Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Die Thür stand, gegen mein Verhoffen
Im Hof' und auch im Hause offen;
Die Alte war erzürnt und wollte sich wehren,
Doch durft' ich mich daran nicht kehren,
Nun ist sie erwürgt, liegt unter dem Bette;
Wünscht' nur, daß ich Rothkäppchen hier hätte.
Doch will ich schlau die Sache anstellen
Und mich als das alte Weib jetzt stellen;
Ich setze die Haube auf, es wird schon finster,
Es kommt nicht viel Licht durch die Fenster,
So lieg' ich im Bett, als wär' ich kränklich.
Ich höre sie schon, sie kommt nachdenklich.
Rothkäppchen tritt herein.
Rothkäppchen.
Großmutter, bist du schon zu Bett gegangen?
Wolf.
Schon seit einer Stunde, ich hatte Verlangen
Dich, liebes Kind, wieder zu sehn, mir ist nicht
wohl.
Rothkäppchen.
Ich dich von der Mutter schön grüßen soll,
Sie schickt dir ein gekochtes Huhn,
Das wird dir wohl in der Schwachheit thun.
Der Vater war nicht gut aufgelegt,
Ich lief schnell fort, weil er manchmal schlägt,
Er will nicht immer, daß ich zu dir gehe
Und dir in deiner Noth beistehe. --
Du liegst zu Bett, doch am verkehrten Ende.
Ei, Großmutter, was hast du für närrische
Hände?


Wolf.
Zweite Abtheilung.
Die Thuͤr ſtand, gegen mein Verhoffen
Im Hof' und auch im Hauſe offen;
Die Alte war erzuͤrnt und wollte ſich wehren,
Doch durft' ich mich daran nicht kehren,
Nun iſt ſie erwuͤrgt, liegt unter dem Bette;
Wuͤnſcht' nur, daß ich Rothkaͤppchen hier haͤtte.
Doch will ich ſchlau die Sache anſtellen
Und mich als das alte Weib jetzt ſtellen;
Ich ſetze die Haube auf, es wird ſchon finſter,
Es kommt nicht viel Licht durch die Fenſter,
So lieg' ich im Bett, als waͤr' ich kraͤnklich.
Ich hoͤre ſie ſchon, ſie kommt nachdenklich.
Rothkaͤppchen tritt herein.
Rothkaͤppchen.
Großmutter, biſt du ſchon zu Bett gegangen?
Wolf.
Schon ſeit einer Stunde, ich hatte Verlangen
Dich, liebes Kind, wieder zu ſehn, mir iſt nicht
wohl.
Rothkaͤppchen.
Ich dich von der Mutter ſchoͤn gruͤßen ſoll,
Sie ſchickt dir ein gekochtes Huhn,
Das wird dir wohl in der Schwachheit thun.
Der Vater war nicht gut aufgelegt,
Ich lief ſchnell fort, weil er manchmal ſchlaͤgt,
Er will nicht immer, daß ich zu dir gehe
Und dir in deiner Noth beiſtehe. —
Du liegſt zu Bett, doch am verkehrten Ende.
Ei, Großmutter, was haſt du fuͤr naͤrriſche
Haͤnde?


Wolf.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#WOLF">
              <p><pb facs="#f0519" n="508"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Die Thu&#x0364;r &#x017F;tand, gegen mein Verhoffen<lb/>
Im Hof' und auch im Hau&#x017F;e offen;<lb/>
Die Alte war erzu&#x0364;rnt und wollte &#x017F;ich wehren,<lb/>
Doch durft' ich mich daran nicht kehren,<lb/>
Nun i&#x017F;t &#x017F;ie erwu&#x0364;rgt, liegt unter dem Bette;<lb/>
Wu&#x0364;n&#x017F;cht' nur, daß ich Rothka&#x0364;ppchen hier ha&#x0364;tte.<lb/>
Doch will ich &#x017F;chlau die Sache an&#x017F;tellen<lb/>
Und mich als das alte Weib jetzt &#x017F;tellen;<lb/>
Ich &#x017F;etze die Haube auf, es wird &#x017F;chon fin&#x017F;ter,<lb/>
Es kommt nicht viel Licht durch die Fen&#x017F;ter,<lb/>
So lieg' ich im Bett, als wa&#x0364;r' ich kra&#x0364;nklich.<lb/>
Ich ho&#x0364;re &#x017F;ie &#x017F;chon, &#x017F;ie kommt nachdenklich.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ROT">
              <speaker> <hi rendition="#g">Rothka&#x0364;ppchen</hi> </speaker>
              <stage>tritt herein.</stage>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ROT">
              <speaker><hi rendition="#g">Rothka&#x0364;ppchen</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Großmutter, bi&#x017F;t du &#x017F;chon zu Bett gegangen?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WOLF">
              <speaker><hi rendition="#g">Wolf</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Schon &#x017F;eit einer Stunde, ich hatte Verlangen<lb/>
Dich, liebes Kind, wieder zu &#x017F;ehn, mir i&#x017F;t nicht<lb/><hi rendition="#et">wohl.</hi></p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ROT">
              <speaker><hi rendition="#g">Rothka&#x0364;ppchen</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ich dich von der Mutter &#x017F;cho&#x0364;n gru&#x0364;ßen &#x017F;oll,<lb/>
Sie &#x017F;chickt dir ein gekochtes Huhn,<lb/>
Das wird dir wohl in der Schwachheit thun.<lb/>
Der Vater war nicht gut aufgelegt,<lb/>
Ich lief &#x017F;chnell fort, weil er manchmal &#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
Er will nicht immer, daß ich zu dir gehe<lb/>
Und dir in deiner Noth bei&#x017F;tehe. &#x2014;<lb/>
Du lieg&#x017F;t zu Bett, doch am verkehrten Ende.<lb/>
Ei, Großmutter, was ha&#x017F;t du fu&#x0364;r na&#x0364;rri&#x017F;che<lb/><hi rendition="#et">Ha&#x0364;nde?</hi></p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Wolf</hi>.</fw>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0519] Zweite Abtheilung. Die Thuͤr ſtand, gegen mein Verhoffen Im Hof' und auch im Hauſe offen; Die Alte war erzuͤrnt und wollte ſich wehren, Doch durft' ich mich daran nicht kehren, Nun iſt ſie erwuͤrgt, liegt unter dem Bette; Wuͤnſcht' nur, daß ich Rothkaͤppchen hier haͤtte. Doch will ich ſchlau die Sache anſtellen Und mich als das alte Weib jetzt ſtellen; Ich ſetze die Haube auf, es wird ſchon finſter, Es kommt nicht viel Licht durch die Fenſter, So lieg' ich im Bett, als waͤr' ich kraͤnklich. Ich hoͤre ſie ſchon, ſie kommt nachdenklich. Rothkaͤppchen tritt herein. Rothkaͤppchen. Großmutter, biſt du ſchon zu Bett gegangen? Wolf. Schon ſeit einer Stunde, ich hatte Verlangen Dich, liebes Kind, wieder zu ſehn, mir iſt nicht wohl. Rothkaͤppchen. Ich dich von der Mutter ſchoͤn gruͤßen ſoll, Sie ſchickt dir ein gekochtes Huhn, Das wird dir wohl in der Schwachheit thun. Der Vater war nicht gut aufgelegt, Ich lief ſchnell fort, weil er manchmal ſchlaͤgt, Er will nicht immer, daß ich zu dir gehe Und dir in deiner Noth beiſtehe. — Du liegſt zu Bett, doch am verkehrten Ende. Ei, Großmutter, was haſt du fuͤr naͤrriſche Haͤnde? Wolf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/519
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/519>, abgerufen am 24.11.2024.