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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die Elfen.
das muntere muthige Kind auf den Steg, rasch
an den kleinen Hund vorüber, der still ward und
sich an ihr schmeichelte, und nun stand sie im
Grunde, und rund umher verdeckten die schwarzen
Tannen die Aussicht nach ihrem elterlichen Hause
und der übrigen Landschaft.

Aber wie war sie verwundert. Der bunteste,
fröhlichste Blumengarten umgab sie, in welchem
Tulpen, Rosen und Lilien mit den herrlichsten Far-
ben leuchteten, blaue und goldrothe Schmetterlinge
wiegten sich in den Blüten, in Käfigen aus glän-
zendem Drath hingen an den Spalieren vielfar-
bige Vögel, die herrliche Lieder sangen, und Kin-
der in weißen kurzen Röckchen, mit gelockten gel-
ben Haaren und hellen Augen, sprangen umher,
einige spielten mit kleinen Lämmern, andere füt-
terten die Vögel, oder sie sammelten Blumen
und schenkten sie einander, andere wieder aßen
Kirschen, Weintrauben und röthliche Aprikosen.
Keine Hütte war zu sehn, aber wohl stand ein
großes schönes Haus mit eherner Thür und erha-
benem Bildwerk leuchtend in der Mitte des Rau-
mes. Marie war vor Erstaunen außer sich und
wußte sich nicht zu finden, da sie aber nicht blöde
war, ging sie gleich zum ersten Kinde, reichte ihm
die Hand und bot ihm guten Tag. Kommst du
uns auch einmal zu besuchen? sagte das glänzende
Kind; ich habe dich draußen rennen und springen
sehn, aber vor unserm Hündchen hast du dich ge-
fürchtet. -- So seid ihr wohl keine Zigeuner und
Spitzbuben, sagte Marie, wie Andres immer

Die Elfen.
das muntere muthige Kind auf den Steg, raſch
an den kleinen Hund voruͤber, der ſtill ward und
ſich an ihr ſchmeichelte, und nun ſtand ſie im
Grunde, und rund umher verdeckten die ſchwarzen
Tannen die Ausſicht nach ihrem elterlichen Hauſe
und der uͤbrigen Landſchaft.

Aber wie war ſie verwundert. Der bunteſte,
froͤhlichſte Blumengarten umgab ſie, in welchem
Tulpen, Roſen und Lilien mit den herrlichſten Far-
ben leuchteten, blaue und goldrothe Schmetterlinge
wiegten ſich in den Bluͤten, in Kaͤfigen aus glaͤn-
zendem Drath hingen an den Spalieren vielfar-
bige Voͤgel, die herrliche Lieder ſangen, und Kin-
der in weißen kurzen Roͤckchen, mit gelockten gel-
ben Haaren und hellen Augen, ſprangen umher,
einige ſpielten mit kleinen Laͤmmern, andere fuͤt-
terten die Voͤgel, oder ſie ſammelten Blumen
und ſchenkten ſie einander, andere wieder aßen
Kirſchen, Weintrauben und roͤthliche Aprikoſen.
Keine Huͤtte war zu ſehn, aber wohl ſtand ein
großes ſchoͤnes Haus mit eherner Thuͤr und erha-
benem Bildwerk leuchtend in der Mitte des Rau-
mes. Marie war vor Erſtaunen außer ſich und
wußte ſich nicht zu finden, da ſie aber nicht bloͤde
war, ging ſie gleich zum erſten Kinde, reichte ihm
die Hand und bot ihm guten Tag. Kommſt du
uns auch einmal zu beſuchen? ſagte das glaͤnzende
Kind; ich habe dich draußen rennen und ſpringen
ſehn, aber vor unſerm Huͤndchen haſt du dich ge-
fuͤrchtet. — So ſeid ihr wohl keine Zigeuner und
Spitzbuben, ſagte Marie, wie Andres immer

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[405/0416] Die Elfen. das muntere muthige Kind auf den Steg, raſch an den kleinen Hund voruͤber, der ſtill ward und ſich an ihr ſchmeichelte, und nun ſtand ſie im Grunde, und rund umher verdeckten die ſchwarzen Tannen die Ausſicht nach ihrem elterlichen Hauſe und der uͤbrigen Landſchaft. Aber wie war ſie verwundert. Der bunteſte, froͤhlichſte Blumengarten umgab ſie, in welchem Tulpen, Roſen und Lilien mit den herrlichſten Far- ben leuchteten, blaue und goldrothe Schmetterlinge wiegten ſich in den Bluͤten, in Kaͤfigen aus glaͤn- zendem Drath hingen an den Spalieren vielfar- bige Voͤgel, die herrliche Lieder ſangen, und Kin- der in weißen kurzen Roͤckchen, mit gelockten gel- ben Haaren und hellen Augen, ſprangen umher, einige ſpielten mit kleinen Laͤmmern, andere fuͤt- terten die Voͤgel, oder ſie ſammelten Blumen und ſchenkten ſie einander, andere wieder aßen Kirſchen, Weintrauben und roͤthliche Aprikoſen. Keine Huͤtte war zu ſehn, aber wohl ſtand ein großes ſchoͤnes Haus mit eherner Thuͤr und erha- benem Bildwerk leuchtend in der Mitte des Rau- mes. Marie war vor Erſtaunen außer ſich und wußte ſich nicht zu finden, da ſie aber nicht bloͤde war, ging ſie gleich zum erſten Kinde, reichte ihm die Hand und bot ihm guten Tag. Kommſt du uns auch einmal zu beſuchen? ſagte das glaͤnzende Kind; ich habe dich draußen rennen und ſpringen ſehn, aber vor unſerm Huͤndchen haſt du dich ge- fuͤrchtet. — So ſeid ihr wohl keine Zigeuner und Spitzbuben, ſagte Marie, wie Andres immer

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/416>, abgerufen am 25.11.2024.