Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Der getreue Eckart. schlichten Worten, daß ihn der Herzog von seinemAngesichte verbannt habe, und daß sie sich ganz fremd geworden seyen, weil jener geargwohnt, er wolle ihm gar sein Herzogthum entreißen. In Betrübniß fuhr er fort, wie der Herzog ihm sei- nen Sohn gefangen genommen, und ihm selber, als einem Verräther, nach dem Leben stehe. Con- rad sprach zu seinem Vater: so laß mich nun hin- gehn, mein alter Vater, und mit dem Herzoge reden, damit er verständig und dir gewogen werde; hat er meinen Bruder erwürgt, so ist er ein böser Mann, und du sollst ihn strafen, doch kann es nicht sein, weil er nicht so schnöde deiner großen Dienste vergessen kann. Weißt du nicht den alten Spruch, sagte Eckart: Wenn der Mächtge dein begehrt, Bist du ihm als Freund was wehrt, Wie die Noth von ihm gewichen, Ist die Freundschaft auch erblichen. Ja, mein ganzes Leben ist unnütz verschwen- Ich will zum Herzoge hin, rief Conrad aus, Du hast vergessen, sagte Eckart, daß man uns Der getreue Eckart. ſchlichten Worten, daß ihn der Herzog von ſeinemAngeſichte verbannt habe, und daß ſie ſich ganz fremd geworden ſeyen, weil jener geargwohnt, er wolle ihm gar ſein Herzogthum entreißen. In Betruͤbniß fuhr er fort, wie der Herzog ihm ſei- nen Sohn gefangen genommen, und ihm ſelber, als einem Verraͤther, nach dem Leben ſtehe. Con- rad ſprach zu ſeinem Vater: ſo laß mich nun hin- gehn, mein alter Vater, und mit dem Herzoge reden, damit er verſtaͤndig und dir gewogen werde; hat er meinen Bruder erwuͤrgt, ſo iſt er ein boͤſer Mann, und du ſollſt ihn ſtrafen, doch kann es nicht ſein, weil er nicht ſo ſchnoͤde deiner großen Dienſte vergeſſen kann. Weißt du nicht den alten Spruch, ſagte Eckart: Wenn der Maͤchtge dein begehrt, Biſt du ihm als Freund was wehrt, Wie die Noth von ihm gewichen, Iſt die Freundſchaft auch erblichen. Ja, mein ganzes Leben iſt unnuͤtz verſchwen- Ich will zum Herzoge hin, rief Conrad aus, Du haſt vergeſſen, ſagte Eckart, daß man uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0212" n="201"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der getreue Eckart</hi>.</fw><lb/> ſchlichten Worten, daß ihn der Herzog von ſeinem<lb/> Angeſichte verbannt habe, und daß ſie ſich ganz<lb/> fremd geworden ſeyen, weil jener geargwohnt, er<lb/> wolle ihm gar ſein Herzogthum entreißen. In<lb/> Betruͤbniß fuhr er fort, wie der Herzog ihm ſei-<lb/> nen Sohn gefangen genommen, und ihm ſelber,<lb/> als einem Verraͤther, nach dem Leben ſtehe. Con-<lb/> rad ſprach zu ſeinem Vater: ſo laß mich nun hin-<lb/> gehn, mein alter Vater, und mit dem Herzoge<lb/> reden, damit er verſtaͤndig und dir gewogen werde;<lb/> hat er meinen Bruder erwuͤrgt, ſo iſt er ein boͤſer<lb/> Mann, und du ſollſt ihn ſtrafen, doch kann es<lb/> nicht ſein, weil er nicht ſo ſchnoͤde deiner großen<lb/> Dienſte vergeſſen kann.</p><lb/> <p>Weißt du nicht den alten Spruch, ſagte Eckart:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wenn der Maͤchtge dein begehrt,</l><lb/> <l>Biſt du ihm als Freund was wehrt,</l><lb/> <l>Wie die Noth von ihm gewichen,</l><lb/> <l>Iſt die Freundſchaft auch erblichen.</l> </lg><lb/> <p>Ja, mein ganzes Leben iſt unnuͤtz verſchwen-<lb/> det: warum machte er mich groß, um mich dann<lb/> deſto tiefer hinab zu werfen? Die Freundſchaft der<lb/> Fuͤrſten iſt wie ein toͤdtendes Gift, das man nur<lb/> gegen Feinde nuͤtzen kann, und womit ſich der Eig-<lb/> ner aus <gap unit="chars" quantity="1"/>nbedacht endlich ſelbſt erwuͤrgt.</p><lb/> <p>Ich will zum Herzoge hin, rief Conrad aus,<lb/> ich will ihm alles, was du gethan, was du fuͤr<lb/> ihn gelitten, in die Seele zuruͤck rufen, und er<lb/> wird wieder ſeyn, wie ehemals.</p><lb/> <p>Du haſt vergeſſen, ſagte Eckart, daß man uns<lb/> fuͤr Verraͤther ausgerufen hat, darum laß uns mit<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0212]
Der getreue Eckart.
ſchlichten Worten, daß ihn der Herzog von ſeinem
Angeſichte verbannt habe, und daß ſie ſich ganz
fremd geworden ſeyen, weil jener geargwohnt, er
wolle ihm gar ſein Herzogthum entreißen. In
Betruͤbniß fuhr er fort, wie der Herzog ihm ſei-
nen Sohn gefangen genommen, und ihm ſelber,
als einem Verraͤther, nach dem Leben ſtehe. Con-
rad ſprach zu ſeinem Vater: ſo laß mich nun hin-
gehn, mein alter Vater, und mit dem Herzoge
reden, damit er verſtaͤndig und dir gewogen werde;
hat er meinen Bruder erwuͤrgt, ſo iſt er ein boͤſer
Mann, und du ſollſt ihn ſtrafen, doch kann es
nicht ſein, weil er nicht ſo ſchnoͤde deiner großen
Dienſte vergeſſen kann.
Weißt du nicht den alten Spruch, ſagte Eckart:
Wenn der Maͤchtge dein begehrt,
Biſt du ihm als Freund was wehrt,
Wie die Noth von ihm gewichen,
Iſt die Freundſchaft auch erblichen.
Ja, mein ganzes Leben iſt unnuͤtz verſchwen-
det: warum machte er mich groß, um mich dann
deſto tiefer hinab zu werfen? Die Freundſchaft der
Fuͤrſten iſt wie ein toͤdtendes Gift, das man nur
gegen Feinde nuͤtzen kann, und womit ſich der Eig-
ner aus _nbedacht endlich ſelbſt erwuͤrgt.
Ich will zum Herzoge hin, rief Conrad aus,
ich will ihm alles, was du gethan, was du fuͤr
ihn gelitten, in die Seele zuruͤck rufen, und er
wird wieder ſeyn, wie ehemals.
Du haſt vergeſſen, ſagte Eckart, daß man uns
fuͤr Verraͤther ausgerufen hat, darum laß uns mit
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