Wein trinken, und der Räscher ist lächerlich, der seine Zunge durch ununterbrochenes Kosten er- müdet; vom Raucher denkt man billiger, weil es eben Gewohnheit geworden ist, die man nicht mehr beurtheilt, doch begreif' ich es wenigstens nicht, wie selbst Frauen jetzt an vielen Orten da- gegen tolerant werden.
Könnt ihr euch, sagte Lothar, einen rauchen- den Apostel denken?
Eben so wenig, sagte Ernst, als den adli- chen Tristan mit der Pfeife, oder den hochstre- benden Don Quixote.
Dem Sancho aber, sagte Lothar, fehlt sie beinah; hätten manche umarbeitende Uebersetzer mehr Genie gehabt, so hätten sie diese lieber hinzu fügen, als so manche Schönheit weglassen dürfen.
Vielleicht ist dieses Bedürfniß, fiel Friedrich ein, ein Surrogat für so manches verlorne Be- dürfniß, des öffentlichen Lebens der Galanterie der Gesellschaft, der Freiheit und der Feste. Vielleicht soll sich zu Zeiten der Mensch mehr betäuben, und dann ist es wohl möglich, daß er seinen alten verrufenen blauen Dunst für ein wirkliches Gut hält. Nicht bloß Taback, auch philosophische Phrasen, Systeme, und manches andre wird heut zu Tage geraucht, und beschwert den Nichtrauchenden ebenfalls mit unleidlichem Geruch.
Nicht so melankolisch, sagte Theodor, laßt
Einleitung.
Wein trinken, und der Raͤſcher iſt laͤcherlich, der ſeine Zunge durch ununterbrochenes Koſten er- muͤdet; vom Raucher denkt man billiger, weil es eben Gewohnheit geworden iſt, die man nicht mehr beurtheilt, doch begreif' ich es wenigſtens nicht, wie ſelbſt Frauen jetzt an vielen Orten da- gegen tolerant werden.
Koͤnnt ihr euch, ſagte Lothar, einen rauchen- den Apoſtel denken?
Eben ſo wenig, ſagte Ernſt, als den adli- chen Triſtan mit der Pfeife, oder den hochſtre- benden Don Quixote.
Dem Sancho aber, ſagte Lothar, fehlt ſie beinah; haͤtten manche umarbeitende Ueberſetzer mehr Genie gehabt, ſo haͤtten ſie dieſe lieber hinzu fuͤgen, als ſo manche Schoͤnheit weglaſſen duͤrfen.
Vielleicht iſt dieſes Beduͤrfniß, fiel Friedrich ein, ein Surrogat fuͤr ſo manches verlorne Be- duͤrfniß, des oͤffentlichen Lebens der Galanterie der Geſellſchaft, der Freiheit und der Feſte. Vielleicht ſoll ſich zu Zeiten der Menſch mehr betaͤuben, und dann iſt es wohl moͤglich, daß er ſeinen alten verrufenen blauen Dunſt fuͤr ein wirkliches Gut haͤlt. Nicht bloß Taback, auch philoſophiſche Phraſen, Syſteme, und manches andre wird heut zu Tage geraucht, und beſchwert den Nichtrauchenden ebenfalls mit unleidlichem Geruch.
Nicht ſo melankoliſch, ſagte Theodor, laßt
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Einleitung.
Wein trinken, und der Raͤſcher iſt laͤcherlich, der
ſeine Zunge durch ununterbrochenes Koſten er-
muͤdet; vom Raucher denkt man billiger, weil
es eben Gewohnheit geworden iſt, die man nicht
mehr beurtheilt, doch begreif' ich es wenigſtens
nicht, wie ſelbſt Frauen jetzt an vielen Orten da-
gegen tolerant werden.
Koͤnnt ihr euch, ſagte Lothar, einen rauchen-
den Apoſtel denken?
Eben ſo wenig, ſagte Ernſt, als den adli-
chen Triſtan mit der Pfeife, oder den hochſtre-
benden Don Quixote.
Dem Sancho aber, ſagte Lothar, fehlt ſie
beinah; haͤtten manche umarbeitende Ueberſetzer
mehr Genie gehabt, ſo haͤtten ſie dieſe lieber
hinzu fuͤgen, als ſo manche Schoͤnheit weglaſſen
duͤrfen.
Vielleicht iſt dieſes Beduͤrfniß, fiel Friedrich
ein, ein Surrogat fuͤr ſo manches verlorne Be-
duͤrfniß, des oͤffentlichen Lebens der Galanterie
der Geſellſchaft, der Freiheit und der Feſte.
Vielleicht ſoll ſich zu Zeiten der Menſch mehr
betaͤuben, und dann iſt es wohl moͤglich, daß
er ſeinen alten verrufenen blauen Dunſt fuͤr ein
wirkliches Gut haͤlt. Nicht bloß Taback, auch
philoſophiſche Phraſen, Syſteme, und manches
andre wird heut zu Tage geraucht, und beſchwert
den Nichtrauchenden ebenfalls mit unleidlichem
Geruch.
Nicht ſo melankoliſch, ſagte Theodor, laßt
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/50>, abgerufen am 24.11.2024.
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