Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der getreue Eckart.
Ach, wohl ist mir bewußt,
Sprach jener drauf in Reue,
Daß sündvoll meine Brust,
Drum zittr' ich, daß er dräue.
Ich hab' dem treusten Freunde
Die Kinder umgebracht,
Drum stebt er mir zum Feinde
In dieser finstern Nacht.
Er war mir recht ergeben,
Als wie der treuste Knecht,
Und war im ganzen Leben
Mir niemals ungerecht.
Die Kindlein ließ ich tödten,
Das kann er nie verzeihn,
Ich fürcht', in diesen Nöthen
Treff' ich ihn hier im Hain:
Das sagt mir mein Gewissen
Mein Herze innerlich,
Die Kind hab ich zerrissen,
Dafür zerreißt er mich.
Der Eckart sprach: empfinden
Muß ich so schwere Last,
Weil du nicht rein von Sünden
Und schwer gesündigt hast,
Daß du den Mann wirst schauen
Ist auch gewißlich wahr,
Doch magst du mir vertrauen
So krümmt er dir kein Haar.

So gingen sie in Gesprächen fort, als ihnen
im Walde eine andre Mannsgestalt begegnete, es
war Wolfram, der Knappe des Herzogs, der sei-

Der getreue Eckart.
Ach, wohl iſt mir bewußt,
Sprach jener drauf in Reue,
Daß ſuͤndvoll meine Bruſt,
Drum zittr' ich, daß er draͤue.
Ich hab' dem treuſten Freunde
Die Kinder umgebracht,
Drum ſtebt er mir zum Feinde
In dieſer finſtern Nacht.
Er war mir recht ergeben,
Als wie der treuſte Knecht,
Und war im ganzen Leben
Mir niemals ungerecht.
Die Kindlein ließ ich toͤdten,
Das kann er nie verzeihn,
Ich fuͤrcht', in dieſen Noͤthen
Treff' ich ihn hier im Hain:
Das ſagt mir mein Gewiſſen
Mein Herze innerlich,
Die Kind hab ich zerriſſen,
Dafuͤr zerreißt er mich.
Der Eckart ſprach: empfinden
Muß ich ſo ſchwere Laſt,
Weil du nicht rein von Suͤnden
Und ſchwer geſuͤndigt haſt,
Daß du den Mann wirſt ſchauen
Iſt auch gewißlich wahr,
Doch magſt du mir vertrauen
So kruͤmmt er dir kein Haar.

So gingen ſie in Geſpraͤchen fort, als ihnen
im Walde eine andre Mannsgeſtalt begegnete, es
war Wolfram, der Knappe des Herzogs, der ſei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0224" n="213"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der getreue Eckart</hi>.</fw><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Ach, wohl i&#x017F;t mir bewußt,</l><lb/>
                <l>Sprach jener drauf in Reue,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;u&#x0364;ndvoll meine Bru&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Drum zittr' ich, daß er dra&#x0364;ue.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="8">
                <l>Ich hab' dem treu&#x017F;ten Freunde</l><lb/>
                <l>Die Kinder umgebracht,</l><lb/>
                <l>Drum &#x017F;tebt er mir zum Feinde</l><lb/>
                <l>In die&#x017F;er fin&#x017F;tern Nacht.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="9">
                <l>Er war mir recht ergeben,</l><lb/>
                <l>Als wie der treu&#x017F;te Knecht,</l><lb/>
                <l>Und war im ganzen Leben</l><lb/>
                <l>Mir niemals ungerecht.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="10">
                <l>Die Kindlein ließ ich to&#x0364;dten,</l><lb/>
                <l>Das kann er nie verzeihn,</l><lb/>
                <l>Ich fu&#x0364;rcht', in die&#x017F;en No&#x0364;then</l><lb/>
                <l>Treff' ich ihn hier im Hain:</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="11">
                <l>Das &#x017F;agt mir mein Gewi&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
                <l>Mein Herze innerlich,</l><lb/>
                <l>Die Kind hab ich zerri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Dafu&#x0364;r zerreißt er mich.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="12">
                <l>Der Eckart &#x017F;prach: empfinden</l><lb/>
                <l>Muß ich &#x017F;o &#x017F;chwere La&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Weil du nicht rein von Su&#x0364;nden</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;chwer ge&#x017F;u&#x0364;ndigt ha&#x017F;t,</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="13">
                <l>Daß du den Mann wir&#x017F;t &#x017F;chauen</l><lb/>
                <l>I&#x017F;t auch gewißlich wahr,</l><lb/>
                <l>Doch mag&#x017F;t du mir vertrauen</l><lb/>
                <l>So kru&#x0364;mmt er dir kein Haar.</l>
              </lg>
            </lg><lb/>
            <p>So gingen &#x017F;ie in Ge&#x017F;pra&#x0364;chen fort, als ihnen<lb/>
im Walde eine andre Mannsge&#x017F;talt begegnete, es<lb/>
war Wolfram, der Knappe des Herzogs, der &#x017F;ei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0224] Der getreue Eckart. Ach, wohl iſt mir bewußt, Sprach jener drauf in Reue, Daß ſuͤndvoll meine Bruſt, Drum zittr' ich, daß er draͤue. Ich hab' dem treuſten Freunde Die Kinder umgebracht, Drum ſtebt er mir zum Feinde In dieſer finſtern Nacht. Er war mir recht ergeben, Als wie der treuſte Knecht, Und war im ganzen Leben Mir niemals ungerecht. Die Kindlein ließ ich toͤdten, Das kann er nie verzeihn, Ich fuͤrcht', in dieſen Noͤthen Treff' ich ihn hier im Hain: Das ſagt mir mein Gewiſſen Mein Herze innerlich, Die Kind hab ich zerriſſen, Dafuͤr zerreißt er mich. Der Eckart ſprach: empfinden Muß ich ſo ſchwere Laſt, Weil du nicht rein von Suͤnden Und ſchwer geſuͤndigt haſt, Daß du den Mann wirſt ſchauen Iſt auch gewißlich wahr, Doch magſt du mir vertrauen So kruͤmmt er dir kein Haar. So gingen ſie in Geſpraͤchen fort, als ihnen im Walde eine andre Mannsgeſtalt begegnete, es war Wolfram, der Knappe des Herzogs, der ſei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/224
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/224>, abgerufen am 25.11.2024.