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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
fen ihnen die Kinder entgegen; alles eilte in den
Saal. Sie sahen indem schon, wie Jung und
Alt sich über die Schwelle drängte, alle jauchzten
und von innen scholl eine jubilirende Musik heraus.
Als sie hinein getreten waren, sahen sie die große
Rundung von den mannigfaltigsten Gestalten ange-
füllt, und alle schauten nach einem großen Vogel
hinauf, der in der Kuppel mit glänzendem Gefie-
der langsam fliegend vielfache Kreise beschrieb. Die
Musik klang fröhlicher als sonst, die Farben und
Lichter wechselten schneller. Endlich schwieg die
Musik, und der Vogel schwang sich rauschend auf
eine glänzende Krone, die unter dem hohen Fenster
schwebte, welches von oben die Wölbung erleuch-
tete. Sein Gefieder war purpurn und grün, durch
welches sich die glänzendsten goldenen Streifen zo-
gen, auf seinem Haupte bewegte sich ein Diadem
von so hellleuchtenden kleinen Federn, daß sie wie
Edelgesteine blitzten. Der Schnabel war roth und
die Beine glänzend blau. Wie er sich regte, schim-
merten alle Farben durcheinander, und das Auge
war entzückt. Seine Größe war die eines Adlers.
Aber jetzt eröffnete er den leuchtenden Schnabel,
und so süße Melodie quoll aus seiner bewegten
Brust, in schönern Tönen, als die der liebesbrün-
stigen Nachtigall; mächtiger zog der Gesang und
goß sich wie Lichtstrahlen aus, so daß alle, bis
auf die kleinsten Kinder selbst, vor Freuden und
Entzückungen weinen mußten. Als er geendigt
hatte, neigten sich alle vor ihm, er umflog wieder
in Kreisen die Wölbung, schoß dann durch die

Erſte Abtheilung.
fen ihnen die Kinder entgegen; alles eilte in den
Saal. Sie ſahen indem ſchon, wie Jung und
Alt ſich uͤber die Schwelle draͤngte, alle jauchzten
und von innen ſcholl eine jubilirende Muſik heraus.
Als ſie hinein getreten waren, ſahen ſie die große
Rundung von den mannigfaltigſten Geſtalten ange-
fuͤllt, und alle ſchauten nach einem großen Vogel
hinauf, der in der Kuppel mit glaͤnzendem Gefie-
der langſam fliegend vielfache Kreiſe beſchrieb. Die
Muſik klang froͤhlicher als ſonſt, die Farben und
Lichter wechſelten ſchneller. Endlich ſchwieg die
Muſik, und der Vogel ſchwang ſich rauſchend auf
eine glaͤnzende Krone, die unter dem hohen Fenſter
ſchwebte, welches von oben die Woͤlbung erleuch-
tete. Sein Gefieder war purpurn und gruͤn, durch
welches ſich die glaͤnzendſten goldenen Streifen zo-
gen, auf ſeinem Haupte bewegte ſich ein Diadem
von ſo hellleuchtenden kleinen Federn, daß ſie wie
Edelgeſteine blitzten. Der Schnabel war roth und
die Beine glaͤnzend blau. Wie er ſich regte, ſchim-
merten alle Farben durcheinander, und das Auge
war entzuͤckt. Seine Groͤße war die eines Adlers.
Aber jetzt eroͤffnete er den leuchtenden Schnabel,
und ſo ſuͤße Melodie quoll aus ſeiner bewegten
Bruſt, in ſchoͤnern Toͤnen, als die der liebesbruͤn-
ſtigen Nachtigall; maͤchtiger zog der Geſang und
goß ſich wie Lichtſtrahlen aus, ſo daß alle, bis
auf die kleinſten Kinder ſelbſt, vor Freuden und
Entzuͤckungen weinen mußten. Als er geendigt
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[414/0425] Erſte Abtheilung. fen ihnen die Kinder entgegen; alles eilte in den Saal. Sie ſahen indem ſchon, wie Jung und Alt ſich uͤber die Schwelle draͤngte, alle jauchzten und von innen ſcholl eine jubilirende Muſik heraus. Als ſie hinein getreten waren, ſahen ſie die große Rundung von den mannigfaltigſten Geſtalten ange- fuͤllt, und alle ſchauten nach einem großen Vogel hinauf, der in der Kuppel mit glaͤnzendem Gefie- der langſam fliegend vielfache Kreiſe beſchrieb. Die Muſik klang froͤhlicher als ſonſt, die Farben und Lichter wechſelten ſchneller. Endlich ſchwieg die Muſik, und der Vogel ſchwang ſich rauſchend auf eine glaͤnzende Krone, die unter dem hohen Fenſter ſchwebte, welches von oben die Woͤlbung erleuch- tete. Sein Gefieder war purpurn und gruͤn, durch welches ſich die glaͤnzendſten goldenen Streifen zo- gen, auf ſeinem Haupte bewegte ſich ein Diadem von ſo hellleuchtenden kleinen Federn, daß ſie wie Edelgeſteine blitzten. Der Schnabel war roth und die Beine glaͤnzend blau. Wie er ſich regte, ſchim- merten alle Farben durcheinander, und das Auge war entzuͤckt. Seine Groͤße war die eines Adlers. Aber jetzt eroͤffnete er den leuchtenden Schnabel, und ſo ſuͤße Melodie quoll aus ſeiner bewegten Bruſt, in ſchoͤnern Toͤnen, als die der liebesbruͤn- ſtigen Nachtigall; maͤchtiger zog der Geſang und goß ſich wie Lichtſtrahlen aus, ſo daß alle, bis auf die kleinſten Kinder ſelbſt, vor Freuden und Entzuͤckungen weinen mußten. Als er geendigt hatte, neigten ſich alle vor ihm, er umflog wieder in Kreiſen die Woͤlbung, ſchoß dann durch die

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/425>, abgerufen am 25.11.2024.