Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die schöne Magelone.
Schranken und gegen ihn stellte sich ein Ritter
des Königes. Sie trafen auf einander und der
Königsche wurde bügellos, aber er traf zufälliger-
weise mit seiner Lanze das Pferd des Herrn Hein-
rich vorn an den Schienbeinen, so daß das Roß
mit seinem Reuter zu Boden stürzte. Darüber
wurde dem Diener des Königes der Sieg zuge-
sprochen, als einem, der den Herrn Heinrich um-
gerennt hätte. Das verdroß Petern gar sehr, denn
Herr Heinrich war ein nahmhafter Renner; dazu
so berühmte sich der Diener laut und öffentlich
seines Sieges, den er doch nur dem Zufall zu dan-
ken hatte. Peter stellte sich also gegen ihn in die
Schranken und rannte ihn vom Pferde hinunter,
daß sich alle über seine Kraft verwundern mußten;
er that aber zu aller Erstaunen noch mehr, denn
er machte auch bald die übrigen Sättel ledig, so
daß sich in kurzer Zeit kein Gegner vor ihm mehr
finden ließ. Darüber waren alle begierig, den Na-
men des fremden Ritters zu wissen, und der Kö-
nig von Neapel schickte selbst seinen Herold an
ihn ab, um ihn zu erfahren; aber Peter bat in
Demuth um die Erlaubniß, daß man ihm noch
ferner erlauben möchte, unbekannt zu bleiben, denn
sein Name sei dunkel und von keinen Thaten ver-
herrlicht; dazu so sey er ein armer geringer Edel-
mann aus Frankreich, er wolle seinen Namen daher
so lange verschweigen, bis er es durch Thaten
werth geworden sey, sich nennen zu dürfen. Den
König freute diese Antwort, weil sie ein Beweis
von der Bescheidenheit des Ritters war.


Die ſchoͤne Magelone.
Schranken und gegen ihn ſtellte ſich ein Ritter
des Koͤniges. Sie trafen auf einander und der
Koͤnigſche wurde buͤgellos, aber er traf zufaͤlliger-
weiſe mit ſeiner Lanze das Pferd des Herrn Hein-
rich vorn an den Schienbeinen, ſo daß das Roß
mit ſeinem Reuter zu Boden ſtuͤrzte. Daruͤber
wurde dem Diener des Koͤniges der Sieg zuge-
ſprochen, als einem, der den Herrn Heinrich um-
gerennt haͤtte. Das verdroß Petern gar ſehr, denn
Herr Heinrich war ein nahmhafter Renner; dazu
ſo beruͤhmte ſich der Diener laut und oͤffentlich
ſeines Sieges, den er doch nur dem Zufall zu dan-
ken hatte. Peter ſtellte ſich alſo gegen ihn in die
Schranken und rannte ihn vom Pferde hinunter,
daß ſich alle uͤber ſeine Kraft verwundern mußten;
er that aber zu aller Erſtaunen noch mehr, denn
er machte auch bald die uͤbrigen Saͤttel ledig, ſo
daß ſich in kurzer Zeit kein Gegner vor ihm mehr
finden ließ. Daruͤber waren alle begierig, den Na-
men des fremden Ritters zu wiſſen, und der Koͤ-
nig von Neapel ſchickte ſelbſt ſeinen Herold an
ihn ab, um ihn zu erfahren; aber Peter bat in
Demuth um die Erlaubniß, daß man ihm noch
ferner erlauben moͤchte, unbekannt zu bleiben, denn
ſein Name ſei dunkel und von keinen Thaten ver-
herrlicht; dazu ſo ſey er ein armer geringer Edel-
mann aus Frankreich, er wolle ſeinen Namen daher
ſo lange verſchweigen, bis er es durch Thaten
werth geworden ſey, ſich nennen zu duͤrfen. Den
Koͤnig freute dieſe Antwort, weil ſie ein Beweis
von der Beſcheidenheit des Ritters war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0346" n="335"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die &#x017F;cho&#x0364;ne Magelone</hi>.</fw><lb/>
Schranken und gegen ihn &#x017F;tellte &#x017F;ich ein Ritter<lb/>
des Ko&#x0364;niges. Sie trafen auf einander und der<lb/>
Ko&#x0364;nig&#x017F;che wurde bu&#x0364;gellos, aber er traf zufa&#x0364;lliger-<lb/>
wei&#x017F;e mit &#x017F;einer Lanze das Pferd des Herrn Hein-<lb/>
rich vorn an den Schienbeinen, &#x017F;o daß das Roß<lb/>
mit &#x017F;einem Reuter zu Boden &#x017F;tu&#x0364;rzte. Daru&#x0364;ber<lb/>
wurde dem Diener des Ko&#x0364;niges der Sieg zuge-<lb/>
&#x017F;prochen, als einem, der den Herrn Heinrich um-<lb/>
gerennt ha&#x0364;tte. Das verdroß Petern gar &#x017F;ehr, denn<lb/>
Herr Heinrich war ein nahmhafter Renner; dazu<lb/>
&#x017F;o beru&#x0364;hmte &#x017F;ich der Diener laut und o&#x0364;ffentlich<lb/>
&#x017F;eines Sieges, den er doch nur dem Zufall zu dan-<lb/>
ken hatte. Peter &#x017F;tellte &#x017F;ich al&#x017F;o gegen ihn in die<lb/>
Schranken und rannte ihn vom Pferde hinunter,<lb/>
daß &#x017F;ich alle u&#x0364;ber &#x017F;eine Kraft verwundern mußten;<lb/>
er that aber zu aller Er&#x017F;taunen noch mehr, denn<lb/>
er machte auch bald die u&#x0364;brigen Sa&#x0364;ttel ledig, &#x017F;o<lb/>
daß &#x017F;ich in kurzer Zeit kein Gegner vor ihm mehr<lb/>
finden ließ. Daru&#x0364;ber waren alle begierig, den Na-<lb/>
men des fremden Ritters zu wi&#x017F;&#x017F;en, und der Ko&#x0364;-<lb/>
nig von Neapel &#x017F;chickte &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einen Herold an<lb/>
ihn ab, um ihn zu erfahren; aber Peter bat in<lb/>
Demuth um die Erlaubniß, daß man ihm noch<lb/>
ferner erlauben mo&#x0364;chte, unbekannt zu bleiben, denn<lb/>
&#x017F;ein Name &#x017F;ei dunkel und von keinen Thaten ver-<lb/>
herrlicht; dazu &#x017F;o &#x017F;ey er ein armer geringer Edel-<lb/>
mann aus Frankreich, er wolle &#x017F;einen Namen daher<lb/>
&#x017F;o lange ver&#x017F;chweigen, bis er es durch Thaten<lb/>
werth geworden &#x017F;ey, &#x017F;ich nennen zu du&#x0364;rfen. Den<lb/>
Ko&#x0364;nig freute die&#x017F;e Antwort, weil &#x017F;ie ein Beweis<lb/>
von der Be&#x017F;cheidenheit des Ritters war.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0346] Die ſchoͤne Magelone. Schranken und gegen ihn ſtellte ſich ein Ritter des Koͤniges. Sie trafen auf einander und der Koͤnigſche wurde buͤgellos, aber er traf zufaͤlliger- weiſe mit ſeiner Lanze das Pferd des Herrn Hein- rich vorn an den Schienbeinen, ſo daß das Roß mit ſeinem Reuter zu Boden ſtuͤrzte. Daruͤber wurde dem Diener des Koͤniges der Sieg zuge- ſprochen, als einem, der den Herrn Heinrich um- gerennt haͤtte. Das verdroß Petern gar ſehr, denn Herr Heinrich war ein nahmhafter Renner; dazu ſo beruͤhmte ſich der Diener laut und oͤffentlich ſeines Sieges, den er doch nur dem Zufall zu dan- ken hatte. Peter ſtellte ſich alſo gegen ihn in die Schranken und rannte ihn vom Pferde hinunter, daß ſich alle uͤber ſeine Kraft verwundern mußten; er that aber zu aller Erſtaunen noch mehr, denn er machte auch bald die uͤbrigen Saͤttel ledig, ſo daß ſich in kurzer Zeit kein Gegner vor ihm mehr finden ließ. Daruͤber waren alle begierig, den Na- men des fremden Ritters zu wiſſen, und der Koͤ- nig von Neapel ſchickte ſelbſt ſeinen Herold an ihn ab, um ihn zu erfahren; aber Peter bat in Demuth um die Erlaubniß, daß man ihm noch ferner erlauben moͤchte, unbekannt zu bleiben, denn ſein Name ſei dunkel und von keinen Thaten ver- herrlicht; dazu ſo ſey er ein armer geringer Edel- mann aus Frankreich, er wolle ſeinen Namen daher ſo lange verſchweigen, bis er es durch Thaten werth geworden ſey, ſich nennen zu duͤrfen. Den Koͤnig freute dieſe Antwort, weil ſie ein Beweis von der Beſcheidenheit des Ritters war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/346
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/346>, abgerufen am 24.11.2024.