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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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daß sie durch Andrea, oder eigentlich Water-
lao, bewegt worden sey, auf einer Maskerade
mich zu erschrecken und die Rolle der Rosaline
zu spielen. Ich betrachtete sie genauer, und
erschrak, als ich wirklich eine auffallende Aehn-
lichkeit entdeckte; ich konnte es aber immer
noch nicht begreifen, daß ich mich so hätte
können hintergehn lassen; um mich völlig zu
überzeugen, schminkte sie sich daher etwas,
färbte die Augenbraunen dunkler, kämmte die
Haare in die Stirn hinein, und schlug um den
Kopf ein lockeres seidnes Tuch. Ich schrie
laut auf, als sie so wieder zu mir hineintrat;
gerade so trug sich Rosaline, und ich weiß
jetzt, warum ich mich neulich so innerlich ent-
setzte, als ich Bianka besuchte. Es ist aber
unbegreiflich, wie Kleinigkeiten im Anzuge die
Gesichter verändern können. Bianka's matter
Blick machte, daß ich sie in einzelnen Sekun-
den für Rosalinens Geist hielt: in der Finsterniß
und im Wagen war mein Erschrecken damals
noch viel heftiger, weil mich die Gestalt noch
mehr überraschte. -- Bianka sagte mir nun,
daß sie mich schon vor meiner Abreise aus Ita-
lien gern gesprochen hätte, aber ich sey auf

daß ſie durch Andrea, oder eigentlich Water-
lao, bewegt worden ſey, auf einer Maskerade
mich zu erſchrecken und die Rolle der Roſaline
zu ſpielen. Ich betrachtete ſie genauer, und
erſchrak, als ich wirklich eine auffallende Aehn-
lichkeit entdeckte; ich konnte es aber immer
noch nicht begreifen, daß ich mich ſo haͤtte
koͤnnen hintergehn laſſen; um mich voͤllig zu
uͤberzeugen, ſchminkte ſie ſich daher etwas,
faͤrbte die Augenbraunen dunkler, kaͤmmte die
Haare in die Stirn hinein, und ſchlug um den
Kopf ein lockeres ſeidnes Tuch. Ich ſchrie
laut auf, als ſie ſo wieder zu mir hineintrat;
gerade ſo trug ſich Roſaline, und ich weiß
jetzt, warum ich mich neulich ſo innerlich ent-
ſetzte, als ich Bianka beſuchte. Es iſt aber
unbegreiflich, wie Kleinigkeiten im Anzuge die
Geſichter veraͤndern koͤnnen. Bianka's matter
Blick machte, daß ich ſie in einzelnen Sekun-
den fuͤr Roſalinens Geiſt hielt: in der Finſterniß
und im Wagen war mein Erſchrecken damals
noch viel heftiger, weil mich die Geſtalt noch
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[458/0465] daß ſie durch Andrea, oder eigentlich Water- lao, bewegt worden ſey, auf einer Maskerade mich zu erſchrecken und die Rolle der Roſaline zu ſpielen. Ich betrachtete ſie genauer, und erſchrak, als ich wirklich eine auffallende Aehn- lichkeit entdeckte; ich konnte es aber immer noch nicht begreifen, daß ich mich ſo haͤtte koͤnnen hintergehn laſſen; um mich voͤllig zu uͤberzeugen, ſchminkte ſie ſich daher etwas, faͤrbte die Augenbraunen dunkler, kaͤmmte die Haare in die Stirn hinein, und ſchlug um den Kopf ein lockeres ſeidnes Tuch. Ich ſchrie laut auf, als ſie ſo wieder zu mir hineintrat; gerade ſo trug ſich Roſaline, und ich weiß jetzt, warum ich mich neulich ſo innerlich ent- ſetzte, als ich Bianka beſuchte. Es iſt aber unbegreiflich, wie Kleinigkeiten im Anzuge die Geſichter veraͤndern koͤnnen. Bianka's matter Blick machte, daß ich ſie in einzelnen Sekun- den fuͤr Roſalinens Geiſt hielt: in der Finſterniß und im Wagen war mein Erſchrecken damals noch viel heftiger, weil mich die Geſtalt noch mehr uͤberraſchte. — Bianka ſagte mir nun, daß ſie mich ſchon vor meiner Abreiſe aus Ita- lien gern geſprochen haͤtte, aber ich ſey auf

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/465>, abgerufen am 04.12.2024.