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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die Elfen.
Brigitte in demselben Hause, welches geräumig
genug war, und halfen den Eltern die ausgebrei-
tete Wirthschaft führen. Die kleine Elfriede zeigte
bald besondere Fähigkeiten und Anlagen, denn sie
lief sehr früh, und konnte alles sprechen, als sie
noch kein Jahr alt war; nach einigen Jahren aber
war sie so klug und sinnig, und von so wunder-
barer Schönheit, daß alle Menschen sie mit Er-
staunen betrachteten, und ihre Mutter sich nicht
der Meinung erwehren konnte, sie sehe jenen glän-
zenden Kindern im Tannengrunde ähnlich. Elfriede
hielt sich nicht gern zu andern Kindern, sondern
vermied bis zur Aengstlichkeit ihre geräuschvollen
Spiele, und war am liebsten allein. Dann zog sie
sich in eine Ecke des Gartens zurück, und las oder
arbeitete eifrig am kleinen Nähzeuge; oft sah man
sie auch wie tief in sich versunken sitzen, oder daß
sie in den Gängen heftig auf und nieder ging und
mit sich selber sprach. Die beiden Eltern ließen
sie gern gewähren, weil sie gesund war und ge-
dieh, nur machten sie die seltsamen verständigen
Antworten oder Bemerkungen oft besorgt. So
kluge Kinder, sagte die Großmutter Brigitte viel-
mals, werden nicht alt, sie sind zu gut für diese
Welt, auch ist das Kind über die Natur schön, und
wird sich auf Erden nicht zurecht finden können.

Die Kleine hatte die Eigenheit, daß sie sich
höchst ungern bedienen ließ, alles wollte sie selber
machen. Sie war fast die früheste auf im Hause,
und wusch sich sorgfältig und kleidete sich selber
an; eben so sorgsam war sie am Abend, sie ach-

Die Elfen.
Brigitte in demſelben Hauſe, welches geraͤumig
genug war, und halfen den Eltern die ausgebrei-
tete Wirthſchaft fuͤhren. Die kleine Elfriede zeigte
bald beſondere Faͤhigkeiten und Anlagen, denn ſie
lief ſehr fruͤh, und konnte alles ſprechen, als ſie
noch kein Jahr alt war; nach einigen Jahren aber
war ſie ſo klug und ſinnig, und von ſo wunder-
barer Schoͤnheit, daß alle Menſchen ſie mit Er-
ſtaunen betrachteten, und ihre Mutter ſich nicht
der Meinung erwehren konnte, ſie ſehe jenen glaͤn-
zenden Kindern im Tannengrunde aͤhnlich. Elfriede
hielt ſich nicht gern zu andern Kindern, ſondern
vermied bis zur Aengſtlichkeit ihre geraͤuſchvollen
Spiele, und war am liebſten allein. Dann zog ſie
ſich in eine Ecke des Gartens zuruͤck, und las oder
arbeitete eifrig am kleinen Naͤhzeuge; oft ſah man
ſie auch wie tief in ſich verſunken ſitzen, oder daß
ſie in den Gaͤngen heftig auf und nieder ging und
mit ſich ſelber ſprach. Die beiden Eltern ließen
ſie gern gewaͤhren, weil ſie geſund war und ge-
dieh, nur machten ſie die ſeltſamen verſtaͤndigen
Antworten oder Bemerkungen oft beſorgt. So
kluge Kinder, ſagte die Großmutter Brigitte viel-
mals, werden nicht alt, ſie ſind zu gut fuͤr dieſe
Welt, auch iſt das Kind uͤber die Natur ſchoͤn, und
wird ſich auf Erden nicht zurecht finden koͤnnen.

Die Kleine hatte die Eigenheit, daß ſie ſich
hoͤchſt ungern bedienen ließ, alles wollte ſie ſelber
machen. Sie war faſt die fruͤheſte auf im Hauſe,
und wuſch ſich ſorgfaͤltig und kleidete ſich ſelber
an; eben ſo ſorgſam war ſie am Abend, ſie ach-

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[421/0432] Die Elfen. Brigitte in demſelben Hauſe, welches geraͤumig genug war, und halfen den Eltern die ausgebrei- tete Wirthſchaft fuͤhren. Die kleine Elfriede zeigte bald beſondere Faͤhigkeiten und Anlagen, denn ſie lief ſehr fruͤh, und konnte alles ſprechen, als ſie noch kein Jahr alt war; nach einigen Jahren aber war ſie ſo klug und ſinnig, und von ſo wunder- barer Schoͤnheit, daß alle Menſchen ſie mit Er- ſtaunen betrachteten, und ihre Mutter ſich nicht der Meinung erwehren konnte, ſie ſehe jenen glaͤn- zenden Kindern im Tannengrunde aͤhnlich. Elfriede hielt ſich nicht gern zu andern Kindern, ſondern vermied bis zur Aengſtlichkeit ihre geraͤuſchvollen Spiele, und war am liebſten allein. Dann zog ſie ſich in eine Ecke des Gartens zuruͤck, und las oder arbeitete eifrig am kleinen Naͤhzeuge; oft ſah man ſie auch wie tief in ſich verſunken ſitzen, oder daß ſie in den Gaͤngen heftig auf und nieder ging und mit ſich ſelber ſprach. Die beiden Eltern ließen ſie gern gewaͤhren, weil ſie geſund war und ge- dieh, nur machten ſie die ſeltſamen verſtaͤndigen Antworten oder Bemerkungen oft beſorgt. So kluge Kinder, ſagte die Großmutter Brigitte viel- mals, werden nicht alt, ſie ſind zu gut fuͤr dieſe Welt, auch iſt das Kind uͤber die Natur ſchoͤn, und wird ſich auf Erden nicht zurecht finden koͤnnen. Die Kleine hatte die Eigenheit, daß ſie ſich hoͤchſt ungern bedienen ließ, alles wollte ſie ſelber machen. Sie war faſt die fruͤheſte auf im Hauſe, und wuſch ſich ſorgfaͤltig und kleidete ſich ſelber an; eben ſo ſorgſam war ſie am Abend, ſie ach-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/432>, abgerufen am 22.11.2024.