mein ganzes Herz in mir eröffnete, und ich muß- te über mich selbst erstaunen. -- Ach was ist Wahrheit und Ueberzeugung im Menschen! Ich war jetzt von allem überzeugt was ich da sagte, ich war schwermüthig, und in sie verliebt, ich hätte mich wirklich in diesem Augenblicke ermor- den können. O! man rede mir doch künftig nicht von den Menschen die sich verstellen. Was ist die Aufrichtigkeit in uns?
Emiliens Rührung ward immer heftiger, und sie legte am Ende ihre Hand in die meinige; sie hatte meinen Worten geglaubt, und ihr Herz neigte sich mir unwiderstehlich entgegen. Sie sagte mir: daß Sie mich trösten wolle, wenn sie mich trösten könne, daß sie mich gern für mein Unglück entschädigen wolle, wenn es in ih- rer Gewalt stehe. Die ganze Scene schloß sich in der Manier wie sie angefangen hatte.
Jetzt suchte ich sie nun immer mit den Au- gen: wenn es möglich war, sprach ich sie allein im Garten, da wir aber oft gehindert wurden, suchte ich ihr ein kleines Billet zuzustecken. -- Es ward beantwortet, wie ich gar nicht gehofft hatte; nun hatte ich die deutlichsten Proben ih- rer Liebe. Das Billetschreiben ging fort, und
mein ganzes Herz in mir eroͤffnete, und ich muß- te uͤber mich ſelbſt erſtaunen. — Ach was iſt Wahrheit und Ueberzeugung im Menſchen! Ich war jetzt von allem uͤberzeugt was ich da ſagte, ich war ſchwermuͤthig, und in ſie verliebt, ich haͤtte mich wirklich in dieſem Augenblicke ermor- den koͤnnen. O! man rede mir doch kuͤnftig nicht von den Menſchen die ſich verſtellen. Was iſt die Aufrichtigkeit in uns?
Emiliens Ruͤhrung ward immer heftiger, und ſie legte am Ende ihre Hand in die meinige; ſie hatte meinen Worten geglaubt, und ihr Herz neigte ſich mir unwiderſtehlich entgegen. Sie ſagte mir: daß Sie mich troͤſten wolle, wenn ſie mich troͤſten koͤnne, daß ſie mich gern fuͤr mein Ungluͤck entſchaͤdigen wolle, wenn es in ih- rer Gewalt ſtehe. Die ganze Scene ſchloß ſich in der Manier wie ſie angefangen hatte.
Jetzt ſuchte ich ſie nun immer mit den Au- gen: wenn es moͤglich war, ſprach ich ſie allein im Garten, da wir aber oft gehindert wurden, ſuchte ich ihr ein kleines Billet zuzuſtecken. — Es ward beantwortet, wie ich gar nicht gehofft hatte; nun hatte ich die deutlichſten Proben ih- rer Liebe. Das Billetſchreiben ging fort, und
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mein ganzes Herz in mir eroͤffnete, und ich muß-
te uͤber mich ſelbſt erſtaunen. — Ach was iſt
Wahrheit und Ueberzeugung im Menſchen! Ich
war jetzt von allem uͤberzeugt was ich da ſagte,
ich war ſchwermuͤthig, und in ſie verliebt, ich
haͤtte mich wirklich in dieſem Augenblicke ermor-
den koͤnnen. O! man rede mir doch kuͤnftig
nicht von den Menſchen die ſich verſtellen. Was
iſt die Aufrichtigkeit in uns?
Emiliens Ruͤhrung ward immer heftiger, und
ſie legte am Ende ihre Hand in die meinige;
ſie hatte meinen Worten geglaubt, und ihr Herz
neigte ſich mir unwiderſtehlich entgegen. Sie
ſagte mir: daß Sie mich troͤſten wolle, wenn
ſie mich troͤſten koͤnne, daß ſie mich gern fuͤr
mein Ungluͤck entſchaͤdigen wolle, wenn es in ih-
rer Gewalt ſtehe. Die ganze Scene ſchloß ſich
in der Manier wie ſie angefangen hatte.
Jetzt ſuchte ich ſie nun immer mit den Au-
gen: wenn es moͤglich war, ſprach ich ſie allein
im Garten, da wir aber oft gehindert wurden,
ſuchte ich ihr ein kleines Billet zuzuſtecken. —
Es ward beantwortet, wie ich gar nicht gehofft
hatte; nun hatte ich die deutlichſten Proben ih-
rer Liebe. Das Billetſchreiben ging fort, und
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/60>, abgerufen am 23.11.2024.
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