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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
gend eine Weise das Haus ihres Oheims, des
Geheimeraths, zu verlassen: dieser wolle einen
alten Lieblingsplan fast gewaltthätig durchsetzen,
sie mit seinem jüngeren Bruder, einem reichen
Gutsbesitzer, zu vermählen, weil er sich so an
die Gesellschaft des schönen liebenswürdigen Kin-
des gewöhnt habe, daß er sich durchaus nicht
von ihr trennen könne, er sei gesonnen, nach der
Heirath zu diesem Bruder zu ziehn, um in sei-
nem kinderlosen Witwerstande gemeinschaftlich mit
ihm zu hausen. Es scheint vergeblich, so endete
Friedrich, diesem Plan unsre Liebe entgegen zu
setzen, wenigstens hält es Adelheid für unmög-
lich, und zwar so sehr, daß der Oheim noch gar
nicht einmal von meinem Verhältnisse zu ihr weiß;
so erwarte ich nun bei Manfred morgen oder
übermorgen einen Boten, der unser Schicksal
auf immer entscheiden wird. Eine drückende Lage
wird oft am leichtesten durch eine Gewaltthätig-
keit gelöst, und ich hoffe, daß Manfred mir
durch seine Klugheit und seinen Muth beistehen
wird. Ich würde mich unserm Ernst auch gern
vertrauen, wenn er nicht gar zu gern tadelte,
wo aller Rath zu spät kömmt.

Doch kann Vorsicht nicht schaden, sagte
Anton, und hüte dich nur, dich von Manfred,
der alles Abentheuerliche übertrieben liebt, in
einen Plan verwickeln zu lassen, dessen Verdrieß-
lichkeiten vielleicht dein ganzes Leben verwirren.
Denn es ist gar zu anlockend, auf Unkosten eines

Einleitung.
gend eine Weiſe das Haus ihres Oheims, des
Geheimeraths, zu verlaſſen: dieſer wolle einen
alten Lieblingsplan faſt gewaltthaͤtig durchſetzen,
ſie mit ſeinem juͤngeren Bruder, einem reichen
Gutsbeſitzer, zu vermaͤhlen, weil er ſich ſo an
die Geſellſchaft des ſchoͤnen liebenswuͤrdigen Kin-
des gewoͤhnt habe, daß er ſich durchaus nicht
von ihr trennen koͤnne, er ſei geſonnen, nach der
Heirath zu dieſem Bruder zu ziehn, um in ſei-
nem kinderloſen Witwerſtande gemeinſchaftlich mit
ihm zu hauſen. Es ſcheint vergeblich, ſo endete
Friedrich, dieſem Plan unſre Liebe entgegen zu
ſetzen, wenigſtens haͤlt es Adelheid fuͤr unmoͤg-
lich, und zwar ſo ſehr, daß der Oheim noch gar
nicht einmal von meinem Verhaͤltniſſe zu ihr weiß;
ſo erwarte ich nun bei Manfred morgen oder
uͤbermorgen einen Boten, der unſer Schickſal
auf immer entſcheiden wird. Eine druͤckende Lage
wird oft am leichteſten durch eine Gewaltthaͤtig-
keit geloͤſt, und ich hoffe, daß Manfred mir
durch ſeine Klugheit und ſeinen Muth beiſtehen
wird. Ich wuͤrde mich unſerm Ernſt auch gern
vertrauen, wenn er nicht gar zu gern tadelte,
wo aller Rath zu ſpaͤt koͤmmt.

Doch kann Vorſicht nicht ſchaden, ſagte
Anton, und huͤte dich nur, dich von Manfred,
der alles Abentheuerliche uͤbertrieben liebt, in
einen Plan verwickeln zu laſſen, deſſen Verdrieß-
lichkeiten vielleicht dein ganzes Leben verwirren.
Denn es iſt gar zu anlockend, auf Unkoſten eines

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[46/0057] Einleitung. gend eine Weiſe das Haus ihres Oheims, des Geheimeraths, zu verlaſſen: dieſer wolle einen alten Lieblingsplan faſt gewaltthaͤtig durchſetzen, ſie mit ſeinem juͤngeren Bruder, einem reichen Gutsbeſitzer, zu vermaͤhlen, weil er ſich ſo an die Geſellſchaft des ſchoͤnen liebenswuͤrdigen Kin- des gewoͤhnt habe, daß er ſich durchaus nicht von ihr trennen koͤnne, er ſei geſonnen, nach der Heirath zu dieſem Bruder zu ziehn, um in ſei- nem kinderloſen Witwerſtande gemeinſchaftlich mit ihm zu hauſen. Es ſcheint vergeblich, ſo endete Friedrich, dieſem Plan unſre Liebe entgegen zu ſetzen, wenigſtens haͤlt es Adelheid fuͤr unmoͤg- lich, und zwar ſo ſehr, daß der Oheim noch gar nicht einmal von meinem Verhaͤltniſſe zu ihr weiß; ſo erwarte ich nun bei Manfred morgen oder uͤbermorgen einen Boten, der unſer Schickſal auf immer entſcheiden wird. Eine druͤckende Lage wird oft am leichteſten durch eine Gewaltthaͤtig- keit geloͤſt, und ich hoffe, daß Manfred mir durch ſeine Klugheit und ſeinen Muth beiſtehen wird. Ich wuͤrde mich unſerm Ernſt auch gern vertrauen, wenn er nicht gar zu gern tadelte, wo aller Rath zu ſpaͤt koͤmmt. Doch kann Vorſicht nicht ſchaden, ſagte Anton, und huͤte dich nur, dich von Manfred, der alles Abentheuerliche uͤbertrieben liebt, in einen Plan verwickeln zu laſſen, deſſen Verdrieß- lichkeiten vielleicht dein ganzes Leben verwirren. Denn es iſt gar zu anlockend, auf Unkoſten eines

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/57>, abgerufen am 22.11.2024.