Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung.

Noch weiter ein lustleeres Leben zu ziehn,
Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entblühn?

Wie geht mit bleibehangnen Füßen
Die Zeit bedächtig Schritt vor Schritt!
Und wenn ich werde scheiden müssen,
Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt!
Schlage, sehnsüchtige Gewalt,
In tiefer treuer Brust!
Wie Lautenton vorüber hallt,
Entflieht des Lebens schönste Lust.
Ach, wie bald
Bin ich der Wonne mich kaum mehr bewußt.
Rausche, rausche weiter fort,
Tiefer Strom der Zeit,
Wandelst bald aus Morgen Heut,
Gehst von Ort zu Ort;
Hast du mich bisher getragen,
Lustig bald, dann still,
Will es nun auch weiter wagen,
Wie es werden will.
Darf mich doch nicht elend achten,
Da die Einzge winkt,
Liebe läßt mich nicht verschmachten,
Bis dies Leben sinkt;
Nein, der Strom wird immer breiter,
Himmel bleibt mir immer heiter,
Fröhlichen Ruderschlags fahr ich hinab,
Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.



8.

Erſte Abtheilung.

Noch weiter ein luſtleeres Leben zu ziehn,
Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entbluͤhn?

Wie geht mit bleibehangnen Fuͤßen
Die Zeit bedaͤchtig Schritt vor Schritt!
Und wenn ich werde ſcheiden muͤſſen,
Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt!
Schlage, ſehnſuͤchtige Gewalt,
In tiefer treuer Bruſt!
Wie Lautenton voruͤber hallt,
Entflieht des Lebens ſchoͤnſte Luſt.
Ach, wie bald
Bin ich der Wonne mich kaum mehr bewußt.
Rauſche, rauſche weiter fort,
Tiefer Strom der Zeit,
Wandelſt bald aus Morgen Heut,
Gehſt von Ort zu Ort;
Haſt du mich bisher getragen,
Luſtig bald, dann ſtill,
Will es nun auch weiter wagen,
Wie es werden will.
Darf mich doch nicht elend achten,
Da die Einzge winkt,
Liebe laͤßt mich nicht verſchmachten,
Bis dies Leben ſinkt;
Nein, der Strom wird immer breiter,
Himmel bleibt mir immer heiter,
Froͤhlichen Ruderſchlags fahr ich hinab,
Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.



8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="2">
                <pb facs="#f0363" n="352"/>
                <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;te Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
                <l>Noch weiter ein lu&#x017F;tleeres Leben zu ziehn,</l><lb/>
                <l>Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entblu&#x0364;hn?</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Wie geht mit bleibehangnen Fu&#x0364;ßen</l><lb/>
                <l>Die Zeit beda&#x0364;chtig Schritt vor Schritt!</l><lb/>
                <l>Und wenn ich werde &#x017F;cheiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt!</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Schlage, &#x017F;ehn&#x017F;u&#x0364;chtige Gewalt,</l><lb/>
                <l>In tiefer treuer Bru&#x017F;t!</l><lb/>
                <l>Wie Lautenton voru&#x0364;ber hallt,</l><lb/>
                <l>Entflieht des Lebens &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Lu&#x017F;t.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Ach, wie bald</l><lb/>
                <l>Bin ich der Wonne mich kaum mehr bewußt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Rau&#x017F;che, rau&#x017F;che weiter fort,</l><lb/>
                <l>Tiefer Strom der Zeit,</l><lb/>
                <l>Wandel&#x017F;t bald aus Morgen Heut,</l><lb/>
                <l>Geh&#x017F;t von Ort zu Ort;</l><lb/>
                <l>Ha&#x017F;t du mich bisher getragen,</l><lb/>
                <l>Lu&#x017F;tig bald, dann &#x017F;till,</l><lb/>
                <l>Will es nun auch weiter wagen,</l><lb/>
                <l>Wie es werden will.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Darf mich doch nicht elend achten,</l><lb/>
                <l>Da die Einzge winkt,</l><lb/>
                <l>Liebe la&#x0364;ßt mich nicht ver&#x017F;chmachten,</l><lb/>
                <l>Bis dies Leben &#x017F;inkt;</l><lb/>
                <l>Nein, der Strom wird immer breiter,</l><lb/>
                <l>Himmel bleibt mir immer heiter,</l><lb/>
                <l>Fro&#x0364;hlichen Ruder&#x017F;chlags fahr ich hinab,</l><lb/>
                <l>Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">8.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0363] Erſte Abtheilung. Noch weiter ein luſtleeres Leben zu ziehn, Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entbluͤhn? Wie geht mit bleibehangnen Fuͤßen Die Zeit bedaͤchtig Schritt vor Schritt! Und wenn ich werde ſcheiden muͤſſen, Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt! Schlage, ſehnſuͤchtige Gewalt, In tiefer treuer Bruſt! Wie Lautenton voruͤber hallt, Entflieht des Lebens ſchoͤnſte Luſt. Ach, wie bald Bin ich der Wonne mich kaum mehr bewußt. Rauſche, rauſche weiter fort, Tiefer Strom der Zeit, Wandelſt bald aus Morgen Heut, Gehſt von Ort zu Ort; Haſt du mich bisher getragen, Luſtig bald, dann ſtill, Will es nun auch weiter wagen, Wie es werden will. Darf mich doch nicht elend achten, Da die Einzge winkt, Liebe laͤßt mich nicht verſchmachten, Bis dies Leben ſinkt; Nein, der Strom wird immer breiter, Himmel bleibt mir immer heiter, Froͤhlichen Ruderſchlags fahr ich hinab, Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/363
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/363>, abgerufen am 11.12.2024.