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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
schaftlichen poetischen Quelle schöpfen, so thäte
man auch diesem Kunstgarten Unrecht, ihn aus
der Architektur abzuleiten, da auch der Architekt
nur aus jener mathematischen Poesie des Ge-
müthes seine Erfindungen nimmt. Daher scheint
es mir auch geradezu unmöglich, in Bergen
einen Park anzulegen, weil die Natur die un-
mittelbar hinein blickt, die Kunst-Effekte, die
ihr hier verwandt sein sollen, vernichtet. Nach
der Natur aber selbst sehnt sich gewiß jeder aus
beiderlei Gärten vielmals hinaus und Niemand
kann sie entbehren. Der regelmäßige Garten
schließt vielleicht im Hintergrunde am angenehm-
sten mit einem parkähnlichen, so wie der Eng-
lische am schicklichsten nahe am Hause freie
Räume und eine gewisse Regelmäßigkeit aus-
spart. Es ergiebt sich auch von selbst, daß der
regelmäßige Kunstgarten eine allgemeinere Form
hat und leichter, vom Geschmack geleitet, zweck-
mäßig nachgeahmt werden kann, daß aber der
Park sich nicht leicht wiederholen läßt, sondern
in jeder neuen Gestalt als ein anderes Indivi-
duum auftreten muß. Es ist aber wohl mög-
lich, daß es demohngeachtet nur wenige Haupt-
formen giebt, unter welche alle Gärten dieser
Art sich vereinigen lassen, und trotz der anschei-
nenden Einsamkeit dürften dann die Französi-
schen Gärten wohl eben so viele Gattungen auf-
weisen können. Ist es erlaubt ein Ding durch
ein vergleichendes Bild deutlich zu machen, so

möchte

Erſte Abtheilung.
ſchaftlichen poetiſchen Quelle ſchoͤpfen, ſo thaͤte
man auch dieſem Kunſtgarten Unrecht, ihn aus
der Architektur abzuleiten, da auch der Architekt
nur aus jener mathematiſchen Poeſie des Ge-
muͤthes ſeine Erfindungen nimmt. Daher ſcheint
es mir auch geradezu unmoͤglich, in Bergen
einen Park anzulegen, weil die Natur die un-
mittelbar hinein blickt, die Kunſt-Effekte, die
ihr hier verwandt ſein ſollen, vernichtet. Nach
der Natur aber ſelbſt ſehnt ſich gewiß jeder aus
beiderlei Gaͤrten vielmals hinaus und Niemand
kann ſie entbehren. Der regelmaͤßige Garten
ſchließt vielleicht im Hintergrunde am angenehm-
ſten mit einem parkaͤhnlichen, ſo wie der Eng-
liſche am ſchicklichſten nahe am Hauſe freie
Raͤume und eine gewiſſe Regelmaͤßigkeit aus-
ſpart. Es ergiebt ſich auch von ſelbſt, daß der
regelmaͤßige Kunſtgarten eine allgemeinere Form
hat und leichter, vom Geſchmack geleitet, zweck-
maͤßig nachgeahmt werden kann, daß aber der
Park ſich nicht leicht wiederholen laͤßt, ſondern
in jeder neuen Geſtalt als ein anderes Indivi-
duum auftreten muß. Es iſt aber wohl moͤg-
lich, daß es demohngeachtet nur wenige Haupt-
formen giebt, unter welche alle Gaͤrten dieſer
Art ſich vereinigen laſſen, und trotz der anſchei-
nenden Einſamkeit duͤrften dann die Franzoͤſi-
ſchen Gaͤrten wohl eben ſo viele Gattungen auf-
weiſen koͤnnen. Iſt es erlaubt ein Ding durch
ein vergleichendes Bild deutlich zu machen, ſo

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[144/0155] Erſte Abtheilung. ſchaftlichen poetiſchen Quelle ſchoͤpfen, ſo thaͤte man auch dieſem Kunſtgarten Unrecht, ihn aus der Architektur abzuleiten, da auch der Architekt nur aus jener mathematiſchen Poeſie des Ge- muͤthes ſeine Erfindungen nimmt. Daher ſcheint es mir auch geradezu unmoͤglich, in Bergen einen Park anzulegen, weil die Natur die un- mittelbar hinein blickt, die Kunſt-Effekte, die ihr hier verwandt ſein ſollen, vernichtet. Nach der Natur aber ſelbſt ſehnt ſich gewiß jeder aus beiderlei Gaͤrten vielmals hinaus und Niemand kann ſie entbehren. Der regelmaͤßige Garten ſchließt vielleicht im Hintergrunde am angenehm- ſten mit einem parkaͤhnlichen, ſo wie der Eng- liſche am ſchicklichſten nahe am Hauſe freie Raͤume und eine gewiſſe Regelmaͤßigkeit aus- ſpart. Es ergiebt ſich auch von ſelbſt, daß der regelmaͤßige Kunſtgarten eine allgemeinere Form hat und leichter, vom Geſchmack geleitet, zweck- maͤßig nachgeahmt werden kann, daß aber der Park ſich nicht leicht wiederholen laͤßt, ſondern in jeder neuen Geſtalt als ein anderes Indivi- duum auftreten muß. Es iſt aber wohl moͤg- lich, daß es demohngeachtet nur wenige Haupt- formen giebt, unter welche alle Gaͤrten dieſer Art ſich vereinigen laſſen, und trotz der anſchei- nenden Einſamkeit duͤrften dann die Franzoͤſi- ſchen Gaͤrten wohl eben ſo viele Gattungen auf- weiſen koͤnnen. Iſt es erlaubt ein Ding durch ein vergleichendes Bild deutlich zu machen, ſo moͤchte

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/155>, abgerufen am 23.11.2024.