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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
mit den übrigen in den Garten und sagte: ich thue
es nur, um diese Menschen im Glauben zu stär-
ken, denn diese Künste bringen ihrer Kutscher-
Freigeisterei auf lange einen Stoß bei, und helfen
zu ihrer Bekehrung.

Ich sehe, sagte der Bräutigam, daß mein
Freund unter seinen übrigen Talenten auch das
eines Charlatans nicht zu geringe achtet, um es
auszubilden.

Wir leben in einer wunderlichen Zeit, antwor-
tete jener; man soll heut zu Tage nichts verachten,
denn man weiß nicht, wozu es zu gebrauchen ist.

Als die beiden Freunde sich allein befanden,
wandte sich Emil wieder in den dunkeln Baum-
gang und sagte: Warum bin ich an diesem Tage,
welcher der glücklichste meines Lebens ist, so trübe
gestimmt? Aber ich versichere dich, so wenig du
es auch glauben willst, es paßt nicht für mich,
mich in dieser Menge von Menschen zu bewegen,
für jeden Aufmerksamkeit zu haben, keinen dieser
Verwandten von ihrer und meiner Seite zu ver-
nachlässigen, den Eltern Ehrfurcht zu beweisen, die
Damen bekomplimentieren, die Ankommenden em-
pfangen, und die Dienstboten und Pferde gehörig
zu versorgen.

Das macht sich ja alles von selbst, sagte Ro-
derich; sieh, dein Haus ist recht auf dergleichen
eingerichtet, und dein Haushofmeister, der alle
Hände voll zu thun und alle Beine voll zu lau-
fen hat, ist recht wie dazu geschaffen, alles ordent-
lich zu betreiben, um die allergrößte Gesellschaft

Erſte Abtheilung.
mit den uͤbrigen in den Garten und ſagte: ich thue
es nur, um dieſe Menſchen im Glauben zu ſtaͤr-
ken, denn dieſe Kuͤnſte bringen ihrer Kutſcher-
Freigeiſterei auf lange einen Stoß bei, und helfen
zu ihrer Bekehrung.

Ich ſehe, ſagte der Braͤutigam, daß mein
Freund unter ſeinen uͤbrigen Talenten auch das
eines Charlatans nicht zu geringe achtet, um es
auszubilden.

Wir leben in einer wunderlichen Zeit, antwor-
tete jener; man ſoll heut zu Tage nichts verachten,
denn man weiß nicht, wozu es zu gebrauchen iſt.

Als die beiden Freunde ſich allein befanden,
wandte ſich Emil wieder in den dunkeln Baum-
gang und ſagte: Warum bin ich an dieſem Tage,
welcher der gluͤcklichſte meines Lebens iſt, ſo truͤbe
geſtimmt? Aber ich verſichere dich, ſo wenig du
es auch glauben willſt, es paßt nicht fuͤr mich,
mich in dieſer Menge von Menſchen zu bewegen,
fuͤr jeden Aufmerkſamkeit zu haben, keinen dieſer
Verwandten von ihrer und meiner Seite zu ver-
nachlaͤſſigen, den Eltern Ehrfurcht zu beweiſen, die
Damen bekomplimentieren, die Ankommenden em-
pfangen, und die Dienſtboten und Pferde gehoͤrig
zu verſorgen.

Das macht ſich ja alles von ſelbſt, ſagte Ro-
derich; ſieh, dein Haus iſt recht auf dergleichen
eingerichtet, und dein Haushofmeiſter, der alle
Haͤnde voll zu thun und alle Beine voll zu lau-
fen hat, iſt recht wie dazu geſchaffen, alles ordent-
lich zu betreiben, um die allergroͤßte Geſellſchaft

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[302/0313] Erſte Abtheilung. mit den uͤbrigen in den Garten und ſagte: ich thue es nur, um dieſe Menſchen im Glauben zu ſtaͤr- ken, denn dieſe Kuͤnſte bringen ihrer Kutſcher- Freigeiſterei auf lange einen Stoß bei, und helfen zu ihrer Bekehrung. Ich ſehe, ſagte der Braͤutigam, daß mein Freund unter ſeinen uͤbrigen Talenten auch das eines Charlatans nicht zu geringe achtet, um es auszubilden. Wir leben in einer wunderlichen Zeit, antwor- tete jener; man ſoll heut zu Tage nichts verachten, denn man weiß nicht, wozu es zu gebrauchen iſt. Als die beiden Freunde ſich allein befanden, wandte ſich Emil wieder in den dunkeln Baum- gang und ſagte: Warum bin ich an dieſem Tage, welcher der gluͤcklichſte meines Lebens iſt, ſo truͤbe geſtimmt? Aber ich verſichere dich, ſo wenig du es auch glauben willſt, es paßt nicht fuͤr mich, mich in dieſer Menge von Menſchen zu bewegen, fuͤr jeden Aufmerkſamkeit zu haben, keinen dieſer Verwandten von ihrer und meiner Seite zu ver- nachlaͤſſigen, den Eltern Ehrfurcht zu beweiſen, die Damen bekomplimentieren, die Ankommenden em- pfangen, und die Dienſtboten und Pferde gehoͤrig zu verſorgen. Das macht ſich ja alles von ſelbſt, ſagte Ro- derich; ſieh, dein Haus iſt recht auf dergleichen eingerichtet, und dein Haushofmeiſter, der alle Haͤnde voll zu thun und alle Beine voll zu lau- fen hat, iſt recht wie dazu geſchaffen, alles ordent- lich zu betreiben, um die allergroͤßte Geſellſchaft

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/313>, abgerufen am 22.11.2024.