Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Die Elfen. Wirthschaftsgebäude, nur selten sah man Rauchdort aufsteigen, noch seltener wurde man Men- schen gewahr; jezuweilen hatten Neugierige, die sich etwas näher gewagt, auf der Bank vor der Hütte einige abscheuliche Weiber in zerlumptem Anzuge wahrgenommen, auf deren Schooß eben so häß- liche und schmutzige Kinder sich wälzten; schwarze Hunde liefen vor dem Reviere, in Abendstunden ging wohl ein ungeheurer Mann, den Niemand kannte, über den Steg des Baches und verlor sich in die Hütte hinein; dann sah man in der Finsterniß sich verschiedene Gestalten, wie Schatten um ein ländliches Feuer bewegen. Dieser Grund, die Tannen und die verfallene Hütte machten wirk- lich in der heitern grünen Landschaft, gegen die weißen Häuser des Dorfes und gegen das prächtige neue Schloß den sonderbarsten Abstich. Die beiden Kinder hatten jetzt die Früchte ver- Die Elfen. Wirthſchaftsgebaͤude, nur ſelten ſah man Rauchdort aufſteigen, noch ſeltener wurde man Men- ſchen gewahr; jezuweilen hatten Neugierige, die ſich etwas naͤher gewagt, auf der Bank vor der Huͤtte einige abſcheuliche Weiber in zerlumptem Anzuge wahrgenommen, auf deren Schooß eben ſo haͤß- liche und ſchmutzige Kinder ſich waͤlzten; ſchwarze Hunde liefen vor dem Reviere, in Abendſtunden ging wohl ein ungeheurer Mann, den Niemand kannte, uͤber den Steg des Baches und verlor ſich in die Huͤtte hinein; dann ſah man in der Finſterniß ſich verſchiedene Geſtalten, wie Schatten um ein laͤndliches Feuer bewegen. Dieſer Grund, die Tannen und die verfallene Huͤtte machten wirk- lich in der heitern gruͤnen Landſchaft, gegen die weißen Haͤuſer des Dorfes und gegen das praͤchtige neue Schloß den ſonderbarſten Abſtich. Die beiden Kinder hatten jetzt die Fruͤchte ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0414" n="403"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Elfen</hi>.</fw><lb/> Wirthſchaftsgebaͤude, nur ſelten ſah man Rauch<lb/> dort aufſteigen, noch ſeltener wurde man Men-<lb/> ſchen gewahr; jezuweilen hatten Neugierige, die<lb/> ſich etwas naͤher gewagt, auf der Bank vor der Huͤtte<lb/> einige abſcheuliche Weiber in zerlumptem Anzuge<lb/> wahrgenommen, auf deren Schooß eben ſo haͤß-<lb/> liche und ſchmutzige Kinder ſich waͤlzten; ſchwarze<lb/> Hunde liefen vor dem Reviere, in Abendſtunden<lb/> ging wohl ein ungeheurer Mann, den Niemand<lb/> kannte, uͤber den Steg des Baches und verlor<lb/> ſich in die Huͤtte hinein; dann ſah man in der<lb/> Finſterniß ſich verſchiedene Geſtalten, wie Schatten<lb/> um ein laͤndliches Feuer bewegen. Dieſer Grund,<lb/> die Tannen und die verfallene Huͤtte machten wirk-<lb/> lich in der heitern gruͤnen Landſchaft, gegen die<lb/> weißen Haͤuſer des Dorfes und gegen das praͤchtige<lb/> neue Schloß den ſonderbarſten Abſtich.</p><lb/> <p>Die beiden Kinder hatten jetzt die Fruͤchte ver-<lb/> zehrt; ſie verfielen darauf, in die Wette zu laufen,<lb/> und die kleine behende Marie gewann dem lang-<lb/> ſameren Andres immer den Vorſprung ab. So<lb/> iſt es keine Kunſt! rief dieſer endlich aus; aber laß<lb/> es uns einmal in die Weite verſuchen, dann wol-<lb/> len wir ſehen, wer gewinnt! Wie du willſt, ſagte<lb/> die Kleine, nur nach dem Strome duͤrfen wir<lb/> nicht laufen. Nein, erwiederte Andres, aber dort<lb/> auf jenem Huͤgel ſteht der große Birnbaum, eine<lb/> Viertelſtunde von hier, ich laufe hier links um<lb/> den Tannengrund vorbei, du kannſt rechts in das<lb/> Feld hinein rennen, daß wir nicht eher als oben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [403/0414]
Die Elfen.
Wirthſchaftsgebaͤude, nur ſelten ſah man Rauch
dort aufſteigen, noch ſeltener wurde man Men-
ſchen gewahr; jezuweilen hatten Neugierige, die
ſich etwas naͤher gewagt, auf der Bank vor der Huͤtte
einige abſcheuliche Weiber in zerlumptem Anzuge
wahrgenommen, auf deren Schooß eben ſo haͤß-
liche und ſchmutzige Kinder ſich waͤlzten; ſchwarze
Hunde liefen vor dem Reviere, in Abendſtunden
ging wohl ein ungeheurer Mann, den Niemand
kannte, uͤber den Steg des Baches und verlor
ſich in die Huͤtte hinein; dann ſah man in der
Finſterniß ſich verſchiedene Geſtalten, wie Schatten
um ein laͤndliches Feuer bewegen. Dieſer Grund,
die Tannen und die verfallene Huͤtte machten wirk-
lich in der heitern gruͤnen Landſchaft, gegen die
weißen Haͤuſer des Dorfes und gegen das praͤchtige
neue Schloß den ſonderbarſten Abſtich.
Die beiden Kinder hatten jetzt die Fruͤchte ver-
zehrt; ſie verfielen darauf, in die Wette zu laufen,
und die kleine behende Marie gewann dem lang-
ſameren Andres immer den Vorſprung ab. So
iſt es keine Kunſt! rief dieſer endlich aus; aber laß
es uns einmal in die Weite verſuchen, dann wol-
len wir ſehen, wer gewinnt! Wie du willſt, ſagte
die Kleine, nur nach dem Strome duͤrfen wir
nicht laufen. Nein, erwiederte Andres, aber dort
auf jenem Huͤgel ſteht der große Birnbaum, eine
Viertelſtunde von hier, ich laufe hier links um
den Tannengrund vorbei, du kannſt rechts in das
Feld hinein rennen, daß wir nicht eher als oben
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