Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Ich nutzte, und war mit meiner Bestimmung zu-frieden, Mir schien ein herrliches Loos beschieden. Hund. Still! mir ist, als ob ich Hasen spüre. Wolf. Sei ruhig, du Narr, hör zu und verstöre Mir meine tragische Leidensgeschicht Durch derlei platten Egoismus nicht. Vernimm denn, wie es ein Ende nahm, Und wie ich durch Erfahrung dazu kam, Die Menschen zu hassen, die ich wie Brüder Geliebt, die ich meine Freunde geheißen; Jetzt sind sie mir in den Tod zuwider, Ich möchte sie alle mit den Zähnen zerreißen! -- Meine Phantasie stand damals in ihrer Blüte Und jugendlich schön war mein Gemüthe, Ich ging im Walde zuweilen spatzieren, Mußt mir das Glück eine Wölfin zuführen. O Freund! was lernt ich da erst kennen, Einen Leib, so unbeschreiblich hold, Einen Geist, mit keinen Worten zu nennen, Verstand, nicht zu bezahlen mit Gold, Man hätte von ihr ein Buch schreiben können, Elisa, oder die Wölfin wie sie seyn sollt! Hund. Erspare dir das Entzücken, mein Freund, Du hältst mich auch für verliebt, wies scheint. Wolf. Was soll ich dir sagen? Ich liebte sie, sie mich, Unsre Wonnemonde waren so wonniglich; Zweite Abtheilung. Ich nutzte, und war mit meiner Beſtimmung zu-frieden, Mir ſchien ein herrliches Loos beſchieden. Hund. Still! mir iſt, als ob ich Haſen ſpuͤre. Wolf. Sei ruhig, du Narr, hoͤr zu und verſtoͤre Mir meine tragiſche Leidensgeſchicht Durch derlei platten Egoismus nicht. Vernimm denn, wie es ein Ende nahm, Und wie ich durch Erfahrung dazu kam, Die Menſchen zu haſſen, die ich wie Bruͤder Geliebt, die ich meine Freunde geheißen; Jetzt ſind ſie mir in den Tod zuwider, Ich moͤchte ſie alle mit den Zaͤhnen zerreißen! — Meine Phantaſie ſtand damals in ihrer Bluͤte Und jugendlich ſchoͤn war mein Gemuͤthe, Ich ging im Walde zuweilen ſpatzieren, Mußt mir das Gluͤck eine Woͤlfin zufuͤhren. O Freund! was lernt ich da erſt kennen, Einen Leib, ſo unbeſchreiblich hold, Einen Geiſt, mit keinen Worten zu nennen, Verſtand, nicht zu bezahlen mit Gold, Man haͤtte von ihr ein Buch ſchreiben koͤnnen, Eliſa, oder die Woͤlfin wie ſie ſeyn ſollt! Hund. Erſpare dir das Entzuͤcken, mein Freund, Du haͤltſt mich auch fuͤr verliebt, wies ſcheint. Wolf. Was ſoll ich dir ſagen? Ich liebte ſie, ſie mich, Unſre Wonnemonde waren ſo wonniglich; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#WOLF"> <p><pb facs="#f0509" n="498"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Ich nutzte, und war mit meiner Beſtimmung zu-<lb/><hi rendition="#et">frieden,</hi></p><lb/> <p>Mir ſchien ein herrliches Loos beſchieden.</p> </sp><lb/> <sp who="#HUND"> <speaker><hi rendition="#g">Hund</hi>.</speaker><lb/> <p>Still! mir iſt, als ob ich Haſen ſpuͤre.</p> </sp><lb/> <sp who="#WOLF"> <speaker><hi rendition="#g">Wolf</hi>.</speaker><lb/> <p>Sei ruhig, du Narr, hoͤr zu und verſtoͤre<lb/> Mir meine tragiſche Leidensgeſchicht<lb/> Durch derlei platten Egoismus nicht.<lb/> Vernimm denn, wie es ein Ende nahm,<lb/> Und wie ich durch Erfahrung dazu kam,<lb/> Die Menſchen zu haſſen, die ich wie Bruͤder<lb/> Geliebt, die ich meine Freunde geheißen;<lb/> Jetzt ſind ſie mir in den Tod zuwider,<lb/> Ich moͤchte ſie alle mit den Zaͤhnen zerreißen! —<lb/> Meine Phantaſie ſtand damals in ihrer Bluͤte<lb/> Und jugendlich ſchoͤn war mein Gemuͤthe,<lb/> Ich ging im Walde zuweilen ſpatzieren,<lb/> Mußt mir das Gluͤck eine Woͤlfin zufuͤhren.<lb/> O Freund! was lernt ich da erſt kennen,<lb/> Einen Leib, ſo unbeſchreiblich hold,<lb/> Einen Geiſt, mit keinen Worten zu nennen,<lb/> Verſtand, nicht zu bezahlen mit Gold,<lb/> Man haͤtte von ihr ein Buch ſchreiben koͤnnen,<lb/> Eliſa, oder die Woͤlfin wie ſie ſeyn ſollt!</p> </sp><lb/> <sp who="#HUND"> <speaker><hi rendition="#g">Hund</hi>.</speaker><lb/> <p>Erſpare dir das Entzuͤcken, mein Freund,<lb/> Du haͤltſt mich auch fuͤr verliebt, wies ſcheint.</p> </sp><lb/> <sp who="#WOLF"> <speaker><hi rendition="#g">Wolf</hi>.</speaker><lb/> <p>Was ſoll ich dir ſagen? Ich liebte ſie, ſie mich,<lb/> Unſre Wonnemonde waren ſo wonniglich;<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [498/0509]
Zweite Abtheilung.
Ich nutzte, und war mit meiner Beſtimmung zu-
frieden,
Mir ſchien ein herrliches Loos beſchieden.
Hund.
Still! mir iſt, als ob ich Haſen ſpuͤre.
Wolf.
Sei ruhig, du Narr, hoͤr zu und verſtoͤre
Mir meine tragiſche Leidensgeſchicht
Durch derlei platten Egoismus nicht.
Vernimm denn, wie es ein Ende nahm,
Und wie ich durch Erfahrung dazu kam,
Die Menſchen zu haſſen, die ich wie Bruͤder
Geliebt, die ich meine Freunde geheißen;
Jetzt ſind ſie mir in den Tod zuwider,
Ich moͤchte ſie alle mit den Zaͤhnen zerreißen! —
Meine Phantaſie ſtand damals in ihrer Bluͤte
Und jugendlich ſchoͤn war mein Gemuͤthe,
Ich ging im Walde zuweilen ſpatzieren,
Mußt mir das Gluͤck eine Woͤlfin zufuͤhren.
O Freund! was lernt ich da erſt kennen,
Einen Leib, ſo unbeſchreiblich hold,
Einen Geiſt, mit keinen Worten zu nennen,
Verſtand, nicht zu bezahlen mit Gold,
Man haͤtte von ihr ein Buch ſchreiben koͤnnen,
Eliſa, oder die Woͤlfin wie ſie ſeyn ſollt!
Hund.
Erſpare dir das Entzuͤcken, mein Freund,
Du haͤltſt mich auch fuͤr verliebt, wies ſcheint.
Wolf.
Was ſoll ich dir ſagen? Ich liebte ſie, ſie mich,
Unſre Wonnemonde waren ſo wonniglich;
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/509>, abgerufen am 16.02.2025. |