Rothkäppchen. Guten Morgen, lieb Großmutter, wie geht es dir?
Großmutter. Großen Dank, mein Kind, es geht so so -- was matt.
Rothkäppchen. Ich kam so sachtchen durch die Thür; Ich dachte: wenn sie nicht gut geschlafen hat, So mag sie wohl jetzt ein bischen nicken, Da mußt du sie nicht aus dem Schlummer wecken.
Großmutter. Ich bin schon heut früh munter gewesen Und habe in Gottes Wort gelesen.
Rothkäppchen. Du bist recht fromm. Die Mutter hat heut Einen schönen großen Kuchen gebacken, Da schickt sie dir auch ein Stück.
Großmutter. Du liebe Zeit! Ei, Dank, mein Kind! Der schaut recht wacker. Wo sind denn die lieben Eltern dein?
Rothkäppchen. Sie werden jetzt in der Kirche seyn, Ich ging vorbei, die Orgel klung Recht lustig, der Kanter mächtig sung. Mit der Kirch ist es heut besonders bewendt, Es predigt drinn der Superdent, Der Pastor ist noch krank, deswegen Ists heute drinn recht dick voll Leut;
Sie
Zweite Abtheilung.
Rothkaͤppchen tritt herein.
Rothkaͤppchen. Guten Morgen, lieb Großmutter, wie geht es dir?
Großmutter. Großen Dank, mein Kind, es geht ſo ſo — was matt.
Rothkaͤppchen. Ich kam ſo ſachtchen durch die Thuͤr; Ich dachte: wenn ſie nicht gut geſchlafen hat, So mag ſie wohl jetzt ein bischen nicken, Da mußt du ſie nicht aus dem Schlummer wecken.
Großmutter. Ich bin ſchon heut fruͤh munter geweſen Und habe in Gottes Wort geleſen.
Rothkaͤppchen. Du biſt recht fromm. Die Mutter hat heut Einen ſchoͤnen großen Kuchen gebacken, Da ſchickt ſie dir auch ein Stuͤck.
Großmutter. Du liebe Zeit! Ei, Dank, mein Kind! Der ſchaut recht wacker. Wo ſind denn die lieben Eltern dein?
Rothkaͤppchen. Sie werden jetzt in der Kirche ſeyn, Ich ging vorbei, die Orgel klung Recht luſtig, der Kanter maͤchtig ſung. Mit der Kirch iſt es heut beſonders bewendt, Es predigt drinn der Superdent, Der Paſtor iſt noch krank, deswegen Iſts heute drinn recht dick voll Leut;
Sie
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Zweite Abtheilung.
Rothkaͤppchen tritt herein.
Rothkaͤppchen.
Guten Morgen, lieb Großmutter, wie geht es dir?
Großmutter.
Großen Dank, mein Kind, es geht ſo ſo — was
matt.
Rothkaͤppchen.
Ich kam ſo ſachtchen durch die Thuͤr;
Ich dachte: wenn ſie nicht gut geſchlafen hat,
So mag ſie wohl jetzt ein bischen nicken,
Da mußt du ſie nicht aus dem Schlummer wecken.
Großmutter.
Ich bin ſchon heut fruͤh munter geweſen
Und habe in Gottes Wort geleſen.
Rothkaͤppchen.
Du biſt recht fromm. Die Mutter hat heut
Einen ſchoͤnen großen Kuchen gebacken,
Da ſchickt ſie dir auch ein Stuͤck.
Großmutter.
Du liebe Zeit!
Ei, Dank, mein Kind! Der ſchaut recht wacker.
Wo ſind denn die lieben Eltern dein?
Rothkaͤppchen.
Sie werden jetzt in der Kirche ſeyn,
Ich ging vorbei, die Orgel klung
Recht luſtig, der Kanter maͤchtig ſung.
Mit der Kirch iſt es heut beſonders bewendt,
Es predigt drinn der Superdent,
Der Paſtor iſt noch krank, deswegen
Iſts heute drinn recht dick voll Leut;
Sie
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/491>, abgerufen am 16.02.2025.
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