um dies Unkraut mit manchen andern Leiden zu uns herüber zu holen.
Wie einige Züge im Gesicht durch die Pfeife entstehn, sagte Lothar, so werden die feinsten des Witzes und gutmüthigen Spottes, so wie die Grazie die Lippen durchaus, durch die oft angelegte Pfeife vernichtet.
Ich ließe noch die kalte Pfeife gelten, sagte Ernst, so hielt sich einer meiner Freunde eine von Thon, um sie in der gemüthlichsten Stim- mung zuweilen in den Mund zu nehmen, und dann recht nach seiner Laune zu sprechen; aber der böse, beizende, übel riechende Rauch macht das Ding fatal. Ich lernte einmal einen Mann kennen, der mir sehr interessant war, und der sich auch in meiner Gesellschaft zu gefallen schien, wir sprachen viel mit einander, endlich, um uns recht genießen zu können, zog er mich in sein Zimmer, ließ sich aber beigehn, zu größerer Ver- traulichkeit seine Pfeife anzuzünden, und von diesem Augenblick konnte ich weder recht hören und begreifen, was er vortrug, noch weniger aber war ich im Stande, eine eigne Meinung zu haben, oder nur etwas anders als Flüche auf den Rauch in meinem Herzen zu denken, -- "nicht laute, aber tiefe" -- wie Macbeth sagt.
Lothar lachte: mit einem trostlosen Liebha- ber, fuhr er fort, ist es mir einmal noch schlim- mer ergangen, er hatte mich hingerissen und ge- rührt; bei einer kleinen Ruhestelle der Klage
Einleitung.
um dies Unkraut mit manchen andern Leiden zu uns heruͤber zu holen.
Wie einige Zuͤge im Geſicht durch die Pfeife entſtehn, ſagte Lothar, ſo werden die feinſten des Witzes und gutmuͤthigen Spottes, ſo wie die Grazie die Lippen durchaus, durch die oft angelegte Pfeife vernichtet.
Ich ließe noch die kalte Pfeife gelten, ſagte Ernſt, ſo hielt ſich einer meiner Freunde eine von Thon, um ſie in der gemuͤthlichſten Stim- mung zuweilen in den Mund zu nehmen, und dann recht nach ſeiner Laune zu ſprechen; aber der boͤſe, beizende, uͤbel riechende Rauch macht das Ding fatal. Ich lernte einmal einen Mann kennen, der mir ſehr intereſſant war, und der ſich auch in meiner Geſellſchaft zu gefallen ſchien, wir ſprachen viel mit einander, endlich, um uns recht genießen zu koͤnnen, zog er mich in ſein Zimmer, ließ ſich aber beigehn, zu groͤßerer Ver- traulichkeit ſeine Pfeife anzuzuͤnden, und von dieſem Augenblick konnte ich weder recht hoͤren und begreifen, was er vortrug, noch weniger aber war ich im Stande, eine eigne Meinung zu haben, oder nur etwas anders als Fluͤche auf den Rauch in meinem Herzen zu denken, — „nicht laute, aber tiefe“ — wie Macbeth ſagt.
Lothar lachte: mit einem troſtloſen Liebha- ber, fuhr er fort, iſt es mir einmal noch ſchlim- mer ergangen, er hatte mich hingeriſſen und ge- ruͤhrt; bei einer kleinen Ruheſtelle der Klage
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="37"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
um dies Unkraut mit manchen andern Leiden<lb/>
zu uns heruͤber zu holen.</p><lb/><p>Wie einige Zuͤge im Geſicht durch die Pfeife<lb/>
entſtehn, ſagte Lothar, ſo werden die feinſten<lb/>
des Witzes und gutmuͤthigen Spottes, ſo wie<lb/>
die Grazie die Lippen durchaus, durch die oft<lb/>
angelegte Pfeife vernichtet.</p><lb/><p>Ich ließe noch die kalte Pfeife gelten, ſagte<lb/>
Ernſt, ſo hielt ſich einer meiner Freunde eine<lb/>
von Thon, um ſie in der gemuͤthlichſten Stim-<lb/>
mung zuweilen in den Mund zu nehmen, und<lb/>
dann recht nach ſeiner Laune zu ſprechen; aber<lb/>
der boͤſe, beizende, uͤbel riechende Rauch macht<lb/>
das Ding fatal. Ich lernte einmal einen Mann<lb/>
kennen, der mir ſehr intereſſant war, und der<lb/>ſich auch in meiner Geſellſchaft zu gefallen ſchien,<lb/>
wir ſprachen viel mit einander, endlich, um uns<lb/>
recht genießen zu koͤnnen, zog er mich in ſein<lb/>
Zimmer, ließ ſich aber beigehn, zu groͤßerer Ver-<lb/>
traulichkeit ſeine Pfeife anzuzuͤnden, und von<lb/>
dieſem Augenblick konnte ich weder recht hoͤren<lb/>
und begreifen, was er vortrug, noch weniger<lb/>
aber war ich im Stande, eine eigne Meinung<lb/>
zu haben, oder nur etwas anders als Fluͤche auf<lb/>
den Rauch in meinem Herzen zu denken, —„nicht<lb/>
laute, aber tiefe“— wie Macbeth ſagt.</p><lb/><p>Lothar lachte: mit einem troſtloſen Liebha-<lb/>
ber, fuhr er fort, iſt es mir einmal noch ſchlim-<lb/>
mer ergangen, er hatte mich hingeriſſen und ge-<lb/>
ruͤhrt; bei einer kleinen Ruheſtelle der Klage<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0048]
Einleitung.
um dies Unkraut mit manchen andern Leiden
zu uns heruͤber zu holen.
Wie einige Zuͤge im Geſicht durch die Pfeife
entſtehn, ſagte Lothar, ſo werden die feinſten
des Witzes und gutmuͤthigen Spottes, ſo wie
die Grazie die Lippen durchaus, durch die oft
angelegte Pfeife vernichtet.
Ich ließe noch die kalte Pfeife gelten, ſagte
Ernſt, ſo hielt ſich einer meiner Freunde eine
von Thon, um ſie in der gemuͤthlichſten Stim-
mung zuweilen in den Mund zu nehmen, und
dann recht nach ſeiner Laune zu ſprechen; aber
der boͤſe, beizende, uͤbel riechende Rauch macht
das Ding fatal. Ich lernte einmal einen Mann
kennen, der mir ſehr intereſſant war, und der
ſich auch in meiner Geſellſchaft zu gefallen ſchien,
wir ſprachen viel mit einander, endlich, um uns
recht genießen zu koͤnnen, zog er mich in ſein
Zimmer, ließ ſich aber beigehn, zu groͤßerer Ver-
traulichkeit ſeine Pfeife anzuzuͤnden, und von
dieſem Augenblick konnte ich weder recht hoͤren
und begreifen, was er vortrug, noch weniger
aber war ich im Stande, eine eigne Meinung
zu haben, oder nur etwas anders als Fluͤche auf
den Rauch in meinem Herzen zu denken, — „nicht
laute, aber tiefe“ — wie Macbeth ſagt.
Lothar lachte: mit einem troſtloſen Liebha-
ber, fuhr er fort, iſt es mir einmal noch ſchlim-
mer ergangen, er hatte mich hingeriſſen und ge-
ruͤhrt; bei einer kleinen Ruheſtelle der Klage
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/48>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.