Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Liebeszauber. schossen an ihm hin und her, Pauken und Trom-peten betäubten sein Ohr, und ihm war, als sei das menschliche Leben selber nur ein Traum. Er ging durch die Reihen, und nur sein Auge blieb wach, um jene geliebten Augen und jenes schöne Haupt mit den braunen Locken aufzusuchen, nach dessen Anblick er sich heut inniger sehnte als sonst, und dem angebeteten Wesen doch innerlich Vor- würfe machte, daß es sich in diesem stürmenden Meer der Verwirrung und Thorheit untertauchen und verlieren könne. Nein, sprach er zu sich selbst, kein Herz welches liebt, wird sich diesem wüsten Brausen öffnen wollen, in welchem Sehnsucht und Thränen verhöhnt und mit dem schmetternden Ge- lächter wilder Trompeten verspottet werden. Das Säuseln der Bäume, das Rieseln der Quellen, Lautenschlag und edler Gesang, welcher voll aus dem bewegten Busen strömt, sind die Töne in welchen Liebe wohnt. So aber donnert und jubelt die Hölle in der Raserei ihrer Verzweiflung. Er fand nicht, was er suchte, denn zu dem Emil hatte ihn ganz vergessen; er sagte aber Liebeszauber. ſchoſſen an ihm hin und her, Pauken und Trom-peten betaͤubten ſein Ohr, und ihm war, als ſei das menſchliche Leben ſelber nur ein Traum. Er ging durch die Reihen, und nur ſein Auge blieb wach, um jene geliebten Augen und jenes ſchoͤne Haupt mit den braunen Locken aufzuſuchen, nach deſſen Anblick er ſich heut inniger ſehnte als ſonſt, und dem angebeteten Weſen doch innerlich Vor- wuͤrfe machte, daß es ſich in dieſem ſtuͤrmenden Meer der Verwirrung und Thorheit untertauchen und verlieren koͤnne. Nein, ſprach er zu ſich ſelbſt, kein Herz welches liebt, wird ſich dieſem wuͤſten Brauſen oͤffnen wollen, in welchem Sehnſucht und Thraͤnen verhoͤhnt und mit dem ſchmetternden Ge- laͤchter wilder Trompeten verſpottet werden. Das Saͤuſeln der Baͤume, das Rieſeln der Quellen, Lautenſchlag und edler Geſang, welcher voll aus dem bewegten Buſen ſtroͤmt, ſind die Toͤne in welchen Liebe wohnt. So aber donnert und jubelt die Hoͤlle in der Raſerei ihrer Verzweiflung. Er fand nicht, was er ſuchte, denn zu dem Emil hatte ihn ganz vergeſſen; er ſagte aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0298" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Liebeszauber</hi>.</fw><lb/> ſchoſſen an ihm hin und her, Pauken und Trom-<lb/> peten betaͤubten ſein Ohr, und ihm war, als ſei<lb/> das menſchliche Leben ſelber nur ein Traum. Er<lb/> ging durch die Reihen, und nur ſein Auge blieb<lb/> wach, um jene geliebten Augen und jenes ſchoͤne<lb/> Haupt mit den braunen Locken aufzuſuchen, nach<lb/> deſſen Anblick er ſich heut inniger ſehnte als ſonſt,<lb/> und dem angebeteten Weſen doch innerlich Vor-<lb/> wuͤrfe machte, daß es ſich in dieſem ſtuͤrmenden<lb/> Meer der Verwirrung und Thorheit untertauchen<lb/> und verlieren koͤnne. Nein, ſprach er zu ſich ſelbſt,<lb/> kein Herz welches liebt, wird ſich dieſem wuͤſten<lb/> Brauſen oͤffnen wollen, in welchem Sehnſucht und<lb/> Thraͤnen verhoͤhnt und mit dem ſchmetternden Ge-<lb/> laͤchter wilder Trompeten verſpottet werden. Das<lb/> Saͤuſeln der Baͤume, das Rieſeln der Quellen,<lb/> Lautenſchlag und edler Geſang, welcher voll aus<lb/> dem bewegten Buſen ſtroͤmt, ſind die Toͤne in<lb/> welchen Liebe wohnt. So aber donnert und jubelt<lb/> die Hoͤlle in der Raſerei ihrer Verzweiflung.</p><lb/> <p>Er fand nicht, was er ſuchte, denn zu dem<lb/> Glauben, daß ſein geliebtes Angeſicht ſich vielleicht<lb/> unter eine widrige Maske verborgen habe, konnte<lb/> er ſich unmoͤglich bequemen. Schon war er drei-<lb/> mal den Saal auf und abgewandert und hatte<lb/> alle ſitzenden und unmaskirten Damen vergeblich<lb/> gemuſtert, als ſich der Spanier zu ihm geſellte<lb/> und ſagte: ſchoͤn, daß ſie doch noch gekommen ſind;<lb/> Sie ſuchen vielleicht Ihren Freund?</p><lb/> <p>Emil hatte ihn ganz vergeſſen; er ſagte aber<lb/> beſchaͤmt: in der That, ich wundre mich, ihn hier<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [287/0298]
Liebeszauber.
ſchoſſen an ihm hin und her, Pauken und Trom-
peten betaͤubten ſein Ohr, und ihm war, als ſei
das menſchliche Leben ſelber nur ein Traum. Er
ging durch die Reihen, und nur ſein Auge blieb
wach, um jene geliebten Augen und jenes ſchoͤne
Haupt mit den braunen Locken aufzuſuchen, nach
deſſen Anblick er ſich heut inniger ſehnte als ſonſt,
und dem angebeteten Weſen doch innerlich Vor-
wuͤrfe machte, daß es ſich in dieſem ſtuͤrmenden
Meer der Verwirrung und Thorheit untertauchen
und verlieren koͤnne. Nein, ſprach er zu ſich ſelbſt,
kein Herz welches liebt, wird ſich dieſem wuͤſten
Brauſen oͤffnen wollen, in welchem Sehnſucht und
Thraͤnen verhoͤhnt und mit dem ſchmetternden Ge-
laͤchter wilder Trompeten verſpottet werden. Das
Saͤuſeln der Baͤume, das Rieſeln der Quellen,
Lautenſchlag und edler Geſang, welcher voll aus
dem bewegten Buſen ſtroͤmt, ſind die Toͤne in
welchen Liebe wohnt. So aber donnert und jubelt
die Hoͤlle in der Raſerei ihrer Verzweiflung.
Er fand nicht, was er ſuchte, denn zu dem
Glauben, daß ſein geliebtes Angeſicht ſich vielleicht
unter eine widrige Maske verborgen habe, konnte
er ſich unmoͤglich bequemen. Schon war er drei-
mal den Saal auf und abgewandert und hatte
alle ſitzenden und unmaskirten Damen vergeblich
gemuſtert, als ſich der Spanier zu ihm geſellte
und ſagte: ſchoͤn, daß ſie doch noch gekommen ſind;
Sie ſuchen vielleicht Ihren Freund?
Emil hatte ihn ganz vergeſſen; er ſagte aber
beſchaͤmt: in der That, ich wundre mich, ihn hier
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