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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der getreue Eckart.
bannt von der Gewalt des Allmächtigen, und ihr
Dienst ist von der Erde vertilgt; nun wirken sie
von dort in ihrer Heimlichkeit.

Alle Freuden, die die Erde beut, genoß und
schmeckte ich hier in ihrer vollsten Blüthe, uner-
sättlich war mein Busen und unendlich der Genuß.
Die berühmten Schönheiten der alten Welt waren
zugegen, was mein Gedanke wünschte war in mei-
nem Besitz, eine Trunkenheit folgte der andern,
mit jedem Tage schien um mich her die Welt in
bunteren Farben zu brennen. Ströme des köstlich-
sten Weines löschten den grimmen Durst, und die
holdseligsten Gestalten gaukelten dann in der Luft,
ein Gewimmel von nackten Mädchen umgab mich
einladend, Düfte schwangen sich bezaubernd um
mein Haupt, wie aus dem innersten Herzen der
seligsten Natur erklang eine Musik, und kühlte
mit ihren frischen Wogen der Begierde wilde Lü-
sternheit, ein Grauen, das so heimlich über die
Blumenfelder schlich, erhöhte den entzückenden
Rausch. Wie viele Jahre so verschwunden sind,
weiß ich nicht zu sagen, denn hier gab es keine
Zeit und keine Unterschiede, in den Blumen brannte
der Mädchen und der Lüste Reiz, in den Körpern
der Weiber blühte der Zauber der Blumen, die
Farben führten hier eine andre Sprache, die Töne
sagten neue Worte, die ganze Sinnenwelt war
hier in Einer Blüthe fest gebunden, und die Geister
drinnen feyerten ewig einen brünstigen Triumph.

Doch wie es geschah kann ich so wenig sagen
wie fassen, daß mich nun in aller Sündenherrlich-

Der getreue Eckart.
bannt von der Gewalt des Allmaͤchtigen, und ihr
Dienſt iſt von der Erde vertilgt; nun wirken ſie
von dort in ihrer Heimlichkeit.

Alle Freuden, die die Erde beut, genoß und
ſchmeckte ich hier in ihrer vollſten Bluͤthe, uner-
ſaͤttlich war mein Buſen und unendlich der Genuß.
Die beruͤhmten Schoͤnheiten der alten Welt waren
zugegen, was mein Gedanke wuͤnſchte war in mei-
nem Beſitz, eine Trunkenheit folgte der andern,
mit jedem Tage ſchien um mich her die Welt in
bunteren Farben zu brennen. Stroͤme des koͤſtlich-
ſten Weines loͤſchten den grimmen Durſt, und die
holdſeligſten Geſtalten gaukelten dann in der Luft,
ein Gewimmel von nackten Maͤdchen umgab mich
einladend, Duͤfte ſchwangen ſich bezaubernd um
mein Haupt, wie aus dem innerſten Herzen der
ſeligſten Natur erklang eine Muſik, und kuͤhlte
mit ihren friſchen Wogen der Begierde wilde Luͤ-
ſternheit, ein Grauen, das ſo heimlich uͤber die
Blumenfelder ſchlich, erhoͤhte den entzuͤckenden
Rauſch. Wie viele Jahre ſo verſchwunden ſind,
weiß ich nicht zu ſagen, denn hier gab es keine
Zeit und keine Unterſchiede, in den Blumen brannte
der Maͤdchen und der Luͤſte Reiz, in den Koͤrpern
der Weiber bluͤhte der Zauber der Blumen, die
Farben fuͤhrten hier eine andre Sprache, die Toͤne
ſagten neue Worte, die ganze Sinnenwelt war
hier in Einer Bluͤthe feſt gebunden, und die Geiſter
drinnen feyerten ewig einen bruͤnſtigen Triumph.

Doch wie es geſchah kann ich ſo wenig ſagen
wie faſſen, daß mich nun in aller Suͤndenherrlich-

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[235/0246] Der getreue Eckart. bannt von der Gewalt des Allmaͤchtigen, und ihr Dienſt iſt von der Erde vertilgt; nun wirken ſie von dort in ihrer Heimlichkeit. Alle Freuden, die die Erde beut, genoß und ſchmeckte ich hier in ihrer vollſten Bluͤthe, uner- ſaͤttlich war mein Buſen und unendlich der Genuß. Die beruͤhmten Schoͤnheiten der alten Welt waren zugegen, was mein Gedanke wuͤnſchte war in mei- nem Beſitz, eine Trunkenheit folgte der andern, mit jedem Tage ſchien um mich her die Welt in bunteren Farben zu brennen. Stroͤme des koͤſtlich- ſten Weines loͤſchten den grimmen Durſt, und die holdſeligſten Geſtalten gaukelten dann in der Luft, ein Gewimmel von nackten Maͤdchen umgab mich einladend, Duͤfte ſchwangen ſich bezaubernd um mein Haupt, wie aus dem innerſten Herzen der ſeligſten Natur erklang eine Muſik, und kuͤhlte mit ihren friſchen Wogen der Begierde wilde Luͤ- ſternheit, ein Grauen, das ſo heimlich uͤber die Blumenfelder ſchlich, erhoͤhte den entzuͤckenden Rauſch. Wie viele Jahre ſo verſchwunden ſind, weiß ich nicht zu ſagen, denn hier gab es keine Zeit und keine Unterſchiede, in den Blumen brannte der Maͤdchen und der Luͤſte Reiz, in den Koͤrpern der Weiber bluͤhte der Zauber der Blumen, die Farben fuͤhrten hier eine andre Sprache, die Toͤne ſagten neue Worte, die ganze Sinnenwelt war hier in Einer Bluͤthe feſt gebunden, und die Geiſter drinnen feyerten ewig einen bruͤnſtigen Triumph. Doch wie es geſchah kann ich ſo wenig ſagen wie faſſen, daß mich nun in aller Suͤndenherrlich-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/246>, abgerufen am 22.11.2024.