ihm ein Unglück vorhersagte. Er betrachtete mit thränenden Blicken das Blumenlabyrinth um sich her, und es war ihm ein Ergötzen, die Blumen in seiner Einbildung so zu ordnen, daß sie den Na- menszug Magelonens ausdrückten. Dann horchte er auf das lispelnde Gras, das ihm etwas zu sa- gen schien, auf die Blüten, die sich oft zärtlich zu einander neigten, als wenn sie ein herzliches Gespräch von Liebe führen wollten. In der gan- zen Natur sah er liebevolle Eintracht, und jedes Geräusch klang seinem Ohre wie ein melodischer Gesang. Darüber verlor er sich immer mehr in Träumen; von den Thränen ermüdet schlief er endlich unter den Blumen ein, und es war ihm im Traum, als wenn er laut den Namen Mage- lone ausrufen hörte; darüber ging ihm sein Herz wie eine zugeschlossene Knospe auf, und er fühlte eine übergroße Freude.
17. Peter wird von Fischern aufgefunden.
Aber der Wind blies indeß luftig in die Seegel, und das Schiffsvolk eilte wieder in das Schiff, um abzufahren, nur Peter blieb aus; man rief ihn, aber da er nicht kam, fuhren die übrigen fort.
Als sie schon weit vom Ufer entfernt waren, erwachte Peter aus seinem erquickenden Schlafe; er erschrack, als er gewahr ward, daß er geschlafen
Erſte Abtheilung.
ihm ein Ungluͤck vorherſagte. Er betrachtete mit thraͤnenden Blicken das Blumenlabyrinth um ſich her, und es war ihm ein Ergoͤtzen, die Blumen in ſeiner Einbildung ſo zu ordnen, daß ſie den Na- menszug Magelonens ausdruͤckten. Dann horchte er auf das lispelnde Gras, das ihm etwas zu ſa- gen ſchien, auf die Bluͤten, die ſich oft zaͤrtlich zu einander neigten, als wenn ſie ein herzliches Geſpraͤch von Liebe fuͤhren wollten. In der gan- zen Natur ſah er liebevolle Eintracht, und jedes Geraͤuſch klang ſeinem Ohre wie ein melodiſcher Geſang. Daruͤber verlor er ſich immer mehr in Traͤumen; von den Thraͤnen ermuͤdet ſchlief er endlich unter den Blumen ein, und es war ihm im Traum, als wenn er laut den Namen Mage- lone ausrufen hoͤrte; daruͤber ging ihm ſein Herz wie eine zugeſchloſſene Knospe auf, und er fuͤhlte eine uͤbergroße Freude.
17. Peter wird von Fiſchern aufgefunden.
Aber der Wind blies indeß luftig in die Seegel, und das Schiffsvolk eilte wieder in das Schiff, um abzufahren, nur Peter blieb aus; man rief ihn, aber da er nicht kam, fuhren die uͤbrigen fort.
Als ſie ſchon weit vom Ufer entfernt waren, erwachte Peter aus ſeinem erquickenden Schlafe; er erſchrack, als er gewahr ward, daß er geſchlafen
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Erſte Abtheilung.
ihm ein Ungluͤck vorherſagte. Er betrachtete mit
thraͤnenden Blicken das Blumenlabyrinth um ſich
her, und es war ihm ein Ergoͤtzen, die Blumen
in ſeiner Einbildung ſo zu ordnen, daß ſie den Na-
menszug Magelonens ausdruͤckten. Dann horchte
er auf das lispelnde Gras, das ihm etwas zu ſa-
gen ſchien, auf die Bluͤten, die ſich oft zaͤrtlich
zu einander neigten, als wenn ſie ein herzliches
Geſpraͤch von Liebe fuͤhren wollten. In der gan-
zen Natur ſah er liebevolle Eintracht, und jedes
Geraͤuſch klang ſeinem Ohre wie ein melodiſcher
Geſang. Daruͤber verlor er ſich immer mehr in
Traͤumen; von den Thraͤnen ermuͤdet ſchlief er
endlich unter den Blumen ein, und es war ihm
im Traum, als wenn er laut den Namen Mage-
lone ausrufen hoͤrte; daruͤber ging ihm ſein Herz
wie eine zugeſchloſſene Knospe auf, und er fuͤhlte
eine uͤbergroße Freude.
17.
Peter wird von Fiſchern aufgefunden.
Aber der Wind blies indeß luftig in die Seegel,
und das Schiffsvolk eilte wieder in das Schiff, um
abzufahren, nur Peter blieb aus; man rief ihn,
aber da er nicht kam, fuhren die uͤbrigen fort.
Als ſie ſchon weit vom Ufer entfernt waren,
erwachte Peter aus ſeinem erquickenden Schlafe; er
erſchrack, als er gewahr ward, daß er geſchlafen
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/397>, abgerufen am 16.02.2025.
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