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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Liebeszauber.
Physiker aufzumuntern, diese Naturerscheinung ge-
nügend zu erklären. Er ist der beste Mensch unter
der Sonne, aber alle meine Mühe, ihm diese Ver-
kehrtheit abzugewöhnen, ist ganz umsonst und ver-
loren, und wenn ich nicht für meine gute Mei-
nung Undank davon tragen will, muß ich ihn ge-
währen lassen.

Er sollte vielleicht den Arzt gebrauchen, be-
merkte jener.

Es gehört mit zu seinen Eigenheiten, antwor-
tete Roderich, die Medizin durch und durch zu ver-
achten, denn er meint, jede Krankheit sei in jeg-
lichem Menschen ein Individuum, und könne nicht
nach ältern Wahrnehmungen, oder gar nach soge-
nannten Theorien geheilt werden; er würde eher
alte Weiber und sympathetische Kuren gebrauchen.
Eben so verachtet er auch in andrer Hinsicht alle
Vorsicht und alles was man Ordnung und Mäßig-
keit nennt. Von Kindheit auf ist ein edler Mann
sein Ideal gewesen, und sein höchstes Bestreben,
das aus sich zu bilden, was er so nennt, das
heißt hauptsächlich eine Person, die die Verachtung
der Dinge mit der des Geldes anfängt; denn um
nur nicht in den Verdacht zu gerathen, daß er
haushälterisch sey, ungern ausgebe, oder irgend
Rücksicht auf Geld nehme, so wirft er es höchst
thöricht weg, ist bei seiner reichlichen Einnahme
immer arm und in Verlegenheit, und wird der
Thor von jedweden, der nicht ganz in dem Sinne
edel ist, in welchem er es sich zu seyn vorgesetzt
hat. Sein Freund zu seyn, ist aber die Aufgabe

Liebeszauber.
Phyſiker aufzumuntern, dieſe Naturerſcheinung ge-
nuͤgend zu erklaͤren. Er iſt der beſte Menſch unter
der Sonne, aber alle meine Muͤhe, ihm dieſe Ver-
kehrtheit abzugewoͤhnen, iſt ganz umſonſt und ver-
loren, und wenn ich nicht fuͤr meine gute Mei-
nung Undank davon tragen will, muß ich ihn ge-
waͤhren laſſen.

Er ſollte vielleicht den Arzt gebrauchen, be-
merkte jener.

Es gehoͤrt mit zu ſeinen Eigenheiten, antwor-
tete Roderich, die Medizin durch und durch zu ver-
achten, denn er meint, jede Krankheit ſei in jeg-
lichem Menſchen ein Individuum, und koͤnne nicht
nach aͤltern Wahrnehmungen, oder gar nach ſoge-
nannten Theorien geheilt werden; er wuͤrde eher
alte Weiber und ſympathetiſche Kuren gebrauchen.
Eben ſo verachtet er auch in andrer Hinſicht alle
Vorſicht und alles was man Ordnung und Maͤßig-
keit nennt. Von Kindheit auf iſt ein edler Mann
ſein Ideal geweſen, und ſein hoͤchſtes Beſtreben,
das aus ſich zu bilden, was er ſo nennt, das
heißt hauptſaͤchlich eine Perſon, die die Verachtung
der Dinge mit der des Geldes anfaͤngt; denn um
nur nicht in den Verdacht zu gerathen, daß er
haushaͤlteriſch ſey, ungern ausgebe, oder irgend
Ruͤckſicht auf Geld nehme, ſo wirft er es hoͤchſt
thoͤricht weg, iſt bei ſeiner reichlichen Einnahme
immer arm und in Verlegenheit, und wird der
Thor von jedweden, der nicht ganz in dem Sinne
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hat. Sein Freund zu ſeyn, iſt aber die Aufgabe

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[291/0302] Liebeszauber. Phyſiker aufzumuntern, dieſe Naturerſcheinung ge- nuͤgend zu erklaͤren. Er iſt der beſte Menſch unter der Sonne, aber alle meine Muͤhe, ihm dieſe Ver- kehrtheit abzugewoͤhnen, iſt ganz umſonſt und ver- loren, und wenn ich nicht fuͤr meine gute Mei- nung Undank davon tragen will, muß ich ihn ge- waͤhren laſſen. Er ſollte vielleicht den Arzt gebrauchen, be- merkte jener. Es gehoͤrt mit zu ſeinen Eigenheiten, antwor- tete Roderich, die Medizin durch und durch zu ver- achten, denn er meint, jede Krankheit ſei in jeg- lichem Menſchen ein Individuum, und koͤnne nicht nach aͤltern Wahrnehmungen, oder gar nach ſoge- nannten Theorien geheilt werden; er wuͤrde eher alte Weiber und ſympathetiſche Kuren gebrauchen. Eben ſo verachtet er auch in andrer Hinſicht alle Vorſicht und alles was man Ordnung und Maͤßig- keit nennt. Von Kindheit auf iſt ein edler Mann ſein Ideal geweſen, und ſein hoͤchſtes Beſtreben, das aus ſich zu bilden, was er ſo nennt, das heißt hauptſaͤchlich eine Perſon, die die Verachtung der Dinge mit der des Geldes anfaͤngt; denn um nur nicht in den Verdacht zu gerathen, daß er haushaͤlteriſch ſey, ungern ausgebe, oder irgend Ruͤckſicht auf Geld nehme, ſo wirft er es hoͤchſt thoͤricht weg, iſt bei ſeiner reichlichen Einnahme immer arm und in Verlegenheit, und wird der Thor von jedweden, der nicht ganz in dem Sinne edel iſt, in welchem er es ſich zu ſeyn vorgeſetzt hat. Sein Freund zu ſeyn, iſt aber die Aufgabe

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/302>, abgerufen am 22.11.2024.