sich nicht so gehn, wie du möchtest, bald bist du hinter deinem vorigen Standpunkte zurück, und so ist es auch wahrscheinlich jenem drüben er- gangen; tagelang rennt man sich aus dem Wege, wenn man sich nicht in einer albernen Moschee, oder Otahitischen Hütte, in die man gegen den Regen unterduckt, ganz unvermuthet findet.
Eben so wenig, fuhr Theodor fort, kannst du aber dem ausweichen, dem du nicht be- gegnen willst, und das ist oft noch schlimmer. Nichts alberneres, als zwei Menschen, die sich nicht leiden mögen, und die sich plötzlich in ge- zwungener Einsamkeit in einer dunkeln Grotte eng neben einander befinden, da brummt man was von schöner Natur und rennt aus einan- der, als müßte man die nächste Schönheit noch eilig ertappen, die sich sonst vielleicht auf flüch- tigen Füßen davon machen möchte; und, siehe da, indem du dich bald nachher eine enge Fel- sentreppe hinauf quälst, kommt dir wieder die fatale Personage von oben herunter entgegen ge- stiegen, man muß sich sogar beim Vorbeidrän- gen körperlich berühren, eine nothgedrungene Freundlichkeit anlegen, und der lieben Humani- tät wegen recht entzückt sein über das herrlich romantische Wesen, um nur der leidigen Ver- suchung auszuweichen, jenen in den zauber- aber nicht wasserreichen Wasserfall hinab zu stoßen. Die Entdeckung und Anpflanzung der Lombardi- schen Pappel, die weder Gestalt noch Farbe hat,
I. [ 7 ]
Einleitung.
ſich nicht ſo gehn, wie du moͤchteſt, bald biſt du hinter deinem vorigen Standpunkte zuruͤck, und ſo iſt es auch wahrſcheinlich jenem druͤben er- gangen; tagelang rennt man ſich aus dem Wege, wenn man ſich nicht in einer albernen Moſchee, oder Otahitiſchen Huͤtte, in die man gegen den Regen unterduckt, ganz unvermuthet findet.
Eben ſo wenig, fuhr Theodor fort, kannſt du aber dem ausweichen, dem du nicht be- gegnen willſt, und das iſt oft noch ſchlimmer. Nichts alberneres, als zwei Menſchen, die ſich nicht leiden moͤgen, und die ſich ploͤtzlich in ge- zwungener Einſamkeit in einer dunkeln Grotte eng neben einander befinden, da brummt man was von ſchoͤner Natur und rennt aus einan- der, als muͤßte man die naͤchſte Schoͤnheit noch eilig ertappen, die ſich ſonſt vielleicht auf fluͤch- tigen Fuͤßen davon machen moͤchte; und, ſiehe da, indem du dich bald nachher eine enge Fel- ſentreppe hinauf quaͤlſt, kommt dir wieder die fatale Perſonage von oben herunter entgegen ge- ſtiegen, man muß ſich ſogar beim Vorbeidraͤn- gen koͤrperlich beruͤhren, eine nothgedrungene Freundlichkeit anlegen, und der lieben Humani- taͤt wegen recht entzuͤckt ſein uͤber das herrlich romantiſche Weſen, um nur der leidigen Ver- ſuchung auszuweichen, jenen in den zauber- aber nicht waſſerreichen Waſſerfall hinab zu ſtoßen. Die Entdeckung und Anpflanzung der Lombardi- ſchen Pappel, die weder Geſtalt noch Farbe hat,
I. [ 7 ]
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Einleitung.
ſich nicht ſo gehn, wie du moͤchteſt, bald biſt du
hinter deinem vorigen Standpunkte zuruͤck, und
ſo iſt es auch wahrſcheinlich jenem druͤben er-
gangen; tagelang rennt man ſich aus dem Wege,
wenn man ſich nicht in einer albernen Moſchee,
oder Otahitiſchen Huͤtte, in die man gegen den
Regen unterduckt, ganz unvermuthet findet.
Eben ſo wenig, fuhr Theodor fort, kannſt
du aber dem ausweichen, dem du nicht be-
gegnen willſt, und das iſt oft noch ſchlimmer.
Nichts alberneres, als zwei Menſchen, die ſich
nicht leiden moͤgen, und die ſich ploͤtzlich in ge-
zwungener Einſamkeit in einer dunkeln Grotte
eng neben einander befinden, da brummt man
was von ſchoͤner Natur und rennt aus einan-
der, als muͤßte man die naͤchſte Schoͤnheit noch
eilig ertappen, die ſich ſonſt vielleicht auf fluͤch-
tigen Fuͤßen davon machen moͤchte; und, ſiehe
da, indem du dich bald nachher eine enge Fel-
ſentreppe hinauf quaͤlſt, kommt dir wieder die
fatale Perſonage von oben herunter entgegen ge-
ſtiegen, man muß ſich ſogar beim Vorbeidraͤn-
gen koͤrperlich beruͤhren, eine nothgedrungene
Freundlichkeit anlegen, und der lieben Humani-
taͤt wegen recht entzuͤckt ſein uͤber das herrlich
romantiſche Weſen, um nur der leidigen Ver-
ſuchung auszuweichen, jenen in den zauber- aber
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Die Entdeckung und Anpflanzung der Lombardi-
ſchen Pappel, die weder Geſtalt noch Farbe hat,
I. [ 7 ]
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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