Es schien aber seine Verdamniß zu seyn, gerade in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu schö- pfen, denn kaum waren sie in den Saal getreten, als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen seines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein hämi- sches Lächeln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er nur wenig mit ihm spreche, daß er mit den An- wesenden viel rede, und seiner gar nicht zu achten scheine. Ein alter Ritter war in der Gesellschaft, der sich immer als den Gegner Eckberts gezeigt, und sich oft nach seinem Reichthum und seiner Frau auf eine eigne Weise erkundigt hatte; zu diesem gesellte sich Hugo, und beide sprachen eine Zeitlang heimlich, in dem sie nach Eckbert hindeuteten. Die- ser sah jetzt seinen Argwohn bestätigt, er glaubte sich verrathen, und eine schreckliche Wuth bemei- sterte sich seiner. Indem er noch immer hinstarrte, sah er plötzlich Walthers Gesicht, alle seine Mi- nen, die ganze, ihm so wohl bekannte Gestalt, er sah noch immer hin und ward überzeugt, daß Nie- mand als Walther mit dem Alten spreche. -- Sein Entsetzen war unbeschreiblich; außer sich stürzte er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt, und kehrte nach vielen Irrwegen auf seine Burg zurück.
Wie ein unruhiger Geist eilte er jetzt von Ge- mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand, er verfiel von entsetzlichen Vorstellungen auf noch entsetzlichere, und kein Schlaf kam in seine Augen, Oft dachte er, daß er wahnsinnig sey, und sich nur selber durch seine Einbildung alles erschaffe; dann
Erſte Abtheilung.
Es ſchien aber ſeine Verdamniß zu ſeyn, gerade in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu ſchoͤ- pfen, denn kaum waren ſie in den Saal getreten, als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen ſeines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein haͤmi- ſches Laͤcheln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er nur wenig mit ihm ſpreche, daß er mit den An- weſenden viel rede, und ſeiner gar nicht zu achten ſcheine. Ein alter Ritter war in der Geſellſchaft, der ſich immer als den Gegner Eckberts gezeigt, und ſich oft nach ſeinem Reichthum und ſeiner Frau auf eine eigne Weiſe erkundigt hatte; zu dieſem geſellte ſich Hugo, und beide ſprachen eine Zeitlang heimlich, in dem ſie nach Eckbert hindeuteten. Die- ſer ſah jetzt ſeinen Argwohn beſtaͤtigt, er glaubte ſich verrathen, und eine ſchreckliche Wuth bemei- ſterte ſich ſeiner. Indem er noch immer hinſtarrte, ſah er ploͤtzlich Walthers Geſicht, alle ſeine Mi- nen, die ganze, ihm ſo wohl bekannte Geſtalt, er ſah noch immer hin und ward uͤberzeugt, daß Nie- mand als Walther mit dem Alten ſpreche. — Sein Entſetzen war unbeſchreiblich; außer ſich ſtuͤrzte er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt, und kehrte nach vielen Irrwegen auf ſeine Burg zuruͤck.
Wie ein unruhiger Geiſt eilte er jetzt von Ge- mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand, er verfiel von entſetzlichen Vorſtellungen auf noch entſetzlichere, und kein Schlaf kam in ſeine Augen, Oft dachte er, daß er wahnſinnig ſey, und ſich nur ſelber durch ſeine Einbildung alles erſchaffe; dann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0201"n="190"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/><p>Es ſchien aber ſeine Verdamniß zu ſeyn, gerade<lb/>
in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu ſchoͤ-<lb/>
pfen, denn kaum waren ſie in den Saal getreten,<lb/>
als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen<lb/>ſeines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein haͤmi-<lb/>ſches Laͤcheln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er<lb/>
nur wenig mit ihm ſpreche, daß er mit den An-<lb/>
weſenden viel rede, und ſeiner gar nicht zu achten<lb/>ſcheine. Ein alter Ritter war in der Geſellſchaft,<lb/>
der ſich immer als den Gegner Eckberts gezeigt,<lb/>
und ſich oft nach ſeinem Reichthum und ſeiner Frau<lb/>
auf eine eigne Weiſe erkundigt hatte; zu dieſem<lb/>
geſellte ſich Hugo, und beide ſprachen eine Zeitlang<lb/>
heimlich, in dem ſie nach Eckbert hindeuteten. Die-<lb/>ſer ſah jetzt ſeinen Argwohn beſtaͤtigt, er glaubte<lb/>ſich verrathen, und eine ſchreckliche Wuth bemei-<lb/>ſterte ſich ſeiner. Indem er noch immer hinſtarrte,<lb/>ſah er ploͤtzlich Walthers Geſicht, alle ſeine Mi-<lb/>
nen, die ganze, ihm ſo wohl bekannte Geſtalt, er<lb/>ſah noch immer hin und ward uͤberzeugt, daß Nie-<lb/>
mand als <hirendition="#g">Walther</hi> mit dem Alten ſpreche. —<lb/>
Sein Entſetzen war unbeſchreiblich; außer ſich ſtuͤrzte<lb/>
er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt,<lb/>
und kehrte nach vielen Irrwegen auf ſeine Burg<lb/>
zuruͤck.</p><lb/><p>Wie ein unruhiger Geiſt eilte er jetzt von Ge-<lb/>
mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand,<lb/>
er verfiel von entſetzlichen Vorſtellungen auf noch<lb/>
entſetzlichere, und kein Schlaf kam in ſeine Augen,<lb/>
Oft dachte er, daß er wahnſinnig ſey, und ſich nur<lb/>ſelber durch ſeine Einbildung alles erſchaffe; dann<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[190/0201]
Erſte Abtheilung.
Es ſchien aber ſeine Verdamniß zu ſeyn, gerade
in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu ſchoͤ-
pfen, denn kaum waren ſie in den Saal getreten,
als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen
ſeines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein haͤmi-
ſches Laͤcheln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er
nur wenig mit ihm ſpreche, daß er mit den An-
weſenden viel rede, und ſeiner gar nicht zu achten
ſcheine. Ein alter Ritter war in der Geſellſchaft,
der ſich immer als den Gegner Eckberts gezeigt,
und ſich oft nach ſeinem Reichthum und ſeiner Frau
auf eine eigne Weiſe erkundigt hatte; zu dieſem
geſellte ſich Hugo, und beide ſprachen eine Zeitlang
heimlich, in dem ſie nach Eckbert hindeuteten. Die-
ſer ſah jetzt ſeinen Argwohn beſtaͤtigt, er glaubte
ſich verrathen, und eine ſchreckliche Wuth bemei-
ſterte ſich ſeiner. Indem er noch immer hinſtarrte,
ſah er ploͤtzlich Walthers Geſicht, alle ſeine Mi-
nen, die ganze, ihm ſo wohl bekannte Geſtalt, er
ſah noch immer hin und ward uͤberzeugt, daß Nie-
mand als Walther mit dem Alten ſpreche. —
Sein Entſetzen war unbeſchreiblich; außer ſich ſtuͤrzte
er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt,
und kehrte nach vielen Irrwegen auf ſeine Burg
zuruͤck.
Wie ein unruhiger Geiſt eilte er jetzt von Ge-
mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand,
er verfiel von entſetzlichen Vorſtellungen auf noch
entſetzlichere, und kein Schlaf kam in ſeine Augen,
Oft dachte er, daß er wahnſinnig ſey, und ſich nur
ſelber durch ſeine Einbildung alles erſchaffe; dann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/201>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.