fahren, wie von Fabeln reden hören und lächelnd den Kopf schütteln! -- Welche Geduld ist hier eisern genug, um nicht zu brechen? Man möch- te bei einem solchen Anblicke rasend werden!
O ihr Sichern und Ueberzeugten! ihr rich- tet, und wisset nicht, was ihr thut. Ihr wür- felt mit plumpen Händen darum, was ihr gut und was ihr böse nennen wollt, ihr seid kalte und alberne Zuschauer, die eine Tragödie in ei- ner Sprache spielen sehen, die sie nicht verste- hen, und die sich nur zunicken und bedeutende Winke geben, um einer vor dem andern seine Unwissenheit zu verbergen.
Eduard sprach nur wenig mit mir, er spielte den gnädigen Herrn; es war mir lieb, daß er bald ging. Er verdiente nicht, daß ich ihm antwortete, und er bemerkte es recht gut, wie sehr ich ihn verachtete.
Es nahte sich die Nacht, in der ich mit Emilien entfliehen wollte. Ich war eben im Be- griffe aus dem Fenster zu klettern, als sich die Thür eröffnete und Burton mit einer kleinen Laterne hereintrat. Er sagte mir, ich solle ihm folgen, weil ich in seinem Hause nicht mehr sicher sey. Wir gingen stillschwei-
fahren, wie von Fabeln reden hoͤren und laͤchelnd den Kopf ſchuͤtteln! — Welche Geduld iſt hier eiſern genug, um nicht zu brechen? Man moͤch- te bei einem ſolchen Anblicke raſend werden!
O ihr Sichern und Ueberzeugten! ihr rich- tet, und wiſſet nicht, was ihr thut. Ihr wuͤr- felt mit plumpen Haͤnden darum, was ihr gut und was ihr boͤſe nennen wollt, ihr ſeid kalte und alberne Zuſchauer, die eine Tragoͤdie in ei- ner Sprache ſpielen ſehen, die ſie nicht verſte- hen, und die ſich nur zunicken und bedeutende Winke geben, um einer vor dem andern ſeine Unwiſſenheit zu verbergen.
Eduard ſprach nur wenig mit mir, er ſpielte den gnaͤdigen Herrn; es war mir lieb, daß er bald ging. Er verdiente nicht, daß ich ihm antwortete, und er bemerkte es recht gut, wie ſehr ich ihn verachtete.
Es nahte ſich die Nacht, in der ich mit Emilien entfliehen wollte. Ich war eben im Be- griffe aus dem Fenſter zu klettern, als ſich die Thuͤr eroͤffnete und Burton mit einer kleinen Laterne hereintrat. Er ſagte mir, ich ſolle ihm folgen, weil ich in ſeinem Hauſe nicht mehr ſicher ſey. Wir gingen ſtillſchwei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="88"/>
fahren, wie von Fabeln reden hoͤren und laͤchelnd<lb/>
den Kopf ſchuͤtteln! — Welche Geduld iſt hier<lb/>
eiſern genug, um nicht zu brechen? Man moͤch-<lb/>
te bei einem ſolchen Anblicke raſend werden!</p><lb/><p>O ihr Sichern und Ueberzeugten! ihr rich-<lb/>
tet, und wiſſet nicht, was ihr thut. Ihr wuͤr-<lb/>
felt mit plumpen Haͤnden darum, was ihr gut<lb/>
und was ihr boͤſe nennen wollt, ihr ſeid kalte<lb/>
und alberne Zuſchauer, die eine Tragoͤdie in ei-<lb/>
ner Sprache ſpielen ſehen, die ſie nicht verſte-<lb/>
hen, und die ſich nur zunicken und bedeutende<lb/>
Winke geben, um einer vor dem andern ſeine<lb/>
Unwiſſenheit zu verbergen.</p><lb/><p>Eduard ſprach nur wenig mit mir, er ſpielte<lb/>
den gnaͤdigen Herrn; es war mir lieb, daß er<lb/>
bald ging. Er verdiente nicht, daß ich ihm<lb/>
antwortete, und er bemerkte es recht gut, wie<lb/>ſehr ich ihn verachtete.</p><lb/><p>Es nahte ſich die Nacht, in der ich mit<lb/>
Emilien entfliehen wollte. Ich war eben im Be-<lb/>
griffe aus dem Fenſter zu klettern, als ſich die<lb/>
Thuͤr eroͤffnete und Burton mit einer kleinen<lb/>
Laterne hereintrat. Er ſagte mir, ich ſolle<lb/>
ihm folgen, weil ich in ſeinem Hauſe nicht<lb/>
mehr ſicher ſey. Wir gingen ſtillſchwei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[88/0095]
fahren, wie von Fabeln reden hoͤren und laͤchelnd
den Kopf ſchuͤtteln! — Welche Geduld iſt hier
eiſern genug, um nicht zu brechen? Man moͤch-
te bei einem ſolchen Anblicke raſend werden!
O ihr Sichern und Ueberzeugten! ihr rich-
tet, und wiſſet nicht, was ihr thut. Ihr wuͤr-
felt mit plumpen Haͤnden darum, was ihr gut
und was ihr boͤſe nennen wollt, ihr ſeid kalte
und alberne Zuſchauer, die eine Tragoͤdie in ei-
ner Sprache ſpielen ſehen, die ſie nicht verſte-
hen, und die ſich nur zunicken und bedeutende
Winke geben, um einer vor dem andern ſeine
Unwiſſenheit zu verbergen.
Eduard ſprach nur wenig mit mir, er ſpielte
den gnaͤdigen Herrn; es war mir lieb, daß er
bald ging. Er verdiente nicht, daß ich ihm
antwortete, und er bemerkte es recht gut, wie
ſehr ich ihn verachtete.
Es nahte ſich die Nacht, in der ich mit
Emilien entfliehen wollte. Ich war eben im Be-
griffe aus dem Fenſter zu klettern, als ſich die
Thuͤr eroͤffnete und Burton mit einer kleinen
Laterne hereintrat. Er ſagte mir, ich ſolle
ihm folgen, weil ich in ſeinem Hauſe nicht
mehr ſicher ſey. Wir gingen ſtillſchwei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/95>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.