ben. -- Ich setze mich hin, Wahrheit zu predigen, und weiß am Ende auch nicht, was ich thue. -- Ich habe mich auch in manchen Stunden für etwas recht Besonderes gehalten -- und was bin ich am Ende? War es nicht sehr närrisch, mich unaufhörlich mit abentheu- erlichen Spielwerken zu beschäftigen, indeß ich in guter Ruhe hätte essen und trinken können? Ich freute mich sehr, das Haupt einer gehei- men, unsichtbaren Räuberbande zu seyn, ein Gespenst zu spielen, und andre Gespenster her- beyzurufen, die ganze Welt zum Narren zu haben, und jetzt fällt mir die Frage ein, ob ich mich bey dieser Bemühung nicht selber zum größten Narren gemacht habe. -- Ich bin vielleicht jetzt ernsthafter als je, und doch möchte ich über mich selber lachen.
Und daß ich mit solcher Gutmüthigkeit hier sitze, und noch kurz vor meinem Tode mich mit Schreiben abquäle, um eine jäm- merliche Eitelkeit zu befriedigen, ist gar un- begreiflich und unglaublich. -- Wer ist das seltsame Ich, das sich so mit mit mir selber herumzankt? -- O, ich will die Feder nieder- legen, und bey Gelegenheit sterben.
ben. — Ich ſetze mich hin, Wahrheit zu predigen, und weiß am Ende auch nicht, was ich thue. — Ich habe mich auch in manchen Stunden fuͤr etwas recht Beſonderes gehalten — und was bin ich am Ende? War es nicht ſehr naͤrriſch, mich unaufhoͤrlich mit abentheu- erlichen Spielwerken zu beſchaͤftigen, indeß ich in guter Ruhe haͤtte eſſen und trinken koͤnnen? Ich freute mich ſehr, das Haupt einer gehei- men, unſichtbaren Raͤuberbande zu ſeyn, ein Geſpenſt zu ſpielen, und andre Geſpenſter her- beyzurufen, die ganze Welt zum Narren zu haben, und jetzt faͤllt mir die Frage ein, ob ich mich bey dieſer Bemuͤhung nicht ſelber zum groͤßten Narren gemacht habe. — Ich bin vielleicht jetzt ernſthafter als je, und doch moͤchte ich uͤber mich ſelber lachen.
Und daß ich mit ſolcher Gutmuͤthigkeit hier ſitze, und noch kurz vor meinem Tode mich mit Schreiben abquaͤle, um eine jaͤm- merliche Eitelkeit zu befriedigen, iſt gar un- begreiflich und unglaublich. — Wer iſt das ſeltſame Ich, das ſich ſo mit mit mir ſelber herumzankt? — O, ich will die Feder nieder- legen, und bey Gelegenheit ſterben.
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ben. — Ich ſetze mich hin, Wahrheit zu
predigen, und weiß am Ende auch nicht, was
ich thue. — Ich habe mich auch in manchen
Stunden fuͤr etwas recht Beſonderes gehalten
— und was bin ich am Ende? War es nicht
ſehr naͤrriſch, mich unaufhoͤrlich mit abentheu-
erlichen Spielwerken zu beſchaͤftigen, indeß ich
in guter Ruhe haͤtte eſſen und trinken koͤnnen?
Ich freute mich ſehr, das Haupt einer gehei-
men, unſichtbaren Raͤuberbande zu ſeyn, ein
Geſpenſt zu ſpielen, und andre Geſpenſter her-
beyzurufen, die ganze Welt zum Narren zu
haben, und jetzt faͤllt mir die Frage ein, ob
ich mich bey dieſer Bemuͤhung nicht ſelber zum
groͤßten Narren gemacht habe. — Ich bin
vielleicht jetzt ernſthafter als je, und doch
moͤchte ich uͤber mich ſelber lachen.
Und daß ich mit ſolcher Gutmuͤthigkeit
hier ſitze, und noch kurz vor meinem Tode
mich mit Schreiben abquaͤle, um eine jaͤm-
merliche Eitelkeit zu befriedigen, iſt gar un-
begreiflich und unglaublich. — Wer iſt das
ſeltſame Ich, das ſich ſo mit mit mir ſelber
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/463>, abgerufen am 04.12.2024.
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