Mutter, seit Jahren ist sie ja fast nur zur Pol- terkammer gebraucht.
Prächtig ist sie hergestellt, sagte Leopold, und der Freund, für den sie bestimmt ist, sieht auch auf dergleichen nicht, dem ist es nur um unsre Liebe zu thun; auch hat er keine Frau und befin- det sich gern in der Einsamkeit, so daß sie ihm gerade recht sein wird. Wir haben Mühe genug gehabt, ihm zuzureden und ihn wieder unter Men- schen zu bringen.
Doch wohl nicht euer trauriger Goldmacher und Geisterbanner? fragte Agathe.
Kein andrer als der, erwiederte der Bräuti- gam, wenn Sie ihn einmal so nennen wollen.
Dann erlauben Sie es nur nicht, liebe Mut- ter, fuhr die Schwester fort; was soll ein solcher Mann in unserm Hause? Ich habe ihn einigemal mit Leopold über die Straße gehen sehn, und mir ist vor seinem Gesicht bange geworden; auch be- sucht der alte Sünder fast niemals die Kirche, er liebt weder Gott noch Menschen, und es bringt keinen Seegen, dergleichen Ungläubige bei so fei- erlicher Gelegenheit unter das Dach einzuführen. Wer weiß, was daraus entstehn kann!
Wie du nun sprichst! sagte Leopold erzürnt, weil du ihn nicht kennst so verurtheilst du ihn, und weil dir seine Nase nicht gefällt, und er auch nicht mehr jung und reizend ist, so muß er, dei- nem Sinne nach, ein Geisterbanner und verruch- ter Mensch seyn.
Gewähren Sie, theure Mutter, sagte der
Erſte Abtheilung.
Mutter, ſeit Jahren iſt ſie ja faſt nur zur Pol- terkammer gebraucht.
Praͤchtig iſt ſie hergeſtellt, ſagte Leopold, und der Freund, fuͤr den ſie beſtimmt iſt, ſieht auch auf dergleichen nicht, dem iſt es nur um unſre Liebe zu thun; auch hat er keine Frau und befin- det ſich gern in der Einſamkeit, ſo daß ſie ihm gerade recht ſein wird. Wir haben Muͤhe genug gehabt, ihm zuzureden und ihn wieder unter Men- ſchen zu bringen.
Doch wohl nicht euer trauriger Goldmacher und Geiſterbanner? fragte Agathe.
Kein andrer als der, erwiederte der Braͤuti- gam, wenn Sie ihn einmal ſo nennen wollen.
Dann erlauben Sie es nur nicht, liebe Mut- ter, fuhr die Schweſter fort; was ſoll ein ſolcher Mann in unſerm Hauſe? Ich habe ihn einigemal mit Leopold uͤber die Straße gehen ſehn, und mir iſt vor ſeinem Geſicht bange geworden; auch be- ſucht der alte Suͤnder faſt niemals die Kirche, er liebt weder Gott noch Menſchen, und es bringt keinen Seegen, dergleichen Unglaͤubige bei ſo fei- erlicher Gelegenheit unter das Dach einzufuͤhren. Wer weiß, was daraus entſtehn kann!
Wie du nun ſprichſt! ſagte Leopold erzuͤrnt, weil du ihn nicht kennſt ſo verurtheilſt du ihn, und weil dir ſeine Naſe nicht gefaͤllt, und er auch nicht mehr jung und reizend iſt, ſo muß er, dei- nem Sinne nach, ein Geiſterbanner und verruch- ter Menſch ſeyn.
Gewaͤhren Sie, theure Mutter, ſagte der
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Erſte Abtheilung.
Mutter, ſeit Jahren iſt ſie ja faſt nur zur Pol-
terkammer gebraucht.
Praͤchtig iſt ſie hergeſtellt, ſagte Leopold, und
der Freund, fuͤr den ſie beſtimmt iſt, ſieht auch
auf dergleichen nicht, dem iſt es nur um unſre
Liebe zu thun; auch hat er keine Frau und befin-
det ſich gern in der Einſamkeit, ſo daß ſie ihm
gerade recht ſein wird. Wir haben Muͤhe genug
gehabt, ihm zuzureden und ihn wieder unter Men-
ſchen zu bringen.
Doch wohl nicht euer trauriger Goldmacher
und Geiſterbanner? fragte Agathe.
Kein andrer als der, erwiederte der Braͤuti-
gam, wenn Sie ihn einmal ſo nennen wollen.
Dann erlauben Sie es nur nicht, liebe Mut-
ter, fuhr die Schweſter fort; was ſoll ein ſolcher
Mann in unſerm Hauſe? Ich habe ihn einigemal
mit Leopold uͤber die Straße gehen ſehn, und mir
iſt vor ſeinem Geſicht bange geworden; auch be-
ſucht der alte Suͤnder faſt niemals die Kirche, er
liebt weder Gott noch Menſchen, und es bringt
keinen Seegen, dergleichen Unglaͤubige bei ſo fei-
erlicher Gelegenheit unter das Dach einzufuͤhren.
Wer weiß, was daraus entſtehn kann!
Wie du nun ſprichſt! ſagte Leopold erzuͤrnt,
weil du ihn nicht kennſt ſo verurtheilſt du ihn,
und weil dir ſeine Naſe nicht gefaͤllt, und er auch
nicht mehr jung und reizend iſt, ſo muß er, dei-
nem Sinne nach, ein Geiſterbanner und verruch-
ter Menſch ſeyn.
Gewaͤhren Sie, theure Mutter, ſagte der
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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