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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Rothkäppchen.
Rothkäppchen.
Großmutterchen, willst du mich lieben
Mußt du mich auch nicht so betrüben.
Du sollst noch recht hübsch bei mir bleiben,
Wir wollen uns noch schön die Zeit vertreiben;
Ein andermal bring ich mein Püppchen mit,
Da sollst du gewiß brav lustig werden.
Großmutter.
Ach, liebes Kind, auf dieser Erden
Ist man vom Grab oft nur zwei Schritt,
Und meint, man soll noch weit gelangen. --
Sieh, wie schön der Kuchen aufgegangen.
Was macht denn der Vater? Warum kömmt er
nicht mal her?
Rothkäppchen.
Er hats in den Beinen, das Gehn wird ihm schwer,
Das eine Knie ist ganz geschwollen.
Großmutter.
Da hätt' er was zu brauchen sollen.
Rothkäppchen.
Er hat auch mancherlei eingenommen,
Doch will es ihm nicht recht bekommen.
Der Kantor meint, vom Trinken käm es,
Das müßt er lassen bei Medicin;
Doch will er sich dazu nicht bequemen,
Er sagt, der Kantor vexire ihn,
Der tränke wohl dreimal mehr als er,
Und hätte doch keine Beine schwer.
Großmutter.
Die bösen Leut'! Der Brantewein
Muß immer ihre erste Freude seyn.

Rothkaͤppchen.
Rothkaͤppchen.
Großmutterchen, willſt du mich lieben
Mußt du mich auch nicht ſo betruͤben.
Du ſollſt noch recht huͤbſch bei mir bleiben,
Wir wollen uns noch ſchoͤn die Zeit vertreiben;
Ein andermal bring ich mein Puͤppchen mit,
Da ſollſt du gewiß brav luſtig werden.
Großmutter.
Ach, liebes Kind, auf dieſer Erden
Iſt man vom Grab oft nur zwei Schritt,
Und meint, man ſoll noch weit gelangen. —
Sieh, wie ſchoͤn der Kuchen aufgegangen.
Was macht denn der Vater? Warum koͤmmt er
nicht mal her?
Rothkaͤppchen.
Er hats in den Beinen, das Gehn wird ihm ſchwer,
Das eine Knie iſt ganz geſchwollen.
Großmutter.
Da haͤtt' er was zu brauchen ſollen.
Rothkaͤppchen.
Er hat auch mancherlei eingenommen,
Doch will es ihm nicht recht bekommen.
Der Kantor meint, vom Trinken kaͤm es,
Das muͤßt er laſſen bei Medicin;
Doch will er ſich dazu nicht bequemen,
Er ſagt, der Kantor vexire ihn,
Der traͤnke wohl dreimal mehr als er,
Und haͤtte doch keine Beine ſchwer.
Großmutter.
Die boͤſen Leut'! Der Brantewein
Muß immer ihre erſte Freude ſeyn.

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[483/0494] Rothkaͤppchen. Rothkaͤppchen. Großmutterchen, willſt du mich lieben Mußt du mich auch nicht ſo betruͤben. Du ſollſt noch recht huͤbſch bei mir bleiben, Wir wollen uns noch ſchoͤn die Zeit vertreiben; Ein andermal bring ich mein Puͤppchen mit, Da ſollſt du gewiß brav luſtig werden. Großmutter. Ach, liebes Kind, auf dieſer Erden Iſt man vom Grab oft nur zwei Schritt, Und meint, man ſoll noch weit gelangen. — Sieh, wie ſchoͤn der Kuchen aufgegangen. Was macht denn der Vater? Warum koͤmmt er nicht mal her? Rothkaͤppchen. Er hats in den Beinen, das Gehn wird ihm ſchwer, Das eine Knie iſt ganz geſchwollen. Großmutter. Da haͤtt' er was zu brauchen ſollen. Rothkaͤppchen. Er hat auch mancherlei eingenommen, Doch will es ihm nicht recht bekommen. Der Kantor meint, vom Trinken kaͤm es, Das muͤßt er laſſen bei Medicin; Doch will er ſich dazu nicht bequemen, Er ſagt, der Kantor vexire ihn, Der traͤnke wohl dreimal mehr als er, Und haͤtte doch keine Beine ſchwer. Großmutter. Die boͤſen Leut'! Der Brantewein Muß immer ihre erſte Freude ſeyn.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/494>, abgerufen am 22.11.2024.