochen, in- dem der Bediente meldete, daß angerichtet ſei.
Man ging durch die großen offenen Thuͤren des Speiſeſaales, der unmittelbar an den Gar- ten ſtieß, und aus dem man den gegenuͤber lie-
I. [ 5 ]
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="65"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
zum Romantiſchen, ſondern auch wahrhaft ro-<lb/>
mantiſche Wildniſſe werden verfolgt, und zur Re-<lb/>
gel und Verfaſſung der neuen Gartenkunſt erzo-<lb/>
gen. So war ehemals nur die große wunder-<lb/>
volle Heidelberger Ruine eine ſo gruͤne, friſche,<lb/>
poetiſche und wilde Einſamkeit, die ſo ſchoͤn mit<lb/>
den verfallenen Thuͤrmen, den großen Hoͤfen, und<lb/>
der herrlichen Natur umher in Harmonie ſtand,<lb/>
daß ſie auf das Gemuͤth eben ſo wie ein vollen-<lb/>
detes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich<lb/>
war ſo entzuͤckt uͤber dieſen einzigen Fleck unſrer<lb/>
deutſchen Erde, daß das gruͤnende Bild ſeit Jah-<lb/>
ren meiner Phantaſie vorſchwebte, aber vor eini-<lb/>
ger Zeit fand ich auch hier eine Art von Park<lb/>
wieder, der zwar dem Wandelnden manchen ſchoͤ-<lb/>
nen Platz und manche ſchoͤne Ausſicht goͤnnt, der<lb/>
auf bequemen Pfaden zu Stellen fuͤhrt, die man<lb/>
vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der<lb/>ſelbſt erlaubt, Erfriſchungen an anmuthigen Raͤu-<lb/>
men ruhig und ſicher zu genießen, doch wiegen<lb/>
alle dieſe Vortheile nicht die großartige und ein-<lb/>
zige Schoͤnheit auf, die hier aus der beſten Ab-<lb/>ſicht iſt zerſtoͤrt worden.</p><lb/><p>Hier wurde das Geſpraͤch unterbrochen, in-<lb/>
dem der Bediente meldete, daß angerichtet ſei.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Man ging durch die großen offenen Thuͤren<lb/>
des Speiſeſaales, der unmittelbar an den Gar-<lb/>
ten ſtieß, und aus dem man den gegenuͤber lie-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. [ 5 ]</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[65/0076]
Einleitung.
zum Romantiſchen, ſondern auch wahrhaft ro-
mantiſche Wildniſſe werden verfolgt, und zur Re-
gel und Verfaſſung der neuen Gartenkunſt erzo-
gen. So war ehemals nur die große wunder-
volle Heidelberger Ruine eine ſo gruͤne, friſche,
poetiſche und wilde Einſamkeit, die ſo ſchoͤn mit
den verfallenen Thuͤrmen, den großen Hoͤfen, und
der herrlichen Natur umher in Harmonie ſtand,
daß ſie auf das Gemuͤth eben ſo wie ein vollen-
detes Gedicht aus dem Mittelalter wirkte, ich
war ſo entzuͤckt uͤber dieſen einzigen Fleck unſrer
deutſchen Erde, daß das gruͤnende Bild ſeit Jah-
ren meiner Phantaſie vorſchwebte, aber vor eini-
ger Zeit fand ich auch hier eine Art von Park
wieder, der zwar dem Wandelnden manchen ſchoͤ-
nen Platz und manche ſchoͤne Ausſicht goͤnnt, der
auf bequemen Pfaden zu Stellen fuͤhrt, die man
vormals nur mit Gefahr erklettern konnte, der
ſelbſt erlaubt, Erfriſchungen an anmuthigen Raͤu-
men ruhig und ſicher zu genießen, doch wiegen
alle dieſe Vortheile nicht die großartige und ein-
zige Schoͤnheit auf, die hier aus der beſten Ab-
ſicht iſt zerſtoͤrt worden.
Hier wurde das Geſpraͤch unterbrochen, in-
dem der Bediente meldete, daß angerichtet ſei.
Man ging durch die großen offenen Thuͤren
des Speiſeſaales, der unmittelbar an den Gar-
ten ſtieß, und aus dem man den gegenuͤber lie-
I. [ 5 ]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/76>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.