aller Fülle und Herrlichkeit, der Schatten faßt den Glanz und zieht ihn hinab, und wir schauen ihm sehnsuchtsvoll nach.
So wie dem Mährchen-Gedicht der Schön- heit, sagte Anton; und Friedrich fügte hinzu: doch bleibt unser Herz und seine Liebe die un- wandelbare Sonne. --
Ein glänzender Sternenhimmel stand über der Landschaft, das Rauschen der Wasserfälle und Wälder tönte in die ruhige Einsamkeit des Gartens herüber, in welchem Theodor auf und niederging und die Wirkungen bewunderte, welche das Licht der Sterne und die letzten goldnen Streifen des Horizontes in den springenden Quel- len hervorbrachten. Jetzt ertönte Manfreds Wald- horn aus dessen Zimmer und die melankolischen durchdringlichen Töne zitterten vom Gebirge zurück, als Ernst, der von den Hügeln herunter kam, durch das Thor des Gartens trat, und sich zu dem einsamen Theodor gesellte. Wie schön, fing er an, schließt diese heitre Nacht die Genüsse des Tages; die Sonne und unsre Geliebten sind zur Ruhe, Wälder und Wasser rauschen fort, die Erde träumt, und unser Freund gießt noch einen herzlichen Abschied über die entschlummerte Na- tur hin.
Anton, sagte Theodor, schläft auch noch nicht, er sitzt im Gartensaale und schreibt ein Gedicht, welches unsern Vorlesungen als Ein-
Einleitung.
aller Fuͤlle und Herrlichkeit, der Schatten faßt den Glanz und zieht ihn hinab, und wir ſchauen ihm ſehnſuchtsvoll nach.
So wie dem Maͤhrchen-Gedicht der Schoͤn- heit, ſagte Anton; und Friedrich fuͤgte hinzu: doch bleibt unſer Herz und ſeine Liebe die un- wandelbare Sonne. —
Ein glaͤnzender Sternenhimmel ſtand uͤber der Landſchaft, das Rauſchen der Waſſerfaͤlle und Waͤlder toͤnte in die ruhige Einſamkeit des Gartens heruͤber, in welchem Theodor auf und niederging und die Wirkungen bewunderte, welche das Licht der Sterne und die letzten goldnen Streifen des Horizontes in den ſpringenden Quel- len hervorbrachten. Jetzt ertoͤnte Manfreds Wald- horn aus deſſen Zimmer und die melankoliſchen durchdringlichen Toͤne zitterten vom Gebirge zuruͤck, als Ernſt, der von den Huͤgeln herunter kam, durch das Thor des Gartens trat, und ſich zu dem einſamen Theodor geſellte. Wie ſchoͤn, fing er an, ſchließt dieſe heitre Nacht die Genuͤſſe des Tages; die Sonne und unſre Geliebten ſind zur Ruhe, Waͤlder und Waſſer rauſchen fort, die Erde traͤumt, und unſer Freund gießt noch einen herzlichen Abſchied uͤber die entſchlummerte Na- tur hin.
Anton, ſagte Theodor, ſchlaͤft auch noch nicht, er ſitzt im Gartenſaale und ſchreibt ein Gedicht, welches unſern Vorleſungen als Ein-
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Einleitung.
aller Fuͤlle und Herrlichkeit, der Schatten faßt
den Glanz und zieht ihn hinab, und wir ſchauen
ihm ſehnſuchtsvoll nach.
So wie dem Maͤhrchen-Gedicht der Schoͤn-
heit, ſagte Anton; und Friedrich fuͤgte hinzu:
doch bleibt unſer Herz und ſeine Liebe die un-
wandelbare Sonne. —
Ein glaͤnzender Sternenhimmel ſtand uͤber
der Landſchaft, das Rauſchen der Waſſerfaͤlle
und Waͤlder toͤnte in die ruhige Einſamkeit des
Gartens heruͤber, in welchem Theodor auf und
niederging und die Wirkungen bewunderte, welche
das Licht der Sterne und die letzten goldnen
Streifen des Horizontes in den ſpringenden Quel-
len hervorbrachten. Jetzt ertoͤnte Manfreds Wald-
horn aus deſſen Zimmer und die melankoliſchen
durchdringlichen Toͤne zitterten vom Gebirge zuruͤck,
als Ernſt, der von den Huͤgeln herunter kam,
durch das Thor des Gartens trat, und ſich zu
dem einſamen Theodor geſellte. Wie ſchoͤn, fing
er an, ſchließt dieſe heitre Nacht die Genuͤſſe
des Tages; die Sonne und unſre Geliebten ſind
zur Ruhe, Waͤlder und Waſſer rauſchen fort, die
Erde traͤumt, und unſer Freund gießt noch einen
herzlichen Abſchied uͤber die entſchlummerte Na-
tur hin.
Anton, ſagte Theodor, ſchlaͤft auch noch
nicht, er ſitzt im Gartenſaale und ſchreibt ein
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/143>, abgerufen am 22.11.2024.
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