ten Reliquien gezittert: die Skelette mit den Kränzen und ihren entblösten Schädeln, das flimmernde Gold und die einzelnen Blumen, die um die leeren Augenhölen wanken, der glä- serne Schrank, alles schien mir dann so selt- sam und räthselhaft zusammengestellt, mich er- schreckte hernach auch in den vollen blonden Locken der Blumenkranz. Und so lag Bianka vor mir.
Laura saß daneben und weinte. Sie nennt die Gestorbene unaufhörlich ein gutes, liebes Mädchen, und putzt sich so ihren Schmerz auf, und idealisirt sich selbst und ihren Zustand. Es ist gut, wenn es die Menschen noch können, denn es ist nöthig, sich selber etwas vorzulügen; in mir ist die Kraft und der Wille dazu er- loschen.
ten Reliquien gezittert: die Skelette mit den Kraͤnzen und ihren entbloͤſten Schaͤdeln, das flimmernde Gold und die einzelnen Blumen, die um die leeren Augenhoͤlen wanken, der glaͤ- ſerne Schrank, alles ſchien mir dann ſo ſelt- ſam und raͤthſelhaft zuſammengeſtellt, mich er- ſchreckte hernach auch in den vollen blonden Locken der Blumenkranz. Und ſo lag Bianka vor mir.
Laura ſaß daneben und weinte. Sie nennt die Geſtorbene unaufhoͤrlich ein gutes, liebes Maͤdchen, und putzt ſich ſo ihren Schmerz auf, und idealiſirt ſich ſelbſt und ihren Zuſtand. Es iſt gut, wenn es die Menſchen noch koͤnnen, denn es iſt noͤthig, ſich ſelber etwas vorzuluͤgen; in mir iſt die Kraft und der Wille dazu er- loſchen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0467"n="460"/>
ten Reliquien gezittert: die Skelette mit den<lb/>
Kraͤnzen und ihren entbloͤſten Schaͤdeln, das<lb/>
flimmernde Gold und die einzelnen Blumen,<lb/>
die um die leeren Augenhoͤlen wanken, der glaͤ-<lb/>ſerne Schrank, alles ſchien mir dann ſo ſelt-<lb/>ſam und raͤthſelhaft zuſammengeſtellt, mich er-<lb/>ſchreckte hernach auch in den vollen blonden<lb/>
Locken der Blumenkranz. Und ſo lag Bianka<lb/>
vor mir.</p><lb/><p>Laura ſaß daneben und weinte. Sie nennt<lb/>
die Geſtorbene unaufhoͤrlich ein gutes, liebes<lb/>
Maͤdchen, und putzt ſich ſo ihren Schmerz auf,<lb/>
und idealiſirt ſich ſelbſt und ihren Zuſtand. Es<lb/>
iſt gut, wenn es die Menſchen noch koͤnnen,<lb/>
denn es iſt noͤthig, ſich ſelber etwas vorzuluͤgen;<lb/>
in mir iſt die Kraft und der Wille dazu er-<lb/>
loſchen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[460/0467]
ten Reliquien gezittert: die Skelette mit den
Kraͤnzen und ihren entbloͤſten Schaͤdeln, das
flimmernde Gold und die einzelnen Blumen,
die um die leeren Augenhoͤlen wanken, der glaͤ-
ſerne Schrank, alles ſchien mir dann ſo ſelt-
ſam und raͤthſelhaft zuſammengeſtellt, mich er-
ſchreckte hernach auch in den vollen blonden
Locken der Blumenkranz. Und ſo lag Bianka
vor mir.
Laura ſaß daneben und weinte. Sie nennt
die Geſtorbene unaufhoͤrlich ein gutes, liebes
Maͤdchen, und putzt ſich ſo ihren Schmerz auf,
und idealiſirt ſich ſelbſt und ihren Zuſtand. Es
iſt gut, wenn es die Menſchen noch koͤnnen,
denn es iſt noͤthig, ſich ſelber etwas vorzuluͤgen;
in mir iſt die Kraft und der Wille dazu er-
loſchen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/467>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.