Um die Zeit war der Graf von der Provence nebst seiner Gemahlin sehr betrübt, weil sie noch gar keine Nachrichten von ihrem geliebten Sohne bekommen hatten. Besonders aber war die Mut- ter in Angst, denn sie hatte eine große Sehnsucht, ihren einzigen Sohn nach so langer Zeit wieder zu sehn. Sie sprach oft mit dem Grafen von ih- rem Kummer, und daß ihr schöner Sohn wahr- scheinlich umgekommen sey. Da sollte ein Fest ge- geben werden, und ein Fischer brachte einen großen Fisch in die gräfliche Küche; als ihn der Koch auf- schnitt, fand er drei Ringe in dessen Bauche, die er der Gräfin überbrachte. Die Gräfin verwun- derte sich über die Maßen, denn sie erkannte sie für eben diejenigen, die sie ihrem Sohne gegeben hatte. Sie sagte daher zu ihrem Gemahl: jetzt bin ich getröstet, denn da ich so unvermuthet und auf so wunderbare Weise Kundschaft von meinem Sohn bekommen habe, so bin ich auch überzeugt, daß Gott ihn nicht verlassen hat, sondern daß er ihn nach vielen überstandenen Mühseligkeiten in unsre Arme zurück führen wird. --
Peter stand im Schiffe und sah immer nach der Gegend hin, wo die erwünschte Heimath lag. Die Fahrt war glücklich, und man landete an einer kleinen unbewohnten Insel, um süßes Wasser ein- zunehmen. Alles Schiffsvolk stieg an das Land,
Die ſchoͤne Magelone.
16. Der Ritter auf der Reiſe.
Um die Zeit war der Graf von der Provence nebſt ſeiner Gemahlin ſehr betruͤbt, weil ſie noch gar keine Nachrichten von ihrem geliebten Sohne bekommen hatten. Beſonders aber war die Mut- ter in Angſt, denn ſie hatte eine große Sehnſucht, ihren einzigen Sohn nach ſo langer Zeit wieder zu ſehn. Sie ſprach oft mit dem Grafen von ih- rem Kummer, und daß ihr ſchoͤner Sohn wahr- ſcheinlich umgekommen ſey. Da ſollte ein Feſt ge- geben werden, und ein Fiſcher brachte einen großen Fiſch in die graͤfliche Kuͤche; als ihn der Koch auf- ſchnitt, fand er drei Ringe in deſſen Bauche, die er der Graͤfin uͤberbrachte. Die Graͤfin verwun- derte ſich uͤber die Maßen, denn ſie erkannte ſie fuͤr eben diejenigen, die ſie ihrem Sohne gegeben hatte. Sie ſagte daher zu ihrem Gemahl: jetzt bin ich getroͤſtet, denn da ich ſo unvermuthet und auf ſo wunderbare Weiſe Kundſchaft von meinem Sohn bekommen habe, ſo bin ich auch uͤberzeugt, daß Gott ihn nicht verlaſſen hat, ſondern daß er ihn nach vielen uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten in unſre Arme zuruͤck fuͤhren wird. —
Peter ſtand im Schiffe und ſah immer nach der Gegend hin, wo die erwuͤnſchte Heimath lag. Die Fahrt war gluͤcklich, und man landete an einer kleinen unbewohnten Inſel, um ſuͤßes Waſſer ein- zunehmen. Alles Schiffsvolk ſtieg an das Land,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0394"n="383"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die ſchoͤne Magelone</hi>.</fw><lb/><divn="3"><head>16.<lb/><hirendition="#g">Der Ritter auf der Reiſe</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>m die Zeit war der Graf von der Provence<lb/>
nebſt ſeiner Gemahlin ſehr betruͤbt, weil ſie noch<lb/>
gar keine Nachrichten von ihrem geliebten Sohne<lb/>
bekommen hatten. Beſonders aber war die Mut-<lb/>
ter in Angſt, denn ſie hatte eine große Sehnſucht,<lb/>
ihren einzigen Sohn nach ſo langer Zeit wieder<lb/>
zu ſehn. Sie ſprach oft mit dem Grafen von ih-<lb/>
rem Kummer, und daß ihr ſchoͤner Sohn wahr-<lb/>ſcheinlich umgekommen ſey. Da ſollte ein Feſt ge-<lb/>
geben werden, und ein Fiſcher brachte einen großen<lb/>
Fiſch in die graͤfliche Kuͤche; als ihn der Koch auf-<lb/>ſchnitt, fand er drei Ringe in deſſen Bauche, die<lb/>
er der Graͤfin uͤberbrachte. Die Graͤfin verwun-<lb/>
derte ſich uͤber die Maßen, denn ſie erkannte ſie<lb/>
fuͤr eben diejenigen, die ſie ihrem Sohne gegeben<lb/>
hatte. Sie ſagte daher zu ihrem Gemahl: jetzt bin<lb/>
ich getroͤſtet, denn da ich ſo unvermuthet und auf<lb/>ſo wunderbare Weiſe Kundſchaft von meinem Sohn<lb/>
bekommen habe, ſo bin ich auch uͤberzeugt, daß<lb/>
Gott ihn nicht verlaſſen hat, ſondern daß er ihn<lb/>
nach vielen uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten in unſre<lb/>
Arme zuruͤck fuͤhren wird. —</p><lb/><p>Peter ſtand im Schiffe und ſah immer nach<lb/>
der Gegend hin, wo die erwuͤnſchte Heimath lag.<lb/>
Die Fahrt war gluͤcklich, und man landete an einer<lb/>
kleinen unbewohnten Inſel, um ſuͤßes Waſſer ein-<lb/>
zunehmen. Alles Schiffsvolk ſtieg an das Land,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[383/0394]
Die ſchoͤne Magelone.
16.
Der Ritter auf der Reiſe.
Um die Zeit war der Graf von der Provence
nebſt ſeiner Gemahlin ſehr betruͤbt, weil ſie noch
gar keine Nachrichten von ihrem geliebten Sohne
bekommen hatten. Beſonders aber war die Mut-
ter in Angſt, denn ſie hatte eine große Sehnſucht,
ihren einzigen Sohn nach ſo langer Zeit wieder
zu ſehn. Sie ſprach oft mit dem Grafen von ih-
rem Kummer, und daß ihr ſchoͤner Sohn wahr-
ſcheinlich umgekommen ſey. Da ſollte ein Feſt ge-
geben werden, und ein Fiſcher brachte einen großen
Fiſch in die graͤfliche Kuͤche; als ihn der Koch auf-
ſchnitt, fand er drei Ringe in deſſen Bauche, die
er der Graͤfin uͤberbrachte. Die Graͤfin verwun-
derte ſich uͤber die Maßen, denn ſie erkannte ſie
fuͤr eben diejenigen, die ſie ihrem Sohne gegeben
hatte. Sie ſagte daher zu ihrem Gemahl: jetzt bin
ich getroͤſtet, denn da ich ſo unvermuthet und auf
ſo wunderbare Weiſe Kundſchaft von meinem Sohn
bekommen habe, ſo bin ich auch uͤberzeugt, daß
Gott ihn nicht verlaſſen hat, ſondern daß er ihn
nach vielen uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten in unſre
Arme zuruͤck fuͤhren wird. —
Peter ſtand im Schiffe und ſah immer nach
der Gegend hin, wo die erwuͤnſchte Heimath lag.
Die Fahrt war gluͤcklich, und man landete an einer
kleinen unbewohnten Inſel, um ſuͤßes Waſſer ein-
zunehmen. Alles Schiffsvolk ſtieg an das Land,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/394>, abgerufen am 29.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.