war noch mit ihrem Schmucke beschäftiget, und der junge Ehemann lustwandelte, seinem Glücke nachsinnend, einsam in einem entfernten Baum- gange. Schade, sagte Anderson, daß wir keine Musik haben sollen; alle unsere Damen sind unzu- frieden und haben noch nie so sehr zu tanzen ge- wünscht, als gerade heut, da es nicht geschehn kann; aber es ist ihm zu sehr zuwider.
Ich kann es euch wohl verrathen, sagte ein junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben werden, und zwar einen recht tollen und geräuschi- gen; alles ist schon eingerichtet und die Musikan- ten sind schon heimlich angekommen und unsichtbar einquartirt. Roderich hat alle diese Einrichtungen getroffen, denn er sagt, man müsse ihm nicht zu viel nachgeben, und am wenigsten heut seine wun- derlichen Launen anerkennen.
Er ist auch schon viel menschlicher und umgäng- licher als ehemals, sagte der Offizier, und darum glaube ich, wird ihm diese Abänderung nicht ein- mal unangenehm auffallen. Ist doch diese ganze Heirath so plötzlich gegen unser aller Erwarten eingetreten.
Sein ganzes Leben, fuhr Anderson fort, ist so sonderbar, wie sein Charakter. Ihr wißt ja alle, wie er im vorigen Herbst auf einer Reise, die er machen wollte, in unsrer Stadt ankam, sich den Winter hier aufhielt, wie ein Melankolischer fast nur in seinem Zimmer lebte, und sich weder um unser Theater noch andre Vergnügungen kümmerte. Er war beinah mit Roderich, seinem vertrautesten
Liebeszauber.
war noch mit ihrem Schmucke beſchaͤftiget, und der junge Ehemann luſtwandelte, ſeinem Gluͤcke nachſinnend, einſam in einem entfernten Baum- gange. Schade, ſagte Anderſon, daß wir keine Muſik haben ſollen; alle unſere Damen ſind unzu- frieden und haben noch nie ſo ſehr zu tanzen ge- wuͤnſcht, als gerade heut, da es nicht geſchehn kann; aber es iſt ihm zu ſehr zuwider.
Ich kann es euch wohl verrathen, ſagte ein junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben werden, und zwar einen recht tollen und geraͤuſchi- gen; alles iſt ſchon eingerichtet und die Muſikan- ten ſind ſchon heimlich angekommen und unſichtbar einquartirt. Roderich hat alle dieſe Einrichtungen getroffen, denn er ſagt, man muͤſſe ihm nicht zu viel nachgeben, und am wenigſten heut ſeine wun- derlichen Launen anerkennen.
Er iſt auch ſchon viel menſchlicher und umgaͤng- licher als ehemals, ſagte der Offizier, und darum glaube ich, wird ihm dieſe Abaͤnderung nicht ein- mal unangenehm auffallen. Iſt doch dieſe ganze Heirath ſo ploͤtzlich gegen unſer aller Erwarten eingetreten.
Sein ganzes Leben, fuhr Anderſon fort, iſt ſo ſonderbar, wie ſein Charakter. Ihr wißt ja alle, wie er im vorigen Herbſt auf einer Reiſe, die er machen wollte, in unſrer Stadt ankam, ſich den Winter hier aufhielt, wie ein Melankoliſcher faſt nur in ſeinem Zimmer lebte, und ſich weder um unſer Theater noch andre Vergnuͤgungen kuͤmmerte. Er war beinah mit Roderich, ſeinem vertrauteſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0308"n="297"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Liebeszauber</hi>.</fw><lb/>
war noch mit ihrem Schmucke beſchaͤftiget, und<lb/>
der junge Ehemann luſtwandelte, ſeinem Gluͤcke<lb/>
nachſinnend, einſam in einem entfernten Baum-<lb/>
gange. Schade, ſagte Anderſon, daß wir keine<lb/>
Muſik haben ſollen; alle unſere Damen ſind unzu-<lb/>
frieden und haben noch nie ſo ſehr zu tanzen ge-<lb/>
wuͤnſcht, als gerade heut, da es nicht geſchehn<lb/>
kann; aber es iſt ihm zu ſehr zuwider.</p><lb/><p>Ich kann es euch wohl verrathen, ſagte ein<lb/>
junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben<lb/>
werden, und zwar einen recht tollen und geraͤuſchi-<lb/>
gen; alles iſt ſchon eingerichtet und die Muſikan-<lb/>
ten ſind ſchon heimlich angekommen und unſichtbar<lb/>
einquartirt. Roderich hat alle dieſe Einrichtungen<lb/>
getroffen, denn er ſagt, man muͤſſe ihm nicht zu<lb/>
viel nachgeben, und am wenigſten heut ſeine wun-<lb/>
derlichen Launen anerkennen.</p><lb/><p>Er iſt auch ſchon viel menſchlicher und umgaͤng-<lb/>
licher als ehemals, ſagte der Offizier, und darum<lb/>
glaube ich, wird ihm dieſe Abaͤnderung nicht ein-<lb/>
mal unangenehm auffallen. Iſt doch dieſe ganze<lb/>
Heirath ſo ploͤtzlich gegen unſer aller Erwarten<lb/>
eingetreten.</p><lb/><p>Sein ganzes Leben, fuhr Anderſon fort, iſt ſo<lb/>ſonderbar, wie ſein Charakter. Ihr wißt ja alle,<lb/>
wie er im vorigen Herbſt auf einer Reiſe, die er<lb/>
machen wollte, in unſrer Stadt ankam, ſich den<lb/>
Winter hier aufhielt, wie ein Melankoliſcher faſt<lb/>
nur in ſeinem Zimmer lebte, und ſich weder um<lb/>
unſer Theater noch andre Vergnuͤgungen kuͤmmerte.<lb/>
Er war beinah mit Roderich, ſeinem vertrauteſten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[297/0308]
Liebeszauber.
war noch mit ihrem Schmucke beſchaͤftiget, und
der junge Ehemann luſtwandelte, ſeinem Gluͤcke
nachſinnend, einſam in einem entfernten Baum-
gange. Schade, ſagte Anderſon, daß wir keine
Muſik haben ſollen; alle unſere Damen ſind unzu-
frieden und haben noch nie ſo ſehr zu tanzen ge-
wuͤnſcht, als gerade heut, da es nicht geſchehn
kann; aber es iſt ihm zu ſehr zuwider.
Ich kann es euch wohl verrathen, ſagte ein
junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben
werden, und zwar einen recht tollen und geraͤuſchi-
gen; alles iſt ſchon eingerichtet und die Muſikan-
ten ſind ſchon heimlich angekommen und unſichtbar
einquartirt. Roderich hat alle dieſe Einrichtungen
getroffen, denn er ſagt, man muͤſſe ihm nicht zu
viel nachgeben, und am wenigſten heut ſeine wun-
derlichen Launen anerkennen.
Er iſt auch ſchon viel menſchlicher und umgaͤng-
licher als ehemals, ſagte der Offizier, und darum
glaube ich, wird ihm dieſe Abaͤnderung nicht ein-
mal unangenehm auffallen. Iſt doch dieſe ganze
Heirath ſo ploͤtzlich gegen unſer aller Erwarten
eingetreten.
Sein ganzes Leben, fuhr Anderſon fort, iſt ſo
ſonderbar, wie ſein Charakter. Ihr wißt ja alle,
wie er im vorigen Herbſt auf einer Reiſe, die er
machen wollte, in unſrer Stadt ankam, ſich den
Winter hier aufhielt, wie ein Melankoliſcher faſt
nur in ſeinem Zimmer lebte, und ſich weder um
unſer Theater noch andre Vergnuͤgungen kuͤmmerte.
Er war beinah mit Roderich, ſeinem vertrauteſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/308>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.