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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
einander flüchten, in ein fremdes Land, wo wir
wohl ein besseres Glück antreffen mögen.

In deinem Alter, sagte Conrad, willst du dei-
ner lieben Heimath noch den Rücken wenden?
Nein, laß uns lieber alles andere versuchen. Ich
will zum Burgunder, ihn versöhnen und zufrieden
stellen; denn was kann er mir thun wollen, wenn
er dich auch haßt und fürchtet?

Ich lasse dich sehr ungern, sagte Eckart, denn
meine Seele weissagt mir nichts Gutes, und doch
möcht' ich gern mit ihm versöhnt seyn, denn er ist
mein alter Freund, auch deinen Bruder erretten,
der in gefänglicher Haft bei ihm schmachtet.

Die Sonne warf ihre letzten milden Strah-
len auf die grüne Erde, und Eckart setzte sich nach-
denkend nieder, an einem Baumstamm gelehnt, er
beschaute den Conrad lange Zeit und sagte dann:
wenn du gehen willst, mein Sohn, so gehe jetzt,
bevor die Nacht vollends herein bricht; die Fenster
in der herzoglichen Burg glänzen schon von Lich-
tern, ich vernehme aus der Ferne Trompetentöne
vom Feste, vielleicht ist die Gemahlin seines Soh-
nes schon angelangt und sein Gemüth freundlicher
gegen uns.

Ungern ließ er den Sohn von sich, weil er
seinem Glücke nicht mehr traute; der junge Con-
rad aber war um so muthiger, weil es ihm ein
leichtes dünkte, das Gemüth des Herzoges umzu-
wenden, der noch vor weniger Zeit so freundlich
mit ihm gespielt hatte. Kommst du mir gewiß
zurück, mein liebstes Kind? klagte der Alte; wenn

Erſte Abtheilung.
einander fluͤchten, in ein fremdes Land, wo wir
wohl ein beſſeres Gluͤck antreffen moͤgen.

In deinem Alter, ſagte Conrad, willſt du dei-
ner lieben Heimath noch den Ruͤcken wenden?
Nein, laß uns lieber alles andere verſuchen. Ich
will zum Burgunder, ihn verſoͤhnen und zufrieden
ſtellen; denn was kann er mir thun wollen, wenn
er dich auch haßt und fuͤrchtet?

Ich laſſe dich ſehr ungern, ſagte Eckart, denn
meine Seele weiſſagt mir nichts Gutes, und doch
moͤcht' ich gern mit ihm verſoͤhnt ſeyn, denn er iſt
mein alter Freund, auch deinen Bruder erretten,
der in gefaͤnglicher Haft bei ihm ſchmachtet.

Die Sonne warf ihre letzten milden Strah-
len auf die gruͤne Erde, und Eckart ſetzte ſich nach-
denkend nieder, an einem Baumſtamm gelehnt, er
beſchaute den Conrad lange Zeit und ſagte dann:
wenn du gehen willſt, mein Sohn, ſo gehe jetzt,
bevor die Nacht vollends herein bricht; die Fenſter
in der herzoglichen Burg glaͤnzen ſchon von Lich-
tern, ich vernehme aus der Ferne Trompetentoͤne
vom Feſte, vielleicht iſt die Gemahlin ſeines Soh-
nes ſchon angelangt und ſein Gemuͤth freundlicher
gegen uns.

Ungern ließ er den Sohn von ſich, weil er
ſeinem Gluͤcke nicht mehr traute; der junge Con-
rad aber war um ſo muthiger, weil es ihm ein
leichtes duͤnkte, das Gemuͤth des Herzoges umzu-
wenden, der noch vor weniger Zeit ſo freundlich
mit ihm geſpielt hatte. Kommſt du mir gewiß
zuruͤck, mein liebſtes Kind? klagte der Alte; wenn

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[202/0213] Erſte Abtheilung. einander fluͤchten, in ein fremdes Land, wo wir wohl ein beſſeres Gluͤck antreffen moͤgen. In deinem Alter, ſagte Conrad, willſt du dei- ner lieben Heimath noch den Ruͤcken wenden? Nein, laß uns lieber alles andere verſuchen. Ich will zum Burgunder, ihn verſoͤhnen und zufrieden ſtellen; denn was kann er mir thun wollen, wenn er dich auch haßt und fuͤrchtet? Ich laſſe dich ſehr ungern, ſagte Eckart, denn meine Seele weiſſagt mir nichts Gutes, und doch moͤcht' ich gern mit ihm verſoͤhnt ſeyn, denn er iſt mein alter Freund, auch deinen Bruder erretten, der in gefaͤnglicher Haft bei ihm ſchmachtet. Die Sonne warf ihre letzten milden Strah- len auf die gruͤne Erde, und Eckart ſetzte ſich nach- denkend nieder, an einem Baumſtamm gelehnt, er beſchaute den Conrad lange Zeit und ſagte dann: wenn du gehen willſt, mein Sohn, ſo gehe jetzt, bevor die Nacht vollends herein bricht; die Fenſter in der herzoglichen Burg glaͤnzen ſchon von Lich- tern, ich vernehme aus der Ferne Trompetentoͤne vom Feſte, vielleicht iſt die Gemahlin ſeines Soh- nes ſchon angelangt und ſein Gemuͤth freundlicher gegen uns. Ungern ließ er den Sohn von ſich, weil er ſeinem Gluͤcke nicht mehr traute; der junge Con- rad aber war um ſo muthiger, weil es ihm ein leichtes duͤnkte, das Gemuͤth des Herzoges umzu- wenden, der noch vor weniger Zeit ſo freundlich mit ihm geſpielt hatte. Kommſt du mir gewiß zuruͤck, mein liebſtes Kind? klagte der Alte; wenn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/213>, abgerufen am 22.11.2024.