viel thörichtes Zeug wollen wir mit einander schwatzen!
Thöricht? sagte Anton etwas empfindlich; ja freilich, wie alles thöricht ist, was das Ma- terielle zu verlassen strebt, und wie die Liebe selbst in dieser Hinsicht Krankheit zu nennen ist, wie Novalis so schön sagt. Hast du noch nie ein Wort bereut, daß du selbst in der vertrautesten Stunde dem vertrautesten Freunde sagtest? Nicht, weil du ihn für einen Verräther halten konntest, sondern weil ein Gemüthsgeheimniß nun in einem Elemente schwebte, das so leicht seine rohe Natur dagegen wenden kann: ja du trauerst wohl selbst über manches, das der Freund in dein Herz nie- der legen will, und das Wort klingt späterhin mißmüthig und disharmonisch in deiner inner- sten Seele wieder. Oder verstehst du dies so gar nicht und hast es nie erlebt?
Nicht böse, du lieber Kranker, sagte Theo- dor, indem er ihn umarmte; du kennst ja meine Art. Schatz, warst du denn nicht eben einver- standen darüber, daß es unter Freunden Miß- verständnisse geben müsse? diese meine Dumm- heit ist auch ein Geheimniß, glaubt es nur, das ihr auf eine etwas zartere Art solltet zu ahnden oder zu entwirren streben.
Alle lachten, worauf Anton sagte: das Lachen wird mir noch beschwerlich und greift mich an, ich werde müde und matt in unsre Herberge ankom- men. -- Er schöpfte hierauf wieder aus einem
Einleitung.
viel thoͤrichtes Zeug wollen wir mit einander ſchwatzen!
Thoͤricht? ſagte Anton etwas empfindlich; ja freilich, wie alles thoͤricht iſt, was das Ma- terielle zu verlaſſen ſtrebt, und wie die Liebe ſelbſt in dieſer Hinſicht Krankheit zu nennen iſt, wie Novalis ſo ſchoͤn ſagt. Haſt du noch nie ein Wort bereut, daß du ſelbſt in der vertrauteſten Stunde dem vertrauteſten Freunde ſagteſt? Nicht, weil du ihn fuͤr einen Verraͤther halten konnteſt, ſondern weil ein Gemuͤthsgeheimniß nun in einem Elemente ſchwebte, das ſo leicht ſeine rohe Natur dagegen wenden kann: ja du trauerſt wohl ſelbſt uͤber manches, das der Freund in dein Herz nie- der legen will, und das Wort klingt ſpaͤterhin mißmuͤthig und disharmoniſch in deiner inner- ſten Seele wieder. Oder verſtehſt du dies ſo gar nicht und haſt es nie erlebt?
Nicht boͤſe, du lieber Kranker, ſagte Theo- dor, indem er ihn umarmte; du kennſt ja meine Art. Schatz, warſt du denn nicht eben einver- ſtanden daruͤber, daß es unter Freunden Miß- verſtaͤndniſſe geben muͤſſe? dieſe meine Dumm- heit iſt auch ein Geheimniß, glaubt es nur, das ihr auf eine etwas zartere Art ſolltet zu ahnden oder zu entwirren ſtreben.
Alle lachten, worauf Anton ſagte: das Lachen wird mir noch beſchwerlich und greift mich an, ich werde muͤde und matt in unſre Herberge ankom- men. — Er ſchoͤpfte hierauf wieder aus einem
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Einleitung.
viel thoͤrichtes Zeug wollen wir mit einander
ſchwatzen!
Thoͤricht? ſagte Anton etwas empfindlich;
ja freilich, wie alles thoͤricht iſt, was das Ma-
terielle zu verlaſſen ſtrebt, und wie die Liebe ſelbſt
in dieſer Hinſicht Krankheit zu nennen iſt, wie
Novalis ſo ſchoͤn ſagt. Haſt du noch nie ein
Wort bereut, daß du ſelbſt in der vertrauteſten
Stunde dem vertrauteſten Freunde ſagteſt? Nicht,
weil du ihn fuͤr einen Verraͤther halten konnteſt,
ſondern weil ein Gemuͤthsgeheimniß nun in einem
Elemente ſchwebte, das ſo leicht ſeine rohe Natur
dagegen wenden kann: ja du trauerſt wohl ſelbſt
uͤber manches, das der Freund in dein Herz nie-
der legen will, und das Wort klingt ſpaͤterhin
mißmuͤthig und disharmoniſch in deiner inner-
ſten Seele wieder. Oder verſtehſt du dies ſo gar
nicht und haſt es nie erlebt?
Nicht boͤſe, du lieber Kranker, ſagte Theo-
dor, indem er ihn umarmte; du kennſt ja meine
Art. Schatz, warſt du denn nicht eben einver-
ſtanden daruͤber, daß es unter Freunden Miß-
verſtaͤndniſſe geben muͤſſe? dieſe meine Dumm-
heit iſt auch ein Geheimniß, glaubt es nur, das
ihr auf eine etwas zartere Art ſolltet zu ahnden
oder zu entwirren ſtreben.
Alle lachten, worauf Anton ſagte: das Lachen
wird mir noch beſchwerlich und greift mich an,
ich werde muͤde und matt in unſre Herberge ankom-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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