Was mich sonst wunderbar in der ganzen vollen Natur angezogen und gereizt hatte, hatte sich mir in Emmas Bilde vereiniget; ich wußte, kannte und wollte kein anderes Glück als sie, ja ich hatte mir willkührlich vorgesetzt, daß ihren Verlust und mein Verderben ein und derselbe Tag herbei führen solle.
Meine Eltern grämten sich über meine Ver- wilderung, meine Mutter war krank geworden, aber es rührte mich nicht, ich kümmerte mich wenig um ihren Zustand, und sah sie nur selten. Der Hochzeitstag meines Feindes rückte heran, und mit ihm wuchs meine Angst, die mich durch die Wäl- der und über die Berge trieb. Ich verwünschte Emma und mich mit den gräßlichsten Flüchen. Um die Zeit hatte ich keinen Freund, kein Mensch wollte sich meiner annehmen, weil mich alle verloren gaben.
Die schreckliche Nacht vor dem Vermählungs- tage brach heran. Ich hatte mich unter Klippen verirrt und hörte unter mir die Waldströme brau- sen, oft erschrack ich vor mir selber. Als es Mor- gen war, sah ich meinen Feind von den Bergen hernieder steigen, ich fiel ihn mit beschimpfenden Reden an, er vertheidigte sich, wir griffen zu den Schwerdtern, und bald sank er unter meinen wü- thenden Hieben nieder.
Ich eilte fort, ich sah mich nicht nach ihm um, aber seine Begleiter trugen den Leichnam fort. Nachts schwärmte ich um die Wohnung, die meine Emma einschloß, und nach wenigen Tagen ver- nahm ich im benachbarten Kloster Todtengeläute
Der getreue Eckart.
Was mich ſonſt wunderbar in der ganzen vollen Natur angezogen und gereizt hatte, hatte ſich mir in Emmas Bilde vereiniget; ich wußte, kannte und wollte kein anderes Gluͤck als ſie, ja ich hatte mir willkuͤhrlich vorgeſetzt, daß ihren Verluſt und mein Verderben ein und derſelbe Tag herbei fuͤhren ſolle.
Meine Eltern graͤmten ſich uͤber meine Ver- wilderung, meine Mutter war krank geworden, aber es ruͤhrte mich nicht, ich kuͤmmerte mich wenig um ihren Zuſtand, und ſah ſie nur ſelten. Der Hochzeitstag meines Feindes ruͤckte heran, und mit ihm wuchs meine Angſt, die mich durch die Waͤl- der und uͤber die Berge trieb. Ich verwuͤnſchte Emma und mich mit den graͤßlichſten Fluͤchen. Um die Zeit hatte ich keinen Freund, kein Menſch wollte ſich meiner annehmen, weil mich alle verloren gaben.
Die ſchreckliche Nacht vor dem Vermaͤhlungs- tage brach heran. Ich hatte mich unter Klippen verirrt und hoͤrte unter mir die Waldſtroͤme brau- ſen, oft erſchrack ich vor mir ſelber. Als es Mor- gen war, ſah ich meinen Feind von den Bergen hernieder ſteigen, ich fiel ihn mit beſchimpfenden Reden an, er vertheidigte ſich, wir griffen zu den Schwerdtern, und bald ſank er unter meinen wuͤ- thenden Hieben nieder.
Ich eilte fort, ich ſah mich nicht nach ihm um, aber ſeine Begleiter trugen den Leichnam fort. Nachts ſchwaͤrmte ich um die Wohnung, die meine Emma einſchloß, und nach wenigen Tagen ver- nahm ich im benachbarten Kloſter Todtengelaͤute
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Der getreue Eckart.
Was mich ſonſt wunderbar in der ganzen vollen
Natur angezogen und gereizt hatte, hatte ſich mir
in Emmas Bilde vereiniget; ich wußte, kannte und
wollte kein anderes Gluͤck als ſie, ja ich hatte mir
willkuͤhrlich vorgeſetzt, daß ihren Verluſt und mein
Verderben ein und derſelbe Tag herbei fuͤhren ſolle.
Meine Eltern graͤmten ſich uͤber meine Ver-
wilderung, meine Mutter war krank geworden,
aber es ruͤhrte mich nicht, ich kuͤmmerte mich wenig
um ihren Zuſtand, und ſah ſie nur ſelten. Der
Hochzeitstag meines Feindes ruͤckte heran, und mit
ihm wuchs meine Angſt, die mich durch die Waͤl-
der und uͤber die Berge trieb. Ich verwuͤnſchte
Emma und mich mit den graͤßlichſten Fluͤchen. Um
die Zeit hatte ich keinen Freund, kein Menſch wollte
ſich meiner annehmen, weil mich alle verloren
gaben.
Die ſchreckliche Nacht vor dem Vermaͤhlungs-
tage brach heran. Ich hatte mich unter Klippen
verirrt und hoͤrte unter mir die Waldſtroͤme brau-
ſen, oft erſchrack ich vor mir ſelber. Als es Mor-
gen war, ſah ich meinen Feind von den Bergen
hernieder ſteigen, ich fiel ihn mit beſchimpfenden
Reden an, er vertheidigte ſich, wir griffen zu den
Schwerdtern, und bald ſank er unter meinen wuͤ-
thenden Hieben nieder.
Ich eilte fort, ich ſah mich nicht nach ihm
um, aber ſeine Begleiter trugen den Leichnam fort.
Nachts ſchwaͤrmte ich um die Wohnung, die meine
Emma einſchloß, und nach wenigen Tagen ver-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/240>, abgerufen am 25.11.2024.
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